The Project Gutenberg EBook of Man Kann Nie Wissen, by George Bernard Shaw Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. You can also find out about how to make a donation to Project Gutenberg, and how to get involved. **Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts** **eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971** *****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!***** Title: Man Kann Nie Wissen Author: George Bernard Shaw Release Date: February, 2006 [EBook #9810] [This file was first posted on October 19, 2003] Edition: 10 Language: German Character set encoding: US-ASCII *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, MAN KANN NIE WISSEN *** E-text prepared by Michalina Makowska This Etext is in German. We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format, known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email-- and one in 8-bit format, which includes higher order characters-- which requires a binary transfer, or sent as email attachment and may require more specialized programs to display the accents. This is the 7-bit version. Man Kann Nie Wissen (Komoedie in vier Akten) George Bernard Shaw Uebersetzung von Siegfried Trabisch Die erste deutsche Ausgabe dieser Komoedie fuehrte den Titel "Der verlorene Vater".--Die Hauptperson heisst im Original nicht Fergu McNaughtan, sondern Fergus Crampton. Shaw, der Hauptmann sehr verehrt, wollte die festumrissene Vorstellung, die wir mit dem Namen Crampton verbinden, nicht stoeren und aenderte ihn in McNaughtan um, womit zugleich die Uebertragung eines Wortwitzes moeglich wurde, der im Original eine Rolle spielt. Anmerkung des Uebersetzers. PERSONEN Frau Clandon Gloria } Dolly } ihre Kinder Philip } Dr. Valentine, Zahnarzt Fergus McNaughtan McComas, Rechtsanwalt Justizrat Bohun Ein Kellner Ein Stubenmaedchen Ein Kellnerjunge Ein Koch Ort: Ein englisches Seebad. Zeit: 1896. ERSTER AKT (An einem schoenen Augustmorgen des Jahres 1896 im Operationszimmer eines Zahnarztes. Es ist nicht das uebliche winzige Londoner Loch, sondern das beste Zimmer einer moeblierten Wohnung an der Strandpromenade in einem vornehmen Seebad. Der Operationsstuhl mit Gasschlauch und Zylinder steht zwischen der Mitte des Zimmers und einer der Ecken. Wenn man durch das dem Stuhl gegenueberliegende Fenster in das Zimmer hineinsieht, erblickt man den Kamin in der Mitte der dem Beschauer gegenueberstehenden Wand. Links eine Tuer. Ueber dem Kaminsims befindet sich ein Diplom in einem Rahmen. Vor dem Kamin steht ein breiter schwarzlederner Sessel, rechts in der Ecke ein sauberer Schemel und eine Bank mit Schraubstock, Werkzeugen, einem Moerser und einem Stoessel darauf. In der Naehe dieser Bank befindet sich ein duennes peitschenartiges Geraet, das mit einem Staender, einem Pedal und einer uebertrieben grossen Kurbel versehen ist. Da man dieses Marterwerkzeug als Zahnbohrer erkennt, blickt man schaudernd nach links, wo man ein anderes Fenster, darunter einen Schreibtisch mit Loescher und Mappe sieht. Vor dem Schreibtisch ein Stuhl. In seiner Naehe, gegen die Tuere zu, ein lederueberzogenes Sofa. Die gegenueberliegende rechtsseitige Wand wird hauptsaechlich von einem langen Buechergestell eingenommen. Der Operationsstuhl steht dem Beschauer dicht gegenueber; in handlicher Naehe links davon befindet sich der Instrumentenschrank. Man bemerkt, dass die zahnaerztliche Einrichtung samt Apparaten neu ist. Die mit einem Muster von Girlanden und Urnen geschmueckten Tapeten im Geschmack eines Leichenbestatters, der Teppich mit seiner symmetrischen Zeichnung von reichen, kohlkopfartigen Blumenstraeussen, der glaeserne Gaskronleuchter mit Prismen, die ebenfalls prismengeschmueckten, vergoldeten, blauen Armleuchter in den Ecken des Kaminsimses und die Goldbronzeuhr unter einem Glassturz zwischen ihnen, deren Nutzlosigkeit durch eine billige amerikanische Uhr betont wird, die respektlos daneben gestellt ist und jetzt auf zwoelf Uhr mittags zeigt: alles das vereinigt sich mit dem schwarzen Marmor, der dem Kamin das Ansehen einer Familiengruft en miniature gibt, um Kaufmannsanstaendigkeit im Anfang der Regierung der Koenigin Viktoria, den Glauben ans Geld, Bibelfetischismus, Furcht vor der Hoelle, die immer im Kampf mit der Furcht vor der Armut liegt, instinktives Entsetzen vor dem leidenschaftlichen Charakter der Kunst, der Liebe und der roemisch-katholischen Kirche, und im allgemeinen die ersten Fruechte der Geldherrschaft in den Anfaengen der industriellen Revolution anzudeuten.) (Nicht das Leiseste von diesen Traditionen liegt ueber den zwei Personen, die jetzt gerade im Zimmer sind. Die eine davon, eine sehr huebsche, sehr kleine Dame, deren winzige Figur mit der elegantesten Lebhaftigkeit gekleidet ist, gehoert einer spaeteren Generation an: sie ist kaum achtzehn Jahre alt. Dieses liebe kleine Geschoepf gehoert offenbar weder zu dem Zimmer, noch auch zu dem Lande; denn seine Gesichtsfarbe, obgleich sehr zart, ist von einer heisseren Sonne als der Englands gebraeunt worden; aber trotzdem besteht fuer einen sehr feinen Beobachter ein Zusammenhang zwischen der jungen Dame und England. Sie haelt naemlich ein Wasserglas in der Hand, und auf ihrem winzigen, energisch geschnittenen Mund wie auf ihren eigentuemlich geschweiften Augenbrauen bemerkt man eine sich rasch verziehende Wolke spartanischer Hartnaeckigkeit. Wenn man die kleinste Gewissenslinie zwischen ihren Augenbrauen entdecken koennte, wuerde ein Pietist wohl die schwache Hoffnung hegen, in ihr ein Schaf im Wolfspelz zu finden--ihr Kleid ist naemlich verwuenscht huebsch--aber sowie die Wolke flieht, ist ihre Stirnlinie so vollkommen frei von jedem Suendenbewusstsein wie die eines Kaetzchens.) (Der Zahnarzt, der sie mit der Selbstzufriedenbeit des erfolgreichen Operateurs betrachtet, ist ein junger Mann von ungefaehr dreissig Jahren. Er macht nicht sehr den Eindruck eines Arbeitsmenschen: unter der geschaeftsmaessigen Art und Weise des neuetablierten Zahnarztes, der auf der Suche nach Patienten ist, bemerkt man die leichtsinnige Liebenswuerdigkeit des noch unverheirateten, auf der Suche nach lustigen Abenteuern befindlichen jungen Mannes von Welt. Er ist nicht ohne Ernst im Benehmen, aber seine straff gespannten Nasenfluegel stempeln diesen zum Ernste eines Humoristen. Seine Augen sind klar, flink, von skeptisch maessiger Groesse und doch ein wenig wagelustig; seine Stirn ist praechtig, hinter ihr ist viel Raum; seine Nase und sein Kinn sind kavaliermaessig huebsch. Im ganzen ein anziehender, beachtenswerter Anfaenger, dessen Aussichten ein Geschaeftsmann ziemlich guenstig einschaetzen wuerde.) (Die junge Dame ihm das Glas reichend:) Danke schoen. (Trotz ihrer mattgelben Hautfarbe spricht sie ohne den geringsten fremden Akzent.) (Der Zahnarzt setzt es auf den Rand des Instrumentenschrankes:) Das war mein erster Zahn! (Die junge Dame entsetzt:) Ihr erster?!... Wollen Sie damit sagen, dass Sie an mir angefangen haben, zu praktizieren? (Der Zahnarzt.) Jeder Zahnarzt muss einmal mit jemandem den Anfang machen. (Die junge Dame.) Jawohl, mit jemandem im Spital--aber nicht mit Leuten, die bezahlen. (Der Zahnarzt lachend:) Oh, das Spital zaehlt natuerlich nicht!... Ich meinte nur: mein erster Zahn in meiner Privatpraxis.--Warum wollten Sie kein Lachgas haben? (Die junge Dame.) Weil Sie mir sagten, dass das noch fuenf Schilling extra kostete. (Der Zahnarzt unangenehm beruehrt:) Oh, sagen Sie das nicht! Da hab' ich das Gefuehl, als haette ich Ihnen wegen der fuenf Schillinge weh getan. (Die junge Dame mit kuehler Dreistigkeit:) Nun, das haben Sie auch. (Sie steht auf:) Warum auch nicht?... Es ist Ihr Beruf, den Leuten weh zu tun. (Es macht ihm Spass, in dieser Weise behandelt zu werden, und er kichert heimlich, waehrend er fortfaehrt, seine Instrumente zu reinigen und wieder wegzulegen. Sie schuettelt ihr Kleid zurecht, blickt sich neugierig um und gebt an das Fenster.) Sie haben aber wirklich eine schoene Aussicht auf das Meer von diesen Zimmern aus! --Sind sie teuer? (Der Zahnarzt.) Ja. (Die junge Dame.) Ihnen gehoert aber nicht das ganze Haus? (Der Zahnarzt.) Nein. (Die junge Dame kippt den Stuhl, der vor dem Schreibtisch steht, um und betrachtet ihn kritisch, waehrend sie ihn auf einem Fuss herumwirbelt:) Ihre Einrichtung ist aber nicht die allermodernste; nicht wahr? (Der Zahnarzt.) Sie gehoert dem Hausherrn. (Die junge Dame.) Gehoert ihm dieser huebsche bequeme Rollstuhl auch? (Sie zeigt auf den Operationsstuhl.) (Der Zahnarzt.) Nein, den habe ich gemietet. (Die junge Dame geringschaetzig:) Das habe ich mir gedacht! (Sie blickt umher, um noch mehr Schluesse ziehen zu koennen:) Sie sind wohl noch nicht lange hier? (Der Zahnarzt.) Seit sechs Wochen.--Wuenschen Sie sonst noch etwas zu wissen? (Die junge Dame, an der die Anspielung verloren gebt:) Haben Sie Familie? (Der Zahnarzt.) Ich bin unverheiratet. (Die junge Dame.) Selbstverstaendlich. Das sieht man.--Ich meine Schwestern... eine Mutter... und sowas. (Der Zahnarzt.) Nicht hier am Ort. (Die junge Dame.) Hm... Wenn Sie sechs Wochen hier sind und mein Zahn der erste war, dann kann Ihre Praxis nicht sehr gross sein? (Der Zahnarzt.) Bis jetzt nicht. (Er schliesst den Schrank, nachdem er alles in Ordnung gebracht hat.) (Die junge Dame.) Nun denn, Glueck auf! (Sie nimmt ihre Boerse aus der Tasche:) Fuenf Schillinge macht es, sagten Sie, nicht wahr? (Der Zahnarzt.) Fuenf Schillinge. (Die junge Dame nimmt ein Fuenf-Schilling-Stueck heraus:) Rechnen Sie fuer jede Operation fuenf Schillinge? (Der Zahnarzt.) Ja. (Die junge Dame.) Warum? (Der Zahnarzt.) Das ist mein System. Ich bin eben, was man einen Fuenf-Schilling-Zahnarzt nennt. (Die junge Dame.) Wie nett!--Hier! (Sie haelt das Silberstueck in die Hoehe:) Ein huebsches neues Fuenf-Schilling-Stueck--Ihre erste Einnahme! Machen Sie mit dem Instrument, mit dem Sie den Leuten die Zaehne anbohren, da ein Loch hinein und tragen Sie's an Ihrer Uhrkette. (Der Zahnarzt.) Danke sehr. (Das Stubenmaedchen erscheint an der Tuer:) Der Bruder der jungen Dame. (Die huebsche Miniaturausgabe eines Mannes, augenscheinlich der Zwillingsbruder der jungen Dame, tritt lebhaft ein. Er traegt einen terrakottfarbenen Kaschmiranzug; der elegant geschnittene Rock ist mit brauner Seide gefuettert. In der Hand haelt er einen braunen Zylinder und dazu passende, loh*braune Handschuhe. Er hat die mattgelbe Gesichtsfarbe seiner Schwester und ist nach demselben kleinen Massstabe gebaut wie sie. Aber er ist elastisch, muskuloes und von entschlossenen Bewegungen und hat eine unerwartet tiefe und schneidige Sprechwiese. Er besitzt vollendete Manieren und einen vollendeten persoenlichen Stil, um den ihn ein doppelt so alter Mann beneiden koennte. Anmut und Selbstbeherrschung sind ihm Ehrensache, und obgleich dies, richtig betrachtet, nur die moderne Art knabenhafter Verlegenheit ist, so ist doch die Wirkung seines Wesens auf aeltere Leute verblueffend und waere bei einem weniger fuer sich einnehmenden jungen Menschen unertraeglich. Er ist die Schlagfertigkeit selbst und hat im Augenblick seines Eintretens eine Frage bereit:) (Der junge Mann.) Komme ich noch zu rechter Zeit? (Die junge Dame.) Nein, es ist schon alles vorueber. (Der junge Mann.) Hast du geheult? (Die junge Dame.) Oh, fuerchterlich! Herr Doktor Valentine--mein Bruder Phil. Phil: das ist Herr Dr. Valentine, unser neuer Zahnarzt. (Dr. Valentine und Philip verneigen sich voreinander. Sie faehrt in einem Atem fort:) Er ist erst seit sechs Wochen hier und ist Junggeselle. Das Haus gehoert ihm nicht, und die Einrichtung gehoert seinem Hausherrn, aber die noetigen Gegenstaende fuer seinen Beruf hat er gemietet. Er hat meinen Zahn wundervoll auf den ersten Ruck herausgekriegt. Und wir sind sehr gute Freunde. (Philip.) Du hast wohl eine Menge Fragen gestellt, was? (Die junge Dame als ob sie unfaehig waere, das zu tun:) O nein! (Philip.) Das freut mich. (Zu Dr. Valentine:) Sehr liebenswuerdig von Ihnen, nichts gegen uns zu haben, Herr Doktor. Wir sind naemlich noch nie in England gewesen, und unsere Mutter hat uns darauf vorbereitet, dass die Leute uns hier einfach nicht ertragen wuerden.--Kommen Sie, fruehstuecken Sie mit uns. (Dr. Valentine erschreckt ueber das Tempo, in dem ihre Bekanntschaft fortschreitet, ringt nach Atem, aber er hat keine Gelegenheit zu sprechen, da die Unterhaltung der Zwillinge reissend und andauernd ist.) (Die junge Dame.) O ja, sagen Sie zu, Herr Doktor! (Philip.) Im Marine-Hotel um halb zwei. (Die junge Dame.) Wir werden dann Mama erzaehlen koennen, dass ein achtbarer Englaender versprochen hat, mit uns zu fruehstuecken. (Philip.) Kein Wort mehr, Herr Doktor; Sie werden kommen! (Dr. Valentine.) Kein Wort mehr?... Ich habe ueberhaupt noch kein Wort gesagt... Darf ich fragen, mit wem ich eigentlich die Ehre habe?... Es ist mir wirklich ganz unmoeglich, mit zwei mir vollstaendig Unbekannten im Marine-Hotel zu fruehstuecken. (Die junge Dame vorlaut:) Ach, was fuer ein Unsinn!... Ein Patient in sechs Wochen! Kann Ihnen doch ganz einerlei sein? (Philip gesetzt:) Nein, Dolly: meine Menschenkenntnis bestaetigt Herrn Doktor Valentines Ansicht; er hat recht.--Erlauben Sie, dass ich Ihnen Fraeulein Dorothea Clandon, gewoehnlich Dolly genannt; vorstelle. (Dr. Valentine verneigt sich vor Dolly. Sie nickt ihm zu.) Ich bin Philip Clandon--wir sind aus Madeira--aber trotzdem bis jetzt ganz achtbare Leute. (Dr. Valentine.) Clandon?... Sind Sie verwandt mit-- (Dolly mit einem unerwarteten Verzweiflungsschrei:) ja, wir sind's! (Dr. Valentine erstaunt:) Verzeihen Sie-- (Dolly.) Ja, ja, wir sind es!... Alles ist zu Ende, Phil! Man weiss alles ueber uns in England! (Zu Dr. Valentine:) Oh, Sie koennen sich nicht vorstellen, wie entsetzlich es ist, mit einer beruehmten Persoenlichkeit verwandt zu sein und nirgends um seiner selbst willen geschaetzt zu werden. (Dr. Valentine.) Aber entschuldigen Sie: der Herr, an den ich dachte, ist durchaus nicht beruehmt. (Dolly ihn anstarrend:) Der Herr?... (Philip ist auch erstaunt.) (Dr. Valentine.) Ja. Ich wollte Sie fragen, ob Sie zufaellig die Tochter des Herrn Densmore Clandon aus Newbury Hall sind. (Dolly ausdruckslos:) Nein. (Philip.) Na, Dolly, woher weisst du das? (Dolly aufgeheitert:) Oh, ich vergass, natuerlich--vielleicht bin ich's! (Dr. Valentine.) Wissen Sie das nicht? (Philip.) Ganz und gar nicht. (Dolly.) Ein kluges Kind-- (Philip sie kurz unterbrechend:) Sch! (Dr. Valentine faehrt bei diesem Laut aengstlich zusammen. Obwohl er kurz ist, klingt er doch so, als ob ein Stueck Seidenzeug durch einen Blitz entzweigeschnitten wuerde. Er ist das Resultat langer Uebung und soll Dollys Indiskretion verhindern.) Die Sache ist die, Herr Doktor: wir sind die Kinder der beruehmten Frau Lanfrey Clandon, einer Schriftstellerin von grossem Ruf--in Madeira. Kein Haushalt ist vollkommen ohne ihre Werke. Wir sind nach England gekommen, um diese Werke los zu werden. Sie heissen "Abhandlungen fuer das zwanzigste Jahrhundert". (Dolly.) Die Kueche des zwanzigsten Jahrhunderts!-- (Philip.) Das Glaubensbekenntnis des zwanzigsten Jahrhunderts-- (Dolly.) Die Kleidung des zwanzigsten Jahrhunderts-- (Philip.) Das Betragen des zwanzigsten Jahrhunderts-- (Dolly.) Die Kinder des zwanzigsten Jahrhunderts-- (Philip.) Die Eltern des zwanzigsten Jahrhunderts-- (Dolly.) Geheftet einen halben Dollar-- (Philip.) Oder auf Leinwand aufgezogen, zum haeufigen Familiengebrauch, zwei Dollar. In keinem Hause sollten diese Werke fehlen.--Lesen Sie sie, Herr Doktor; sie werden Ihre Seele veredeln. (Dolly.) Aber nicht, solange wir hier sind, wenn ich bitten darf. (Philip.) Richtig! Wir ziehen Leute mit unveredelten Seelen vor. Unsere eigene Seele befindet sich naemlich in dieser frischen und unverdorbenen Verfassung. (Dr. Valentine zweifelhaft:) Hm! (Dolly ahmt ihn fragend nach:) Hm...?--Phil, er zieht Leute vor, deren Seelen veredelt sind. (Philip.) Wenn das der Fall ist, muessen wir ihn mit dem andern Familienglied bekannt machen, mit der "Frau des zwanzigsten Jahrhunderts", unserer Schwester Gloria! (Dolly dithyrambisch:) Dem Meisterwerk der Schoepfung! (Philip.) Der Tochter der Wissenschaft! (Dolly.) Dem Stolz Madeiras! (Philip.) Dem Inbegriff der Schoenheit! (Dolly wird ploetzlich prosaisch:) Unsinn, keinen Teint! (Dr. Valentine verzweifelt:) Darf ich endlich auch ein Wort sagen? (Philip hoeflich:) Entschuldigen Sie--bitte. (Dolly sehr liebenswuerdig:) Verzeihen Sie. (Dr. Valentine versucht, vaeterlich zu ihnen zu sein:) Ich muss euch jungen Leuten wirklich einen Wink geben. (Dolly bricht wieder aus:) Na, das ist wirklich gut! Wie alt sind Sie? (Philip.) Ueber dreissig. (Dolly.) Nein. (Philip zuversichtlich:) Doch! (Dolly emphatisch:) Siebenundzwanzig! (Philip unerschuetterlich:) Dreiunddreissig! (Dolly.) Unsinn! (Philip zu Dr. Valentine:) Ich wende mich an Sie, Herr Doktor! (Dr. Valentine sich verwahrend:) Nein wirklich--(Er ergibt sich:) Einunddreissig. (Philip zu Dolly:) Du hast also unrecht gehabt! (Dolly.) Du auch! (Philip ploetzlich gewissenhaft:) Wir vergessen unsere gute Erziehung, Dolly. (Dolly reuig:) Ja, das tun wir. (Philip sich entschuldigend:) Wir haben Sie unterbrochen, Herr Doktor. (Dolly.) Ich glaube, Sie waren eben im Begriff, unsere Seele zu veredeln. (Dr. Valentine.) Tatsache ist, dass Ihr-- (Philip ihm zuvorkommend:) Unser Aussehen?... (Dolly.) Unsere Manieren?... (Dr. Valentine ad misericordiam:) Ich beschwoere Sie, lassen Sie mich sprechen! (Dolly.) Die alte Geschichte--wir reden zu viel! (Philip.) Das tun wir. Schweigen wir alle beide! (Er setzt sich auf den Arm des Operationsstuhles.) (Dolly.) Mm! (Sie setzt sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch und haelt ihre Lippen mit den Fingerspitzen zu.) (Dr. Valentine.) Danke. (Er holt den Schemel von der Bank in der Ecke, stellt ihn zwischen sie und setzt sich mit einer richterlichen Miene. Sie beobachten ihn mit groesstem Ernst. Er wendet sich zuerst an Dolly: ) Darf ich Sie vor allem fragen, ob Sie schon jemals in einem englischen Seebad gewesen sind? (Sie schuettelt langsam und feierlich den Kopf. Er wendet sich zu Phil, der auch rasch und ausdrucksvoll seinen Kopf schuettelt.) Das habe ich mir gedacht!... Nun, Herr Clandon, unsere Bekanntschaft ist erst von kurzer Dauer, aber von grosser Redseligkeit gewesen, und ich habe genug beobachtet, um ueberzeugt zu sein, dass Sie beide keine Ahnung haben, was das Leben in einem englischen Seebade bedeutet. Glauben Sie mir, es kommt weder auf die Manieren noch auf das Aussehen an... was das betrifft, geniessen wir eine in Madeira unbekannte Freiheit. (Dolly schuettelt heftig den Kopf.) O ja, das duerfen Sie mir glauben. Lord de Crescis Schwester radelt in Kniehosen, und die Pastorsfrau tritt fuer Reformkleider ein und traegt hygienische Schuhe. (Dolly blickt verstohlen nach ihren eigenen Schuhen. Dr. Valentine bemerkt das und fuegt flink hinzu:) Nein, das ist nicht die Art Schuh, die ich meine. (Dollys Schuh verschwindet.) Wir machen uns nicht viel aus Kleidern und Manieren in England, weil wir, als Volk, weder gut gekleidet sind noch Manieren haben. Aber--und nun frage ich Sie: Nehmen Sie's mir nicht uebel, wenn ich aufrichtig bin? (Sie nicken.) Ich danke.--Nun, eins muessen Sie in einem englischen, Seebad haben, bevor irgend jemand sich mit Ihnen sehen lassen darf--und das ist ein Vater... ein lebendiger oder ein toter. (Er sieht sie abwechselnd mit Nachdruck an. Sie begegnen seinen Blicken wie Maertyrer.) Muss ich annehmen, dass Sie diesen unumgaenglich noetigen Bestandteil Ihrer gesellschaftlichen Ausruestung ausser acht gelassen haben? (Sie stimmen ihm durch melancholisches Kopfnicken zu.) Dann muss ich Ihnen leider sagen, falls Sie die Absicht haben, laengere Zeit hierzubleiben, dass es mir unmoeglich sein wird, Ihre liebenswuerdige Einladung zum Fruehstueck anzunehmen. (Er erheht sich, als ob er nun Schluss machen wollte, und setzt den Schemel wieder an die Wand.) (Philip erheht sich mit ernster Hoeflichkeit:) Komm, Dolly! (Er reicht ihr den Arm.) (Dolly.) Adieu. (Sie gehen zusammen mit vollendeter Wuerde zur Tuer.) (Dr. Valentine von Gewissensbissen ueberwaeltigt:) O bleiben Sie--bleiben Sie! (Sie bleiben stehen und wenden sich Arm in Arm um.) Ich komme mir wirklich wie ein vollkommener Toelpel vor. (Dolly.) Daran ist Ihr Gewissen schuld, nicht wir. (Dr. Valentine energisch, laesst allen Anspruch auf berufsmaessige Manieren beiseite:) Mein Gewissen?... Mein Gewissen hat mich zugrunde gerichtet.--Hoeren Sie mich an!... Ich habe mich schon zweimal in verschiedenen Teilen Englands als achtbarer praktischer Arzt niedergelassen. Beide Male bin ich gewissenhaft gewesen und habe meinen Patienten statt dessen, was sie hoeren wollten, immer die nackte Wahrheit gesagt. Die Folge davon war mein Ruin.--Nun habe ich mich hier als Zahnarzt niedergelassen--als Fuenf-Schilling-Zahnarzt, und habe ein fuer allemal mit dem Gewissen abgeschlossen; dies hier ist meine letzte Hoffnung. Ich habe mein letztes Goldstueck fuer den Umzug ausgegeben und habe noch keinen Schilling Miete bezahlt. Ich esse und trinke auf Kredit, mein Hausherr ist reich wie ein Jude und hart wie Stahl. In sechs Wochen habe ich fuenf Schillinge verdient. Wenn ich um Haaresbreite vom geraden Wege der strengsten Achtbarkeit abweiche, so bin ich verloren.--Ist es unter solchen Umstaenden recht und billig, mich zum Fruehstueck einzuladen, wenn Sie ihren eigenen Vater nicht kennen? (Dolly.) Na, schliesslich ist unser Grossvater Stiftsherr der Lincoln-Kathedrale.-- (Dr. Valentine wie ein Schiffbruechiger, der ein Segel am Horizont sieht:) Was? Sie haben einen Grossvater? (Dolly.) Nur einen. (Dr. Valentine.) Meine lieben guten jungen Freunde, um des Himmels willen, ja warum habt ihr mir das denn nicht gleich gesagt?... Ein Stiftsherr der Lincoln-Kathedrale! Das bringt natuerlich alles in Ordnung!--Entschuldigen Sie mich einen Augenblick; ich will nur meinen Rock wechseln. (Er ist mit einem Satz an der Tuere und verschwindet. Dolly und Philip starren ihm erst nach, dann starren sie einander an. Da sie ohne Publikum sind, sinken sie sofort in sich zusammen und werden Alltagsmenschen.) (Philip stoesst Dollys Arm fort und gebt uebellaunig zum Operationsstuhl: ) Dieser elende bankerotte Zahnschlosser tut so, als ob es fuer uns eine Ehre waere, ihm ein Fruehstueck zu bezahlen! Wahrscheinlich seit Monaten sein erstes anstaendiges Essen! (Er gibt dem Stuhl einen Stoss, als ob der Dr. Valentine waere.) (Dolly.) Das ist doch zu stark! Ich kann das nicht laenger ertragen, Phil! Hier in England fragt einen jeder Mensch sofort, ob man einen Vater hat oder nicht. (Philip.) Ich will es auch nicht laenger ertragen. Mama muss uns sagen, wer er war! (Dolly.) Oder wer er ist! Vielleicht lebt er noch. (Philip.) Das will ich nicht hoffen. Kein lebender Mensch soll sich mir als Vater aufspielen! (Dolly.) Vielleicht hat er aber eine Menge Geld?! (Philip.) Das bezweifle ich. Meine Menschenkenntnis sagt mir, dass er seine liebe volle Familie nicht so leicht los geworden waere, wenn er eine Menge Geld besessen haette... Immerhin, trachten wir, die Dinge im guenstigsten Licht zu sehn. Verlass dich darauf, er ist tot! (Er geht an den Kamin, bleibt mit dem Ruecken gegen das Feuer stehen und streckt sich. Das Stubenmaedchen erscheint. Die Zwillinge strahlen gleich wieder in ihrem frueheren Glanz, als sie sich beobachtet wissen.) (Das Stuebenmadchen.) Zwei Damen fragen nach Ihnen, gnaediges Fraeulein. Ich glaube, die Frau Mutter und das Fraeulein Schwester. (Frau Clandon und Gloria treten ein. Frau Clandon ist eine Dame zwischen vierzig und fuenfzig, mit einer leichten Neigung zu sanftem, sesshaftem Fett und einem ansehnlichen Rest von Schoenheit--letzterem nicht um so weniger darum, als sie offenbar der alten Frauensitte gefolgt ist, d.h. nach der ehelichen Verbindung keine Ansprueche in dieser Beziehung mehr erhoben hat. Man koennte sie fast verdaechtigen, zu Hause eine Haube zu tragen. Sie traegt sich mit Kunst und gut, wie es Frauen als ein Teil guter Manieren von Tanz- und Anstandslehrern gelehrt wurde, bevor diese durch den modernen kuenstlerischen Kultus von Schoenheit und Gesundheit verdraengt wurden. Ihr flachsblondes, von Silberfaeden durchzogenes Haar ist gewellt, in der Mitte gescheitelt, geflochten und hinten zu einem Knoten gewunden. Gute Beobachter eines gewissen Alters koennen daraus schliessen, dass Frau Clandon in ihrer Maedchenzeit genuegend Individualitaet und guten Geschmack besessen hat, um sich der seither vergessenen Mode des Chignons energisch zu widersetzen. In Kuerze: sie ist in Kleidern und Manieren fuer ihr Alter auffallend unmodern, aber sie gehoert in das Vordertreffen ihrer eigenen Zeit (etwa 1860-80), in einer eifersuechtig betonenden Haltung des Charakters und Verstandes und darin, dass sie eher eine Frau mit kultivierten Interessen als mit leidenschaftlich entwickelten persoenlichen Neigungen ist. Ihre Stimme und die Art, sich zu geben, sind durchaus freundlich und menschlich. Sie gibt sich gewissenhaft den gelegentlichen Liebkosungen hin, durch die ihre Kinder ihr ihre Achtung bezeugen, jedoch machen Kundgebungen persoenlichen Gefuehls sie heimlich verlegen. In ihr lebt mehr menschenfreundliches als menschliches Gefuehl; sie begt starke Gefuehle, was soziale Fragen und Grundsaetze, nicht aber was Menschen betrifft; nur kann man beobachten, dass diese ihre Verstaendigkeit und ausserordentliche Zurueckhaltung im Persoenlichen, die ihre Beziehungen zu Gloria und Phil nicht anders erscheinen lassen, als es die zwischen ihr und den Kindern irgendeiner anderen Frau sein koennten, in Dollys Fall nicht standhaelt;--obgleich fast jedes Wort, das sie an diese richtet, notwendig ein Protest gegen irgendeinen Bruch des Dekorums ist, so ist doch die Zaertlichkeit in ihrer Stimme hier unverkennbar, und es ist nicht ueberraschend, dass eine jahrelang so geartete Kundgebung Dolly rettungslos verzogen hat.) (Gloria hat die Zwanzig kaum ueberschritten, ist aber eine viel furchterregendere Dame als ihre Mutter. Sie ist die Verkoerperung geistigen Hochmuts. Ihrem heftigen, unduldsamen, berrschsuechtigen Charakter haelt bloss die Unerfahrenheit ihrer Jugend die Wage, und gegen ihren Willen wird er in Zucht gehalten durch die fortgesetzte Gefahr, von ihren juengeren leichtlebigeren Geschwistern laecherlich gemacht zu werden. Im Gegensatz zu ihrer Mutter ist sie ganz Leidenschaft, und der Kampf zwischen ihrer Leidenschaft, ihrem hartnaeckigen Stolz und ihrer uebertriebenen Feinheit hat eine eisige Kaelte des Betragens zur Folge. Bei einer haesslichen Frau wuerde das alles abstossend wirken; aber Gloria ist eine anziehende Frau. Ihr tief kastanienbraunes Haar, ihre olivenfarbene Haut, ihre langen Wimpern, die grauen beschatteten Augen, die oft wie Sterne glaenzen, zart geschweifte, volle Lippen und eine volle, geschmeidige, jedoch muskelkraeftige Gestalt sprechen in hochmuetiger Freimuetigkeit zu Einbildungskraft und Sinnen. Man koennte sie fuer ein sehr gefaehrliches Maedchen halten, wenn Glorias sittlicher Eifer nicht auch in einer sehr edlen Stirn zum Ausdruck kaeme. Ihr tailor-made Kleid aus safranbraunem Tuch erscheint von rueckwaerts gesehen konventionell, aber eine Bluse von meergruener Seide hebt das Konventionelle der Kleidung mit einem Schlage auf und unterscheidet sie sofort--so wie die Zwillinge--von den gewoehnlichen modernen Strandmenschen.) (Frau Clandon macht ein paar Schritte vorwaerts und blickt umher, um zu sehen, wer da ist. Gloria, die es absichtlich vermeidet, den Zwillingen irgendein Interesse fuer sie zu zeigen, geht an das Fenster und blickt, in Gedanken versunken, ins Weite.--Das Stubenmaedchen, anstatt sich zurueckzuziehen, schliesst die Tuer und wartet davor.) (Frau Clandon.) Na, Kinder!... Hast du noch Zahnschmerzen, Dolly? (Dolly.) Geheilt! Gott sei Dank. Ich hab' ihn mir herausziehen lassen. (Sie setzt sich auf die Stufe des Operationsstuhls. Frau Clandon nimmt den Sessel, der vor dem Schreibtisch steht.) (Philip mischt sich vom Kamin aus gravitaetisch ins Gespraech:) Und der Zahnarzt, ein erstklassiger Fachmann von groesstem Ruf, wird mit uns fruehstuecken. (Frau Clandon sieht sich aengstlich nach dem Stubenmaedchen um:) Phil! (Das Stubenmaedchen.) Verzeihen Sie, gnaedige Frau, ich warte auf den Herrn Doktor. Ich habe ihm etwas auszurichten. (Dolly.) Von wem? (Frau Clandon verdriesslich:) Dolly! (Dolly fasst ihre Lippen mit den Fingerspitzen und unterdrueckt einen kleinen Heiterkeitsausbruch.) (Das Stubenmaedchen.) Bloss vom Hausherrn, gnaediges Fraeulein. (Dr. Valentine kommt in einem blauen Serge-Anzug, mit einem Strohhut in der Hand, in bester Laune zurueck, ganz atemlos infolge der Eile, mit der er sich umgezogen hat. Gloria wendet sich vom Fenster ab und mustert ihn mit kalter Aufmerksamkeit.) (Philip.) Erlauben Sie, dass ich Sie bekannt mache, Herr Doktor.--Meine Mutter, Frau Lanfrey Clandon. (Frau Clandon verneigt sich, Dr. Valentine verneigt sich, selbstbewusst und der Situation gewachsen.) Meine Schwester Gloria. (Gloria verneigt sich mit kalter Wuerde und setzt sich auf das Sofa. Dr. Valentine verliebt sich auf den ersten Blick und ist entsetzlich verwirrt. Er dreht seinen Hut nervoes zwischen den Fingern und macht Gloria eine schuechterne Verbeugung.) (Frau Clandon.) Ich hoere, dass wir das Vergnuegen haben werden, Sie heute zum Fruehstueck bei uns zu sehen, Herr Doktor? (Dr. Valentine.) Ich danke--ich--wenn Sie gestatten--ich meine, wenn Sie so liebenswuerdig sein wollen--(Zum Stubenmaedchen verdrossen:) Was ist los? (Das Stubenmaedchen.) Der Hausherr wuenscht Sie zu sprechen, bevor Sie ausgehen, Herr Doktor. (Dr. Valentine.) Sagen Sie ihm, dass ich mit vier Patienten beschaeftigt bin. (Die Clandons sehen ueberrascht aus, mit Ausnahme von Philip, der unerschuetterlich ruhig bleibt.) Aber wenn er etwa zwei Minuten warten wollte, so wuerde ich hinunterkommen und ihn einen Augenblick sprechen. (Er verlaesst sich darauf, dass sie die Situation begreift.) Sagen Sie ihm, dass ich zu tun habe, aber dass ich mit ihm zu sprechen wuensche. (Das Stubenmaedchen bestaetigend:) Jawohl, Herr Doktor. (Sie gebt ab.) (Frau Clandon im Begriff aufzustehen:) Ich fuerchte, wir halten Sie auf. (Dr. Valentine.) Durchaus nicht, durchaus nicht! Ihre Anwesenheit wird hier von groesstem Vorteil fuer mich sein. Ich bin naemlich seit sechs Wochen die Miete schuldig und habe bis zum heutigen Tage keinen einzigen Patienten gehabt. Meine Unterredung mit dem Hausherrn wird nun infolge des sichtlichen Aufschwungs meines Geschaeftes viel besser ablaufen. (Dolly aergerlich:) O wie graesslich langweilig von Ihnen, das alles auszuplaudern! Und wir haben gerade eben behauptet, dass Sie ein hochangesehener Fachmann allerersten Ranges sind. (Frau Clandon entsetzt:) O Dolly! Dolly! wie kannst du so grob sein! (Zu Dr. Valentine:) Bitte, entschuldigen Sie meine Kinder, diese Barbaren, Herr Doktor! (Dr. Valentine.) O bitte, bitte, ich bin schon an sie gewoehnt.--Waere es unbescheiden, wenn ich Sie bitten wuerde, fuenf Minuten zu warten, waehrend ich unten meinen Hausherrn abfertige? (Dolly.) Aber beeilen Sie sich, wir sind hungrig! (Frau Clandon wieder protestierend:) Aber liebe Dolly! (Dr. Valentine zu Dolly:) Gut, gut! (Zu Frau Clandon:) Besten Dank. Sie sind sehr guetig--ich werde nicht lange ausbleiben. (Waehrend er abgeht, wirft er einen raschen Blick auf Gloria. Sie betrachtet ihn sehr ernst. Er wird sehr verlegen.) Ich--aeh--aeh--ja--ich danke--ich danke Ihnen... (Es gelingt ihm endlich, sich aus dem Zimmer zu druecken, aber sein Abgang ist bemitleidenswert.) (Philip.) Habt ihr gesehen? (Auf Gloria zeigend:) Liebe auf den ersten Blick. Du kannst seinen Skalp deiner Sammlung einreihen, Gloria. (Frau Clandon.) Scht! scht... ich bitte dich, Phil! Er kann es gehoert haben! (Philip.) Ach, der nicht--! (sich zu einer Szene vorbereitend:) Und nun gib acht, Mama. (Er nimmt den Schemel, der neben der) (Bank steht, und setzt sich majestaetisch in die Mitte des Zimmers, die vorhergegangene Demonstration Valentines kopierend.) (Dolly fuehlt, dass ihr Platz auf der Stufe des Operationsstuhles nicht der Wuerde dieses Anlasses entspricht; sie erhebt sich und schaut wichtig und entschlossen drein. Sie geht an das Fenster und lehnt sich mit dem Ruecken gegen die Kante des Schreibtisches, ihre Haende hinter sich auf den Tisch legend.) (Frau Clandon betrachtet beide, verwundert, was da kommen wird.) (Gloria wird aufmerksam.) (Philip streckt sich, legt die Handknoechel symmetrisch auf die Knie und traegt seinen Fall vor:) Dolly und ich, wir haben letzthin mancherlei besprochen, und infolge meiner Menschenkenntnis glaube ich nicht, glauben wir nicht, dass du... (er spricht sehr pointiert, mit Pausen zwischen den Worten:) die Tatsache in ihrer ganzen Tragweite erfasst hast... (Dolly setzt sich mit einem Satz auf den Tisch:)... dass wir erwachsen sind! (Frau Clandon.) Wirklich?... In welcher Beziehung habe ich euch Anlass zu Klagen gegeben? (Philip.) Nun, wir fangen an zu fuehlen, dass es gewisse Dinge gibt, ueber die du uns etwas mehr ins Vertrauen ziehen koenntest. (Frau Clandon erhebt sich.) Die ganze Sanftmut ihres Alters ist ploetzlich fort, und eine merkwuerdig harte, wuerdevolle, aber verbissene, vornehme, jedoch unerschuetterliche Aufregung, die Art der alten Vorkaempferin der Frauenbewegung, ueberkommt sie:) Phil, nimm dich in acht! Vergiss nicht, was ich dich immer gelehrt habe! Es gibt zwei Arten des Familienlebens, Phil, und deine Menschenkenntnis erstreckt sich vorlaeufig nur auf die eine. (Rhetorisch:) Die Art, die du kennst, ist auf gegenseitige Achtung gegruendet, auf der Anerkennung des Rechtes eines jeden Mitglieds des Hauses, auf Unabhaengigkeit und Selbstbestimmung (ihre Betonung des Wortes "Selbstbestimmung" ist bedeutsam:) in seinen persoenlichen Angelegenheiten. Und weil du dieses Recht immer genossen hast, scheint es dir so selbstverstaendlich, dass du es nicht mehr schaetzest;--aber (mit beissender Schaerfe:) es gibt noch eine andere Art des Familienlebens. Ein Leben, in dem Ehemaenner die Briefe ihrer Frauen oeffnen und von ihnen Rechenschaft fuer jeden Pfennig ihrer Ausgaben und jeden Augenblick ihrer Zeit verlangen, ein Familienleben, in welchem Frauen dasselbe von ihren Kindern fordern! Ein Familienleben, in welchem kein Zimmer abgeschlossen und keine Stunde heilig ist, in welchem Pflicht, Gehorsam, Liebe, Heim, Sittlichkeit und Religion verabscheuenswerte Tyrannen sind und das Dasein eine vulgaere Kette von Strafen und Luegen bedeutet, von Zwang und Unterdrueckung, Eifersucht, Argwohn und gegenseitigem Beschuldigen--oh! Ich kann es dir nicht beschreiben: zu deinem Glueck weisst du nichts davon. (Sie setzt sich und holt Atem. (Gloria hat mit glaenzenden Augen zugehoert und teilt den ganzen Unwillen ihrer Mutter.) (Dolly ganz unempfaenglich fuer Rhetorik:) Siehe "Die Eltern des zwanzigsten Jahrhunderts", Kapitel ueber Freiheit, passim. (Frau Clandon beruehrt liebevoll ihre Schulter, selbst durch ein Spottwort von ihr besaenftigt:) Meine liebe Dolly, wenn du nur wuesstest, wie froh ich bin, dass dir das alles nur einen Scherz bedeutet, so bitter ernst es mir auch ist. (Wendet sich etwas entschlossener zu Philip:) Phil, ich frage dich niemals nach deinen Privatangelegenheiten; du wirst dir doch nicht einfallen lassen, mich nach den meinigen zu fragen--wie? (Philip.) Ich glaube, wir sind es uns selbst schuldig, zu erklaeren, dass die Frage, die wir an dich richten wollen, ebensosehr unsere Angelegenheit wie die deine ist. (Dolly.) Ueberdies kann's nicht gut sein, dass jemand eine Menge Fragen in seinem Innern verschlossen herumtragen soll. Das hast du getan, Mama! Aber schau, wie entsetzlich es dafuer aus mir hervorbricht. (Frau Clandon.) Ich sehe, ihr muesst eure Frage stellen. Also tut es. (Dolly) und (Philip gleichzeitig:) Wer--(Sie halten inne.) (Philip.) Nun aber, Dolly! Soll ich diese Angelegenheit fuehren oder du? (Dolly.) Du. (Philip.) Dann halte deinen Mund. (Dolly tut das in des Wortes buchstaeblicher Bedeutung:) Der Fall ist einfach folgender: Als der Zahnschlosser-- (Frau Clandon protestierend:) Phil! (Philip.) Zahnarzt ist ein haessliches Wort. Der Mann des Goldes und des Elfenbeins fragte uns also, ob wir die Kinder des Herrn Densmore Clandon aus Newbury Hall waeren. Gemaess deinen, in der Abhandlung ueber das Betragen im zwanzigsten Jahrhundert, ausgesprochenen Lehren und deinen uns wiederholt persoenlich erteilten Ermahnungen, die Zahl unserer unnoetigen Luegen zu beschraenken, haben wir wahrheitsgetreu geantwortet, dass wir es nicht wuessten. (Dolly.) Das wussten wir auch nicht! (Philip.) Sch! Die Folge davon war, dass der Gummiarchitekt bezueglich der Annahme unserer Einladung grosse Schwierigkeiten machte, obgleich ich bezweifle, dass er in den letzten vierzehn Tagen etwas anderes genossen hat als Tee und Butterbrot.--Nun bin ich aber dank meiner Menschenkenntnis zu der Ueberzeugung gelangt, dass wir einen Vater gehabt haben muessen und dass du wahrscheinlich weisst, wer das war. (Frau Clandon, deren Erregung wiederkehrt:) Halt, Phil! Dein Vater bedeutet weder etwas fuer dich noch fuer mich. (Heftig:) Das genuegt! (Die Zwillinge schweigen, sind aber nicht befriedigt. Sie machen lange Gesichter.) (Gloria, die dem Streit aufmerksam zugehoert hat, mengt sich ploetzlich ein. Vortretend:) Mutter, wir haben ein Recht zu wissen, wer unser Vater ist! (Frau Clandon erhebt sich und wendet sich zu ihr:) Gloria! "Wir?" Wer ist "wir"? (Gloria, entschlossen:) Wir drei. (Ihr Ton ist nicht misszuverstehen, sie setzt zum ersten Male ihre Entschlossenheit der ihrer Mutter feindlich entgegen. Die Zwillinge treten sofort zum Feinde ueber.) (Frau Clandon verletzt:) "Wir" pflegte sonst in deinem Munde "du und ich" zu bedeuten, Gloria. (Philip erhebt sich entschlossen und setzt den Schemel beiseite:) Wir tun dir weh--also lassen wir's sein. Wir dachten nicht, dass es dich so unangenehm beruehren koennte. Ich will es nicht wissen. (Dolly den Tisch verlassend:) Ich schon gar nicht.--Oh, schau nicht so traurig drein, Mama! (Sie blickt aergerlich auf Gloria.) (Frau Clandon fuehrt ihr Taschentuch rasch an die Augen und setzt sich wieder:) Ich danke dir, Liebling. Ich danke dir, Phil. (Gloria unerbittlich:) Es ist unser gutes Recht, das zu erfahren, Mutter! (Frau Clandon entruestet:) Ah! Du bestehst also darauf! (Gloria.) Sollen wir es nie erfahren? (Dolly.) O Gloria--nicht doch! Das ist unmenschlich! (Gloria mit ruhigem Hohn:) Was hat man davon, wenn man schwach ist? Du hoerst, was hier mit diesem Herrn geschehen ist, Mutter. Ganz dasselbe ist auch mir widerfahren. /* (Frau Clandon) Was meinst du? (Dolly) }(alle zusammen:) O erzaehle! (Philip) Was ist dir passiert? */ (Gloria.) Oh, nichts von Belang! (Sie wendet sich ab und geht an den Armstuhl vor dem Kamin, in den sie sich, fast mit dem Ruecken gegen die andern, niederlaesst. Da alle erwartungsvoll schweigen, fuegt sie, ueber die Schulter sprechend, mit gemachter Gleichgueltigkeit hinzu:) An Bord des Schiffes hat mir der erste Offizier die Ehre erwiesen, um meine Hand anzuhalten. (Dolly.) Nein, um meine Hand! (Frau Clandon.) Der erste Offizier?... Ist das dein Ernst, Gloria?--Was hast du ihm geantwortet? (Sich verbessernd:) Entschuldige, ich bin nicht berechtigt, danach zu fragen. (Gloria.) Die Antwort war ziemlich einfach: ein Maedchen, das nicht einmal weiss, wer sein Vater ist, kann einen solchen Antrag nicht annehmen. (Frau Clandon.) Du wolltest ihn doch sicherlich auch nicht annehmen? (Gloria wendet sich ein wenig um und erhebt ihre Stimme:) Nein. Aber gesetzt den Fall, ich haette Lust gehabt-- (Philip.) Hat diese Schwierigkeit dich auch abgehalten, Dolly? (Dolly.) Nein. Ich habe seinen Antrag angenommen. /* (Gloria) Was? (Frau Clandon) }(alle zugleich rufen:) Dolly! (Philip) Na, ich muss sagen! */ (Dolly naiv:) Er sah so bloedsinnig aus! (Frau Clandon.) Aber warum hast du das getan, Dolly? (Dolly.) Aus Spass wahrscheinlich. Er musste meinem Finger fuer den Ehering Mass nehmen. Du haettest das auch getan. (Frau Clandon.) Nein, Dolly, das haette ich nicht! Tatsaechlich hat mir der erste Offizier einen Heiratsantrag gemacht; aber ich habe ihm gesagt, er moege sich derlei Scherze fuer Frauen aufheben, die jung genug waeren, daran Spass zu haben... Er scheint meinen Rat befolgt zu haben. (Sie erhebt sich und geht an den Kamin:) Gloria, ich bedauere, dass du mich fuer schwach haeltst. Aber ich kann dir nicht sagen, was du verlangst. Ihr seid alle zu jung. (Philip.) Das ist ein ueberraschendes Ausserachtlassen der Prinzipien des zwanzigsten Jahrhunderts. (Dolly zitierend:) "Beantworte alle Fragen deiner Kinder und beantworte sie aufrichtig, sobald sie alt genug sind, sie zu stellen. "--Siehe "Die Mutterpflichten im zwanzigsten Jahrhundert"-- (Philip.) Seite eins-- (Dolly.) Kapitel eins (Philip.) Satz eins. (Frau Clandon.) Liebe Kinder, ich habe nicht gesagt, dass ihr zu jung seid, um es zu erfahren--ich sagte, ihr waeret zu jung, um von mir ins Vertrauen gezogen zu werden.--Ihr seid sehr begabte Kinder--alle-- aber es freut mich um euretwillen, dass ihr noch sehr unerfahren seid und daher auch sehr teilnahmslos. Ich aber habe Erfahrungen gesammelt, ueber die ich nur mit Leuten sprechen koennte, die durchgemacht haben, was ich durchgemacht habe. Ich hoffe, dass ihr euch fuer solche Mitteilungen nie eignen werdet. Aber ich will dafuer sorgen, dass ihr alles, was ihr wissen moechtet, erfahren sollt.--Genuegt euch das? (Philip.) Ein neuer Vorwurf, Dolly! (Dolly:) Wir sind teilnahmslos! (Gloria lehnt sich in ihrem Stuhl vor und sieht ernst zu ihrer Mutter auf:) Mutter, so hab' ich's nicht gemeint; teilnahmslos wollt' ich nicht sein. (Frau Clandon zaertlich:) Gewiss nicht, mein Herz.--Glaubst du, dass ich dich nicht verstehe? (Gloria sich erhebend:) Aber Mutter-- (Frau Clandon etwas zurueckweichend:) Ja?... (Gloria hartnaeckig:) Es ist Unsinn, zu behaupten, dass unser Vater uns nichts angehe. (Frau Clandon zu ploetzlichem Entschluss herausgefordert:) Erinnerst du dich an deinen Vater? (Gloria nachdenklich, als wenn die Erinnerung eine zaertliche waere:) Ich weiss es nicht bestimmt... ich glaube. (Frau Clandon grimmig:) Du weisst es nicht bestimmt? (Gloria.) Nein. (Frau Clandon mit ruhiger Festigkeit:) Gloria, wenn ich dich jemals geschlagen haette, (Gloria weicht zurueck, Philip und Dolly sind unangenehm beruehrt; alle drei starren sie empoert an, waehrend sie schonungslos fortfaehrt:)--absichtlich geschlagen--ganz klar bewusst--in der Absicht, dir weh zu tun--mit einer eigens fuer diesen Zweck gekauften Peitsche... glaubst du, dass du dich daran erinnern wuerdest? (Gloria stoesst einen Ruf beleidigter Abwehr aus:) Oh! (Frau Clandon:) Das wuerde deine letzte Erinnerung an deinen Vater gewesen sein, wenn ich euch nicht von ihm fortgenommen haette. Ich habe ihn eurem Leben ferngehalten: haltet ihr ihn nun dem meinen fern, indem ihr nie wieder in meiner Gegenwart von ihm redet. (Gloria bedeckt einen Augenblick schaudernd ihr Gesicht mit den Haenden. Da sie jemanden vor der Tuer hoert, wendet sie sich ab und tut so, als waere sie damit beschaeftigt, die Namen der Buecher im Buecherschrank zu besehen.) (Frau Clandon setzt sich auf das Sofa.) (Dr. Valentine kehrt zurueck:) Ich hoffe, ich habe Sie nicht allzu lange warten lassen. Mein Hausherr ist wirklich ein aussergewoehnlicher Kerl! (Dolly lebhaft:) Oh, erzaehlen Sie uns das!--Auf wie lange hat er Ihnen die Zahlungsfrist verlaengert? (Frau Clandon ausser sich ueber ihres Kindes Manieren:) Dolly! Dolly! Liebe Dolly! Gewoehne dir doch das Fragen ab! (Dolly verstellt demuetig:) O bitte, verzeihen Sie... Aber Sie werden es uns erzaehlen--nicht wahr, Herr Doktor? (Dr. Valentine.) Die Miete will er gar nicht haben. Er hat sich an einer brasilianischen Nuss einen Zahn gebrochen und mich gebeten, ihn zu untersuchen und dann mit ihm zu fruehstuecken. (Dolly.) So rufen Sie ihn herein und ziehen Sie ihm den Zahn gleich aus; dann wollen wir ihn auch zum Fruehstueck mitnehmen! Sagen Sie dem Maedchen, sie soll ihn heraufholen. (Sie laeuft zur Glocke und klingelt energisch. Dann wendet sie sich mit ploetzlichem Bedenken zu Dr. Valentine und fuegt hinzu:) Ich nehme an, dass er ein angesehener Mann ist... wirklich angesehen? (Dr. Valentine.) Sicherlich! Nicht wie ich. (Dolly.) Ganz gewiss? (Frau Clandon ringt schwach nach Atem, aber ihre Kraft zum Protestieren ist erschoepft.) (Dr. Valentine.) Ganz gewiss! (Dolly.) Dann los--bringen Sie ihn herauf! (Dr. Valentine blickt zoegernd auf Frau Clandon:) Ohne Zweifel wuerde er entzueckt sein, wenn--wenn-- (Frau Clandon erhebt sich und sieht auf die Uhr:) Ich wuerde mich sehr freuen, Ihren Freund kennen zu lernen, wenn Sie ihn zum Kommen bewegen koennen. Aber ich kann jetzt nicht auf ihn warten; ich habe um dreiviertel eins im Hotel eine Verabredung mit einem alten Freund, den ich achtzehn Jahre lang--seit ich England verliess--nicht gesehen habe. --Wollen Sie mich also entschuldigen, bitte? (Dr. Valentine.) Gewiss, Frau Clandon. (Gloria.) Soll ich mitkommen? (Frau Clandon.) Nein, mein Kind. Ich will allein sein. (Sie geht ab, sichtlich noch ziemlich erregt. Dr. Valentine oeffnet ihr die Tuer und folgt ihr.) (Philip bedeutungsvoll zu Dolly:) Hm hm... (Dolly bedeutungsvoll zu Philip:) Aha! (Das Stubenmaedchen hat dem Glockenzeichen Folge geleistet:) Fuehren Sie den alten Herrn herauf. (Das Stubenmaedchen verbluefft:) Gnaediges Fraeulein? (Dolly.) Den alten Herrn mit den Zahnschmerzen. (Philip.) Den Hausherrn! (Das Stubenmaedchen.) Herrn McNaughtan? (Philip.) Heisst er McNaughtan? (Dolly zu Philip:) Das klingt rheumatisch, nicht wahr? (Philip.) Wahrscheinlich hat er Gichtknoten. (Dolly ueber die Schulter zum Stubenmaedchen:) Fuehren Sie Herrn Gichtknoten herauf. (Das Stubenmaedchen verbessernd:) Herrn McNaughtan, gnaediges Fraeulein. (Ab.) (Dolly wiederholt den Namen wie eine Lektion:) McNaughtan--McNaughtan--McNaughtan--McNaughtan... (Sie setzt sich nachdenklich an den Schreibtisch:) Ich muss diesen Namen lernen, oder der Himmel weiss, wie ich ihn nennen werde. (Gloria.) Phil, kannst du an diese entsetzliche Mitteilung glauben, die uns die Mutter eben ueber unsern Vater gemacht hat? (Philip.) Oh, es gibt viele Menschen solchen Schlages. Der alte Chamico pflegte seine Frau und seine Toechter mit einer Pferdepeitsche durchzubleuen. (Dolly verachtungvoll:) Ja, ein Portugiese! (Philip.) Menschen, die Tiere sind, haben immer viel Aehnlichkeit, ob es nun Portugiesen oder Englaender sind, Dolly. Verlass dich auf meine Menschenkenntnis. (Er nimmt seine Stellung auf dem Kaminteppich mit einem verantwortlichen altklugen Aussehen wieder ein.) (Gloria mit bekuemmertem Gewissen:) Ich glaube nicht, dass wir jemals unser altes Raetselspiel "wer mag unser Vater sein" wieder spielen werden.--Dolly, tut's dir um deinen Vater leid--den Vater mit dem vielen Geld? (Dolly.) Und du, wie steht es mit deinem Vater, dem einsamen alten Mann, mit dem zaertlichen kummervollen Herzen? Der ist dir nun auch durch die Binsen gegangen, wie es scheint. (Philip.) Es steht ausser Zweifel, dass der alte Herr ein zerplatzter Aberglauben ist. (Man hoert Dr. Valentine vor der Tuer mit jemandem sprechen:) Aber still--er kommt! (Gloria nervoes:) Wer? (Dolly.) Gichtknoten. (Philip.) Sch! Aufgepasst! (Sie nehmen ihre besten Manieren zusammen.) (Philip setzt mit leiser Stimme zu Gloria hinzu:) Wenn er fein genugist, dass man ihn zum Fruehstueck einladen kann, nick' ich Dolly zu; und wenn sie dir zunickt, lad ihn sofort ein. (Dr. Valentine kehrt mit seinem Hausherrn zurueck. Herr Fergus McNaughtan ist ein Mann von ungefaehr sechzig Jahren, gross, abgehaertet und sehnig, mit einem furchtbar hartnaeckigen, uebellaunigen, habgierigen Mund und einer gebieterisch streitsuechtigen Stimme. Dabei ist er ungemein nervoes und empfindlich, was man an seiner duennen, durchsichtigen Haut und an seinen schmalen Fingern erkennen kann. Seine daraus folgende Faehigkeit, unter der Unbeliebtheit, die sein Temperament und seine Halsstarrigkeit ueber ihn bringen, stark zu leiden, kommt in seinen ernsten, schmerzlichen Augen zum Ausdruck, in dem klagenden Ton seiner Stimme, einem schmerzlichen Mangel an Vertrauen auf das Willkommen, das man ihm bieten wird, und in einer fortgesetzten, aber nicht sehr erfolgreichen Bemuehung, seine angeboren unhoeflichen Manieren zu verbessern und seine Empfindlichkeit abzustreifen. Seine kuehn geschweiften Brauen und seine Stirn verraten deutlich einen befaehigten Menschen; ein Zeichen beschraenkter Geldmittel oder geschaeftlichen Misskredits ist an ihm nicht bemerkbar. Er ist gut gekleidet und koennte auf den ersten Blick fuer den wohlhabenden Chef einer von einer alten Familie der Geschaeftsaristokratie ererbten Firma gehalten werden. Sein marineblaue Rock ist nicht nach dem ueblichen modernen Muster; es ist nicht gerade ein Lotsenrock, aber der Zuschnitt seines Anzugs, die grossen Knoepfe und breiten Aufschlaege wuerden besser auf eine Schiffswerft als in ein Kontor passen. Er hat Gefallen an Dr. Valentine gefunden, der sich aus seiner Vierschroetigkeit nichts macht und ihn mit einer respektlosen Menschlichkeit behandelt, fuer die er Dr. Valentine heimlich dankbar ist.) (Dr. Valentine.) Darf ich die Herrschaften bekannt machen?--Herr McNaughtan--Fraeulein Dorothea Clandon--Herr Philip Clandon--Fraeulein Gloria Clandon. (McNaughtan steht da und verbeugt sich nervoes. Sie verbeugen sich alle:) Nehmen Sie Platz, Herr McNaughtan. (Dolly auf den Operationsstuhl zeigend:) Das ist der bequemste Stuhl, Herr--McNaughtan. (McNaughtan.) Ich danke. Aber will nicht das gnaedige Fraeulein da sitzen--? (Er zeigt auf Gloria, die neben dem Stuhl steht.) (Gloria.) Ich danke Ihnen, Herr McNaughtan. Wir wollen gerade gehn. (Dr. Valentine weist ihn mit gutmuetiger Entschiedenheit nach dem Stuhl: ) Setzen Sie sich--setzen Sie sich. Sie sind muede. (McNaughtan.) Na, da ich weitaus der Aelteste unter den Anwesenden bin, darf ich vielleicht--(Er beendigt den Satz, indem er sich mit etwas gichtischer Gebaerde in den Operationsstuhl setzt. Inzwischen nickt Philip, der ihn waehrend seines Ganges durch das Zimmer kritisch studiert hat, Dolly zu, und Dolly nickt Gloria zu.) (Gloria.) Wenn wir recht verstanden haben, sind wir schuld, dass Herr Dr. Valentine nicht mit Ihnen fruehstueckt; da wir ihn mithaben wollen. Meine Mutter wird sich nur sehr freuen, wenn Sie auch mitkommen. (McNaughtan, nachdem er sie einen Augenblick ernst betrachtet hat, dankbar:) Ich danke Ihnen, ich werde mit Vergnuegen erscheinen. /* (Gloria) (murmeln:) Ich danke Ihnen sehr fuer... (Dolly) } (hoeflich: ) Es freut uns ausserordentlich, dass... (Philip) Wir sind wirklich entzueckt, Ihre... */ (Die Unterhaltung stockt. Gloria und Dolly blicken erst einander und dann Dr. Valentine und Philip an. Die beiden Maenner, der Lage nicht gewachsen, sehen von ihnen fort, einander in die Augen und sind augenscheinlich dadurch so verwirrt, dass sie wieder zurueckschauen und den Augen von Gloria und Dolly begegnen. So sucht einer das Auge des andern der Reihe nach, und sie sehen alle auf nichts und sind total verlegen. McNaughtan sieht sich um und wartet auf die andern, bevor er beginnt. Das Stillschweigen faengt an, unertraeglich zu werden.) (Dolly ploetzlich, um die Unterhaltung aufrechtzuerhalten:) Wie alt sind Sie, Herr McNaughtan? (Gloria schnell:) Ich fuerchte, wir muessen eilen, Herr Doktor.--Es bleibt also dabei, dass wir uns um halb zwei Uhr im Marinehotel treffen. (Sie geht zur Tuer, Philip folgt ihr, Dr. Valentine geht an den Glockenzug.) (Dr. Valentine.) Punkt halb zwei. (Er klingelt:) Vielen Dank. (Er begleitet Gloria und Philip zur Tuer und geht mit ihnen hinaus.) (Dolly, die sich inzwischen zu McNaughtan hingeschlichen hat:) Lassen Sie sich Lachgas geben--das kostet noch fuenf Schillinge extra, aber die Sache ist es wert. (McNaughtan belustigt:) Ausgezeichnet! (Sie ernster betrachtend:) Sie wollen also wissen, wie alt ich bin--wirklich? Ich bin siebenundfuenfzig. (Dolly mit Ueberzeugung:) Sie sehen auch so alt aus. (McNaughtan grimmig:) Jawohl, das ist wahrscheinlich der Fall. (Dolly.) Warum sehen Sie mich so forschend an? Ist etwas an mir nicht in Ordnung? (Sie befuehlt ihren Hut, ob er in Ordnung ist.) (McNaughtan.) Sie erinnern mich an wen. (Dolly.) An wen? (McNaughtan.) Nun--Sie haben eine merkwuerdige Aehnlichkeit mit meiner Mutter. (Dolly unglaeubig:) Mit Ihrer Mutter?!... Meinen Sie nicht vielleicht mit Ihrer Tochter? (McNaughtan bricht ploetzlich hasserfuellt aus:) Nein--verlassen Sie sich darauf, dass ich nicht meine Tochter meine! (Dolly teilnahmsvoll:) Tut Ihnen der Zahn sehr weh? (McNaughtan.) Nein, nein--es ist nichts. Ein Anfall von Erinnerungen, nicht von Zahnschmerzen, Fraeulein Clandon. (Dolly.) Heraus damit! "Wurzelnden Gram ausreuten dem Gedaechtnis"[*]--mit Lachgas, fuenf Schillinge extra. [Footnote *: MacBeth, 5. Akt, 3. Szene (Schlegel und Tieck).] (McNaughtan rachsuechtig:) Nein, kein Schmerz. Eine Beleidigung, die mir einst zugefuegt wurde! Ich kann Beleidigungen nicht vergessen--und ich will sie nicht vergessen! (Sein Gesicht legt sich in unversoehnliche Falten.) (Dolly McNaughtans Ausdruck kritisch betrachtend:) Ich glaube nicht, dass wir Sie werden leiden moegen, wenn Sie ueber erlittenem Unrecht brueten. (Philip der unbeobachtet wieder eingetreten ist und sich hinter Dolly geschlichen hat:) Meine Schwester meint es ehrlich, Herr McNaughtan, aber sie ist indiskret.--Nun, Dolly, fort! (Er geht mit ihr zur Tuer.) (Dolly in einem vollkommen hoerbaren Fluesterton:) Er behauptet, dass er erst siebenundfuenfzig ist--er haelt mich fuer das Ebenbild seiner Mutter--er hasst seine Tochter--und... (Sie wird durch die Rueckkehr Dr. Valentines unterbrochen.) (Dr. Valentine.) Fraeulein Clandon ist schon voraus. (Philip.) Vergessen Sie nicht--Punkt halb zwei. (Dolly.) Bitte, lassen Sie Herrn McNaughtan so viel Zaehne uebrig, dass er mit uns essen kann. (Sie gehen ab.) (Dr. Valentine kommt herab zu seiner Instrumentenlade und oeffnet sie.) (McNaughtan.) Das ist ein verzogenes Kind, Herr Doktor! Das richtige Fruechtchen der modernen Erziehung! Als ich im Alter dieser jungen Dame war, hatte ich immer die letzte Tracht Pruegel frisch in der Erinnerung, um mich gute Manieren zu lehren. (Dr. Valentine nimmt Zahnspiegel und Sonde von der seiner Lade gegenueber befestigten Platte:) Wie gefiel Ihnen ihre Schwester? (McNaughtan.) Die war Ihnen lieber, nicht wahr! * * * * * (Dr. Valentine ueberschwenglich:) Sie hat mich ergriffen, als ein Wesen--(Er besinnt sich und fuegt prosaisch hinzu:) Doch das hat nichts mit dem Geschaeft zu tun. (Er stellt sich hinter McNaugthans rechte Schulter und nimmt seinen berufsmaessigen Ton an:) Aufmachen, bitte. (McNaughtan oeffnet den Mund.) (Dr. Valentine steckt den Spiegel hinein und untersucht seine Zaehne:) Hm!... Na, den haben Sie nett abgebrochen--wie schade! So ein praechtiges Gebiss zu ruinieren!--Warum knacken Sie damit Nuesse auf? (Er zieht den Spiegel zurueck und tritt vor, um mit McNaugthan zu sprechen.) (McNaughtan.) Ich habe immer mit den Zaehnen Nuesse geknackt--wozu hat man sie denn? (Entschieden:) Das richtige Mittel, seine Zaehne in gutem Zustand zu erhalten, besteht darin, dass man sie an Knochen und Nuessen genuegend abnuetzt und sie taeglich mit Seife putzt--mit gewoehnlicher Schmierseife! (Dr. Valentine.) Seife?... Warum mit Seife? (McNaughtan.) Als Junge fing ich damit an, weil man mich dazu anhielt, und seitdem hab' ich's immer getan. Und ich hab' in meinem ganzen Leben keine Zahnschmerzen gehabt! (Dr. Valentine.) Finden Sie das nicht ziemlich ekelhaft? (McNaughtan.) Ich habe gefunden, dass die meisten Dinge, die mir gut getan haben, ekelhaft waren; aber ich wurde angelernt, mich damit abzufinden, und man sorgte dafuer, dass ich mich damit abfand. Jetzt bin ich daran gewoehnt;--wahrhaftig, ich liebe den Geschmack, wenn die Seife wirklich gut ist. (Dr. Valentine macht gegen seine Absicht eine Grimasse:) Sie scheinen sehr sorgfaeltig erzogen worden zu sein, Herr McNaughtan. (McNaughtan grimmig:) Jedenfalls bin ich nicht verzogen worden! (Dr. Valentine laechelt vor sich hin:) Sind Sie dessen ganz sicher? (McNaughtan.) Wie meinen Sie das? (Dr. Valentine.) Nun, Ihre Zaehne sind gut--ich gebe es zu; aber ich habe in manchem Mund, der mit sich sehr nachsichtig umging, ebenso gute gesehn. (Er geht an den Rand der Lade und vertauscht die Sonde mit einer andern.) (McNaugthan.) Es kommt nicht auf die Zaehne an, sondern auf den Charakter. (Dr. Valentine versoehnlich:) Oh! Auf den Charakter--ich verstehe. (Er nimmt die Behandlung wieder auf:) Etwas weiter, bitte--hm!... Der da wird heraus muessen--er ist nicht mehr zu retten. (Er zieht die Sonde zurueck und tritt wieder seitwaerts an den Stuhl, um zu plaudern:) Fuerchten Sie sich nicht, Sie werden gar nichts fuehlen; ich werde Ihnen Lachgas geben. (McNaughtan.) Unsinn, Mensch! Ich brauche kein Lachgas! Heraus damit! Zu meiner Zeit hat man den Leuten beigebracht, notwendige Schmerzen zu ertragen. (Dr. Valentine.) Oh! Wenn Sie Schmerzen gern moegen--schoen. Ich werde Ihnen so weh tun, wie Sie nur wollen--ohne fuer den guenstigen Einfluss auf Ihren Charakter irgendeinen Preisaufschlag zu verlangen. (McNaughtan erhebt sich und starrt ihn an:) Junger Mann, Sie schulden mir sechs Wochen Miete! (Dr. Valentine.) Richtig. (McNaughtan.) Koennen Sie mich bezahlen? (Dr. Valentine.) Nein. (McNaughtan zufrieden mit seinem Vorteil:) Das habe ich mir gedacht. --Wann, glauben Sie, werden Sie zahlungsfaehig sein, da Sie nichts Besseres wissen, als sich ueber Ihre Patienten lustig zu machen? (Er setzt sich wieder.) (Dr. Valentine.) Mein lieber Herr McNaughtan. Meine Patienten haben nicht alle ihren Charakter an Schmierseife gebildet. (McNaughtan packt ihn ploetzlich am Arm, waehrend Dr. Valentine sich wieder nach der Lade wendet:) Desto schlimmer fuer sie! Ich sage Ihnen, Sie verstehen meinen Charakter nicht! Wenn ich all meine Zaehne entbehren koennte ich wuerde sie mir, einen nach dem andern, von Ihnen ziehen lassen, um Ihnen zu zeigen, was ein tuechtiger, abgehaerteter Mann aushalten kann, wenn er sich einmal dazu entschlossen hat. (Er nickt Dr. Valentine zu, um diese Erklaerung zu bekraeftigen, und laesst ihn los.) (Dr. Valentine, dessen sorglose Scherzhaftigkeit sich gar nicht stoeren laesst:) Und Sie wollen noch mehr abgehaertet werden, nicht wahr? (McNaughtan.) Ja. (Dr. Valentine schlendert fort zur Glocke:) Fuer mich sind Sie als Hausherr--schon abgehaertet genug. (McNaughtan quittiert diesen Scherz mit einem Brummen grimmigen Humors.) (Dr. Valentine klingelt und fragt in heiterer, beilaeufiger Weise, waehrend er auf die Antwort wartet:) Warum haben Sie nie geheiratet, Herr McNaughtan? Eine Frau und Kinder wuerden Ihnen Ihre Abhaertung schon ein wenig ausgetrieben haben. (McNaughtan mit unerwarteter Wildheit:) Was zum Teufel geht Sie das an?! (Das Stubenmaedchen erscheint an der Tuer.) (Dr. Valentine hoeflich:) Bitte, etwas warmes Wasser. (Sie zieht sich zurueck, und Dr. Valentine geht wieder an die Lade, durch McNaughtans Grobheit durchaus nicht aus dem Konzept gebracht. Er setzt die Unterhaltung fort, waehrend er eine Zange aussucht und sie sich zur Hand legt, zusammen mit einem Sperrholz und einem Trinkglas:) Sie fragten eben, was zum Teufel mich das angeht... Nun, ich habe vor, mich selbst zu verheiraten. (McNaughtan mit brummiger Ironie:) Natuerlich, Mensch--natuerlich! Wenn ein junger Mann auf den letzten Heller heruntergekommen ist und in vierundzwanzig Stunden von seinem Hausherrn gepfaendet werden soll, dann heiratet er. Das habe ich schon oefter beobachtet.--Gut, heiraten Sie und werden Sie ungluecklich! (Dr. Valentine.) Oh, gehen Sie, was wissen Sie davon? (McNaughtan.) Ich bin kein Junggeselle! (Dr. Valentine.) Dann gibt es also eine Frau McNaughtan? (McNaughtan zusammenzuckend, mit einem Gefuehl des Unwillens:) Ja--der Teufel soll sie holen! (Dr. Valentine unerschuetterlich:) Hm!... Am Ende sind Sie auch Vater, nicht nur Ehemann, Herr McNaughtan? (McNaughtan.) Drei Kinder! (Dr. Valentine hoeflich:) Der Teufel soll sie holen--was? (McNaughtan eifersuechtig:) Nein, Herr: die Kinder gehoeren mir so gut wie ihr. (Das Stubenmaedchen bringt einen Krug heisses Wasser herein.) (Dr. Valentine.) Danke. (Er nimmt ihr den Krug ab und bringt ihn an den Stuhl; dann faehrt er in dem gleichen nachlaessigen Ton fort:) Ich moechte wirklich gern Ihre Familie kennen lernen, Herr McNaughtan. (Er giesst etwas warmes Wasser in das Trinkglas.) (Das Stubenmaedchen geht hinaus.) (McNaughtan.) Ich bedaure, Sie nicht vorstellen zu koennen. Ich bin so gluecklich, nicht zu wissen, wo sie alle sind, und ich bin's zufrieden, solange sie mir nicht in den Weg kommen. (Dr. Valentine tut mit einer Bewegung seiner Augenbrauen und Schultern die leise an den Glasrand klirrende Zange in das Glas heissen Wassers.) (McNaughtan.) Meinetwegen brauchen Sie das Dings da nicht zu waermen; ich habe keine Angst vor dem kalten Stahl. (Dr. Valentine beugt sich vor, um den Gasschlauch und den Zylinder neben dem Stuhl in Ordnung zu bringen:) Was ist das fuer ein schweres Ding? (Dr. Valentine.) O nichts! Ich setze bloss meinen Fuss darauf, wenn ich den noetigen Stuetzpunkt fuer einen kraeftigen Zug bekommen will. (McNaughtan sieht gegen seinen Willen beunruhigt aus.) (Dr. Valentine steht aufrecht neben ihm und setzt das Glas mit der Zange in Bereitschaft. Er faehrt fort mit herausfordernder Gleichgueltigkeit zu plaudern:) Sie raten mir also, mich nicht zu verheiraten, Herr McNaughtan? (Er bueckt sich, um die Kurbel an den Apparat zu befestigen, durch die der Stuhl gehoben und gesenkt werden kann.) (McNaughtan reizbar:) Ich rate Ihnen, mir den Zahn nun zu ziehen und endlich aufzuhoeren, mich an meine Frau zu erinnern! Vorwaerts, Herr! (Er klammert sich an lit Stuhllehnen und staehlt sich.) (Dr. Valentine setzt ab, die Hand auf der Kurbel, siebt ihn an und sagt:) Um wie viel wollen Sie wetten, dass ich den Zahn herauskriege, ohne dass Sie es spueren? (McNaughtan.) Um Ihre sechswoechige Miete, mein Junge! Mich foppen Sie nicht! (Dr. Valentine nimmt die Wette mit Freude an und dreht die Kurbel kraeftig hinauf, so dass der Sessel steigt:) Abgemacht! Sind Sie bereit? (McNaughtan, der beunruhigt ueber sein ploetzliches Gehobenwerden die Stuhllehnen losgelassen hat, kreuzt die Arme, setzt sich steif aufrecht und bereitet sich auf das Schlimmste vor. Dr. Valentine laesst den Ruecken des Stuhles ploetzlich zu einem stumpfen Winkel hinab.) (McNaughtan packt mit festem Griff die Stuhllehnen, waehrend er zurueckfaellt:) Au! Nehmen Sie sich in acht, Mensch! Ich bin ganz wehrlos in dieser La-- (Dr. Valentine haelt ihm mit dem Sperrholz geschickt den Mund offen und erfasst das Mundstueck des Gasschlauchs:) Sie werden gleich noch wehrloser sein! (Er presst das Mundstueck ueber McNaughtans Mund und Nase und lehnt sich dabei ueber McNaugthans Brust so zurueck, dass er ihm Kopf und Schultern gut in den Stuhl niederhalten kann.) (McNaughtan stoesst einen unartikulierten Laut in das Mundstueck aus und versucht, Dr. Valentine zu packen, den er sich gegenueber glaubt. Nach einem Augenblick greifen seine Arme ins Leere, senken sich und fallen herab. Er ist vollstaendig bewusstlos.) (Dr. Valentine wirft mit einem Ausdruck nachdenklichen Triumphes das Mundstueck rasch beiseite, nimmt die Zange geschickt aus dem Glas und der Vorbang faellt.) ZWEITER AKT (Die Terrasse des Marinehotels--eine viereckige gepflasterte Planform, die in der Sonne funkelt und auf der Seeseite von einer Brustwehr aus schweren Stuetzpfeilern eingefasst ist, die wie schwerfaellige Oelkruege aussehen und eine breite steinerne Mauerkappe tragen.) (Der Oberkellner des Etablissements, der damit beschaeftigt ist, auf einem Fruehstueckstisch Servietten zu ordnen, wendet dem Meere den Ruecken zu und hat das Hotel zu seiner Rechten; zu seiner Linken, in der Ecke, befindet sich in der Naehe des Meeres die Flucht von Stufen, die hinunter zum Strand fuehren. Wenn er vor sich die Terrasse hinunterblickt, sieht er gegenueber, etwas zu seiner Linken, einen Herrn in mittleren Jahren, der auf einem eisengitternen Stuhle an einem kleinen eisernen Tische sitzt, auf dem sich eine von drei Wespen umschwirrte Zuckerdose befindet. Er liest den "Standard" und hat seinen Schirm aufgespannt, um sich gegen die Augustsonne zu schuetzen, die--es ist noch nicht ein Uhr nachmittag--seine ausgestreckten Beine roestet. Ihm gegenueber, auf der Hotelseite der Terrasse, steht eine Gartenbank von der gewoehnlichen Strandpromenadenform. Besucher treten durch einen Eingang in der Mitte der Fassade ins Hotel, wohin man ueber ein paar Stufen gelangt, die sich auf einem breiten, erhoehten, gepflasterten Viereck erheben. Naeher an der Bruestung ist ein geheimer Weg in die Kueche durch ein kleines Gitterportal maskiert. Der Tisch, an dem der Kellner sich beschaeftigt, ist sehr lang. Er steht quer ueber der Terrasse und ist mit fuenf Gedecken versehen; vor jedem Gedeck steht ein Stuhl, und zwar befinden sich zwei Stuehle auf jeder Laengsseite und ein Stuhl an der dem Hotel zugewandten Schmalseite. Gegen die Brustwehr lehnt ein zweiter, als Buefett eingerichteter Tisch, von dem aus serviert werden soll.) (Der Kellner ist in seiner Art ein bemerkenswerter Mensch. Ein zarter alter Mann mit weissen Haaren und sanften Augen, jedoch so freudig und zufrieden, dass in seiner ermutigenden Gegenwart Ehrgeiz sich als Gemeinheit geruegt fuehlt und Einbildungskraft als Verrat an dem ueberstroemenden Reichtum und Interesse der Wirklichkeit. Er hat jenen gewissen Ausdruck, der Menschen eigen ist, die in ihrem Beruf hervorragend sind und die, im Bewusstsein der Nichtigkeit des Erfolges, von Neid unberuehrt bleiben.) (Der Herr an dem eisernen Tischchen ist nicht fuer den Strand gekleidet. Er traegt seinen Londoner Gehrock und Handschuhe; sein hoher Zylinder steht auf dem Tisch neben der Zuckerdose. Die vortreffliche Verfassung und Qualitaet dieser Kleidung, der goldgeraenderte Zwicker, mit dem er den "Standard" liest und die "Times", die an seinem Ellbogen ueber der Ortszeitung liegt--alles weist auf seine Achtbarkeit hin. Er ist ungefaehr fuenfzig Jahre alt, glatt rasiert und kurzgeschoren. Seine Mundwinkel sind absichtlich herabgezogen, als haette er sie im Verdacht, hinaufschnellen zu wollen, und waere entschlossen, ihnen den Willen nicht zu lassen. Er hat grosse, weite Ohren, Augen von der Farbe des Stockfisches und eine energische Stirn, die er resolut offen traegt, als wenn er, wiederum, in seiner Jugend beschlossen haette, wahrheitsliebend, grossmuetig, unbestechlich zu bleiben, es ihm aber niemals gelungen waere, diese geistige Gewoehnung automatisch und unbewusst zu machen. Trotzdem macht er durchaus keinen laecherlichen Eindruck; kein Zeichen der Dummheit oder Willensschwaeche ist an ihm bemerkbar;--im Gegenteil, er wuerde dem Anblick nach ueberall fuer einen Menschen von mehr als durchschnittlichen geschaeftlichen Faehigkeiten und geschaeftlicher Verantwortung gehalten werden. Augenblicklich geniesst er das Wetter und das Meer zu sehr, um die Geduld zu verlieren; aber er hat alles Neue in seinen Zeitungen durchgelesen und ist gegenwaertig auf die Inserate angewiesen, die aber nicht interessant genug sind, ihn fuer die Dauer zu fesseln.) (Der Herr gaehnt und verzichtet auf die Zeitung als ungeniessbar:) Kellner! (Der Kellner.) Bitte? (Er naehert sich ihm.) (Der Herr.) Wissen Sie ganz bestimmt, dass Frau Clandon vor dem Fruehstueck zurueckkommt? (Der Kellner.) Ganz bestimmt. Sie erwartet den Herrn um dreiviertel auf Eins. (Der Herr, den des Kellners Stimme sofort besaenftigt, sieht ihn mit einem laessigen Laecheln an. Der Kellner hat eine ruhige, sanfte, melodische Stimme, die seinen alltaeglichsten Bemerkungen ein sympathisches Interesse verleiht; er spricht mit dem suessesten Anstand, ohne seine H's zu verschlucken oder sie zu verlegen, oder in irgendeine andere Vulgaritaet zu verfallen. Der Kellner sieht nach der Uhr und faehrt fort:) Es ist noch nicht so viel, nicht? Erst zwoelf Uhr dreiundvierzig... nur noch zwei Minuten muss sich der Herr gedulden.-- Schoener Morgen, nicht wahr? (Der Herr.) Ja. Sehr frisch im Vergleich zu London. (Der Kellner.) Ja. Das sagen alle unsere Gaeste.--Eine sehr angenehme Familie, die von Frau Clandon. (Der Herr.) Sie moegen sie? (Der Kellner.) Ja. Sie haben ein sehr unbefangenes, einnehmendes Betragen--wahrhaftig, sehr einnehmend. Namentlich die junge Dame und der junge Herr. (Der Herr.) Fraeulein Dorothea und Herr Philip wahrscheinlich. (Der Kellner.) Jawohl. Die junge Dame sagt immer, wenn sie mir einen Befehl erteilt oder so etwas: "Sie wissen, William, dass wir Ihretwegen in dieses Hotel gekommen sind, weil wir gehoert haben, was fuer ein vollendeter Kellner Sie sind." Der junge Herr sagt mir immer, dass ich ihn sehr an seinen Herrn Vater erinnere, (der Herr faehrt auf bei diesen Worten:) und dass er von mir erwartet, dass ich mich gegen ihn auch wie ein Vater benehmen werde. (Mit beruhigendem sonnigem Tonfall: ) Oh, so liebenswuerdig... wirklich, sehr hoeflich und freundlich sind sie! (Der Herr.) Sie sollen seinem Vater aehnlich sein! (Er lacht ueber diese Idee.) (Der Kellner.) Oh, wir duerfen nicht zu ernst nehmen, was die Herrschaften sagen. Wenn es wahr waere, so wuerde die junge Dame die Aehnlichkeit natuerlich auch bemerkt haben. (Der Herr.) Hat sie das nicht? (Der Kellner.) Nein. Sie fand, ich haette mit der Shakespear-Bueste in der Stratford-Kirche Aehnlichkeit; deshalb nennt sie mich auch "William"--mein richtiger Name ist Walter. (Er wendet sich um, will nach dem Tisch zurueckgeben und erblickt Frau Clandon, die ueber die Stufen vom Strand her die Terrasse heraufkommt.) Da ist Frau Clandon. (Zu Frau Clandon, in einem bescheiden vertraulichen Tone:) Ein Herr ist da, der Sie sprechen will, gnaedige Frau. (Frau Clandon.) Es werden noch zwei Herren mit uns fruehstuecken, William. (Der Kellner.) Sehr wohl, gnaedige Frau. Danke schoen, gnaedige Frau. (Er zieht sich in das Hotel zurueck.) (Frau Clandon kommt nach vorn und sieht sich nach ihrem Besucher um, geht aber an dem Herrn vorbei, ohne irgendein Zeichen des Erkennens zu geben.) (Der Herr sieht verschmitzt nach ihr unter dem Schirm hervor:) Erkennen Sie mich nicht? (Frau Clandon sieht ihn scharf und unglaeubig an:) Sind Sie Finch McComas? (McComas.) Koennen Sie das nicht raten? (Er schliesst den Schirm, stellt ihn zur Seite, pflanzt sich mit den Haenden in den Hueften lustig vor ihr auf und lasst sich betrachten.) (Frau Clandon.) Mir scheint, Sie sind es wirklich! (Sie reicht ihm die Hand. Der Haendedruck, der folgt, ist der alter Freunde nach einer Langen Trennung:) Wo ist Ihr Bart? (McComas komisch feierlich:) Wuerden Sie einen Anwalt mit einem Bart beschaeftigen? (Frau Clandon zeigt auf den Zylinder, der auf dem Tischchen steht:) Ist das Ihr Hut? (McComas.) Wuerden Sie einen Anwalt mit einem Sombrero beschaeftigen? (Frau Clandon.) Ich habe Sie waehrend der ganzen achtzehn Jahre in Gedanken mit einem Bart und einem grossen, runden Hut vor mir gesehen. (Sie setzt sich auf die Gartenbank. McComas nimmt seinen Platz wieder ein.) Gehen Sie noch immer zu den Versammlungen der philosophischen Gesellschaft? (McComas ernst:) Ich besuche keine Versammlungen mehr. (Frau Clandon.) Finch, ich merke, was mit Ihnen vorgegangen ist! Sie sind respektabel geworden! (McComas.) Und Sie nicht? (Frau Clandon.) Nicht im geringsten. (McComas.) Sie halten noch immer an Ihren alten Ansichten fest? (Frau Clandon.) Fester denn je. (McComas.) Was Sie sagen!... Und sind Sie noch immer bereit, oeffentlich zu sprechen, trotz Ihres Geschlechts? (Frau Clandon nickt. ) Halten Sie sogar noch immer an der Ansicht fest, eine verheiratete Frau sei berechtigt, ihr eigenes Vermoegen von dem ihres Gatten zu trennen? (Frau Clandon nickt wieder.) Sind Sie noch immer Vorkaempferin fuer die Lehre Darwins von der Abstammung der Arten und fuer John Stuart Mills Schrift ueber die Freiheit? (Sie nickt.) Lesen Sie noch immer Huxley, Tyndall und George Eliot? (Sie nickt dreimal.) Und verlangen Sie noch immer fuer die Frauen so gut wie fuer die Maenner den Zutritt zur Universitaet, die Ausuebung aller Gewerbe und das parlamentarische Wahlrecht? (Frau Clandon energisch:) Jawohl. Ich bin nicht um Haares Breite davon abgewichen, und ich habe Gloria dazu erzogen, mein Werk dort fortzusetzen, wo ich es abgebrochen habe.--Das ist es auch, was mich nach England zurueckgefuehrt hat. Ich fuehlte, dass ich kein Recht hatte, meine Tochter lebend in Madeira zu begraben--mein Sankt Helena, Finch! --Sie wird wohl ausgezischt werden, wie ich es wurde--aber sie ist darauf vorbereitet. (McComas.) Ausgezischt?... Meine liebe gute Frau Clandon, heutzutage koennte Gloria mit allen diesen Ansichten sogar einen Erzbischof heiraten.--Sie haben mir eben vorgeworfen, dass ich respektabel geworden bin. Sie haben sich geirrt--ich halte an unsern alten Meinungen fest, ebenso wie damals--ich gehe nicht in die Kirche, und ich tue nicht so, als ob ich es taete. Ich bekenne, was ich bin: ein radikaler Philosoph, der fuer Freiheit und fuer die Rechte des Individuums eintritt, wie mein Meister Herbert Spencer es mich gelehrt hat. Werde ich ausgezischt?... Nein! Ich werde nachsichtig belaechelt, wie ein altmodischer Kauz! Ich bin vollstaendig erledigt, weil ich mich geweigert habe, das Knie vor dem Sozialismus zu beugen. (Frau Clandon entsetzt:) Sozialismus! (McComas.) Ja, Sozialismus--vor Ablauf eines Monats wird Fraeulein Gloria bis ueber die Ohren drin sein, wenn Sie sie hier loslassen. (Frau Clandon mit Emphase:) Aber ich kann ihr beweisen, dass der Sozialismus ein Trugschluss ist! (McComas pathetisch:) Dadurch, dass ich es bewies, habe ich alle meine Schueler verloren, Frau Clandon. Nehmen Sie sich in acht, lassen Sie Gloria ihren eigenen Weg gehen. (Etwas bitter:) Wir sind altmodisch geworden, die Welt denkt, wir seien hinter ihr zurueckgeblieben! Es gibt nur noch einen einzigen Ort in England, wo Ihre Anschauungen fuer vorgeschritten gelten wuerden. (Frau Clandon spoettisch und nicht ueberzeugt:) Die Kirche vielleicht? (McComas.) Nein, das Theater.--Und jetzt zur Sache. Warum haben Sie mich hierher kommen lassen? (Frau Clandon.) Nun, zum Teil, weil ich Sie wiedersehen wollte. (McComas mit gutmuetiger Ironie:) Danke! (Frau Clandon.) Und zum Teil, weil ich moechte, dass Sie den Kindern alles erklaeren. Sie wissen nichts. Und jetzt, wo wir nach England zurueckgekehrt sind, ist es unmoeglich, sie noch laenger im unklaren zu lassen. (Aufgeregt:) Finch, ich kann mich nicht dazu entschliessen, es ihnen zu sagen... ich--(Sie wird durch die Zwillinge und Gloria unterbrochen. Dolly kommt hastig die Stufen heraufgestuerzt, im Wettlauf mit Philip, der ein schreckliches Tempo mit einer ungestoerten Korrektheit des Betragens verbindet, die ihn jedoch das Rennen kostet. Dolly erreicht ihre Mutter zuerst und stoesst durch die Heftigkeit ihrer Ankunft die Gartenbank beinahe ueber den Haufen.) (Dolly atmenlos:) Es ist alles in Ordnung, Mama! Der Zahnarzt kommt, und seinen alten Hausherrn bringt er mit! (Frau Clandon.) Liebe Dolly, siehst du Herrn McComas nicht? (McComas erhebt sich laechelnd.) (Dolly mit langem Gesicht, das offensichtlich die groesste Enttaeuschung ausdrueckt:) Der?!... Wo sind die wallenden Locken? (Philip sekundiert ihr warm:) Und wo der Bart?!--Der Mantel?--Das poetische Aussehen?! (Dolly.) Oh, Herr McComas! Sie haben sich ganz und gar verdorben! Warum haben Sie nicht gewartet, bis wir Sie gesehen haben?! (McComas verdutzt, aber seinen Humor zusammennehmend, um sich der schwierigen Lage gewachsen zu zeigen:) Weil fuer einen Rechtsanwalt achtzehn Jahre eine zu lange Zeit ist, um sich da nicht die Haare schneiden zu lassen. (Gloria auf der andern Seite von McComas:) Guten Tag, Herr McComas. (Er wendet sich um, und sie ergreift seine Hand und drueckt sie, mit einem geraden, aufrichtigen Blick in seine Augen:) Wir freuen uns, Sie endlich zu sehen. (McComas.) Fraeulein Gloria, nicht wahr? (Gloria laechelt zustimmend und zieht ihre Hand mit einem letzten Druck zurueck. Sie tritt hinter die Gartenbank und neigt sich ueber die Lehne neben Frau Clandon:) Und dieser junge Herr? (Philip.) Ich wurde in einer verhaeltnismaessig prosaischen Laune getauft. Ich heisse-- (Dolly ergaenzt sein Zitat fuer ihn, deklamatorisch:) "Ich heisse Norval, auf den Grampianhuegeln"... (Philip ernsthaft deklamierend:) "mein Vater weidet seine Herde, nur ein Schaefer"--[*] [Footnote *: Norval ist der Sohn eines alten Bauern im Trauerspiel "Douglas" von John Horne (1724-1808).] (Frau Clandon unterbrechend:) Meine lieben Kinder, seid nicht so albern!--Alles erscheint ihnen hier so neuartig, Finch, dass sie in der tollsten Laune sind. Sie halten jeden Englaender, dem sie begegnen, fuer einen Witz. (Dolly.) Ja, das ist er auch! Wir koennen nichts dafuer! (Philip.) Meine Menschenkenntnis ist recht ausgedehnt, Herr McComas; aber es ist mir unmoeglich, die Bewohner dieser Insel ernst zu nehmen. (McComas.) Ich vermute, Sie sind der junge Herr Philip? (Er bietet ihm die Hand.) (Philip nimmt McComas' Hand und betrachtet ihn feierlich:) Ich war der junge Philip--das war ich durch viele Jahre. Genau so wie Sie einmal der junge Finch gewesen sind. (Er schuettelt ihm einmal die Hand; dann laesst er sie fallen und ruft gedankenvoll aus:) Wie sonderbar ist es doch, so auf seine Knabenzeit zurueckzublicken! (McComas starrt ihn an, durchaus nicht erfreut.)* (Dolly zu Frau Clandon:) Hat Finch schon was zu trinken bekommen? (Frau Clandon abwehrend:) Liebes Kind, Herr McComas wird mit uns fruehstuecken. (Dolly.) Hast du sieben Gedecke bestellt? Vergiss nur nicht den alten Herrn! (Frau Clandon.) Ich habe ihn nicht vergessen, mein Kind. Wie heisst er? (Dolly.) Gichtknoten.--Er wird um halb zwei hier sein. (Zu McComas:) Sind wir so, wie Sie sich uns vorgestellt haben? (Frau Clandon ernst, sogar etwas gebieterisch:) Dolly, Herr McComas hat euch etwas Ernsteres mitzuteilen als das.--Kinder: ich habe meinen alten Freund gebeten, die Frage, die ihr heute morgen an mich gerichtet habt, zu beantworten. Er ist sowohl der Freund eures Vaters als auch der meine, und er wird euch die Geschichte meines Ehelebens besser erzaehlen, als ich es koennte.--Gloria, bist du nun zufrieden? (Gloria ernst und aufmerksam:) Herr McComas ist sehr guetig. (McComas nervoes:) Durchaus nicht, mein Fraeulein, durchaus nicht. Doch das kommt ziemlich ploetzlich... ich bin kaum darauf vorbereitet-- (Dolly argwoehnisch:) Oh! wir wollen auch gar nichts Vorbereitetes hoeren. (Philip ihn ermunternd:) Sagen Sie uns die Wahrheit. (Dolly nachdruenklich:) Die nackte Wahrheit! (McComas gereizt:) Ich hoffe, Sie haben die Absicht, ernst zu nehmen, was ich zu sagen habe? (Philip mit tiefem Ernst:) Ich hoffe, dass es das verdient, Herr McComas. Meine Menschenkenntnis lehrt mich, niemals zuviel zu erwarten. (Frau Clandon abwehrend:) Phil-- (Philip.) Ja Mutter, schon gut. Entschuldigen Sie, Herr McComas, stossen Sie sich nicht an uns. (Dolly versoehnlich:) Wir meinen es gut. (Philip.) Schweigen wir beide! (Dolly haelt ihre Lippen fest. McComas nimmt einen Stuhl vom Fruehstueckstisch, setzt ihn zwischen den kleinen Tisch und die Gartenbank, so dass Dolly zu seiner Rechten und Philip zu seiner Linken zu stehen kommt. Er setzt sich mit der Miene eines Mannes, der im Begrift steht, eine lange Auseinandersetzung zu beginnen. Die Clandons beobachten ihn erwartungsvoll.) (McComas.) Hm!--Ihr Vater-- (Dolly.) Wie alt ist er? (Philip.) Sch! (Frau Clandon sanft:) Liebe Dolly, wir wollen Herrn McComas nicht unterbrechen. (McComas mit Nachdruck:) Ich danke Ihnen, Frau Clandon--ich danke! (Zu Dolly:) Ihr Vater ist siebenundfuenfzig Jahre alt. (Dolly mit einem Satz, ueberrascht und aufgeregt:) Siebenundfuenfzig?!... Wo lebt er? (Frau Clandon zurechtweisend:) Dolly! Dolly! (McComas sie unterbrechend:) Lassen Sie mich dies beantworten, Frau Clandon. Die Antwort wird Sie sehr ueberraschen.--Er lebt hier, an diesem Ort. (Frau Clandon erhebt sich sehr boese, setzt sich aber wieder sprachlos nieder. Gloria beobachtet sie ganz starr.) (Dolly mit Ueberzeugung:) Ich wusste es!... Phil--Gichtknoten ist unser Vater! (McComas.) Gichtknoten--?! (Dolly) Oder McNaughty... oder sonst wie--was weiss ich! Er sagte mir, ich saehe seiner Mutter aehnlich; ich wusste es ja, dass er seine Tochter meinte. (Philip sehr ernst:) Herr McComas: ich moechte Ihre Gefuehle auf jede moegliche Art beruecksichtigen--aber ich warne Sie! Wenn Sie den langen Arm des Zufalls derart verlaengern, dass Sie mir einreden wollen, der hier lebende Herr McNaughtan sei mein Vater, so weigere ich mich, auf Ihre Auskuenfte auch noch einen Augenblick weiter einzugehen. (McComas.) Und warum, wenn ich bitten darf? (Philip.) Weil ich diesen Herrn gesehen habe und er gaenzlich ungeeignet ist, mein Vater, oder Dollys Vater, oder Glorias Vater, oder der Mann meiner Mutter zu sein! (McComas.) Oh, wirklich?--So. Dann muss ich Ihnen sagen--ob Sie es nun gern hoeren oder nicht--: er ist tatsaechlich Ihr Vater und der Vater Ihrer Schwester und Frau Clandons Gatte.--Nun, was sagen Sie dazu? (Dolly weinerlich:) Sie brauchen nicht so boese zu sein! Gichtknoten ist ja nicht Ihr Vater! (Philip.) Herr McComas, Ihr Benehmen ist herzlos. Sie finden hier eine Familie, die den unsagbaren Frieden und die Annehmlichkeit geniesst, verwaist zu sein--wir haben niemals das Antlitz eines Verwandten gesehen--niemals ein Band anerkannt, mit Ausnahme des Bandes einer frei gewaehlten Freundschaft--und jetzt wollen Sie einen Mann in die intimste Verwandtschaft mit uns hineinstossen, den wir nicht kennen.... (Dolly heftig:) Einen entsetzlichen alten Mann! (Vorwurfsvoll:) Und Sie fingen an, als ob Sie einen ganz netten Vater fuer uns haetten! (McComas aergerlich:) Woher wissen Sie, dass er nicht nett ist? Und welches Recht haben Sie, sich Ihren eigenen Vater zu waehlen? (Seine Stimme erhebend:) Ich muss Ihnen sagen, Fraeulein Clandon, dass Sie zu jung sind, um-- (Dolly unterbricht ihn ploetzlich mit Heftigkeit:) Still! Das hab' ich ja ganz vergessen... hat er Geld? (McComas.) Er hat sehr viel Geld. (Dolly entzueckt:) Oh, was habe ich immer gesagt, Phil? (Philip.) Dolly, wir haben den alten Mann vielleicht zu schnell verurteilt.--Fahren Sie fort, Herr McComas. (McComas.) Ich werde nicht fortfahren, junger Herr. Ich bin zu empoert, zu verletzt dazu. (Frau Clandon kaempft mit ihrem Zorn:) Finch, koennen Sie die ganze Sachlage mit allen Folgen ueberblicken? Wissen Sie, dass meine Kinder diesen Mann zum Fruehstueck eingeladen haben und dass er in einigen Augenblicken hier sein wird? (McComas ganz ausser sich:) Was!... Meinen Sie--soll ich wirklich annehmen--ist es... (Philip nachdruecklich:) Ruhig Blut, Finch! Denken Sie darueber langsam und sorgfaeltig nach.--Er kommt--kommt zum Fruehstueck. (Gloria.) Wer von uns soll ihm die Wahrheit sagen? Habt ihr darueber nachgedacht? (Frau Clandon.) Finch, Sie muessen es ihm sagen! (Dolly.) Oh, Finch ist ganz unbrauchbar, um so was zu sagen! Schau doch, was er damit angerichtet hat, dass er es uns gesagt hat! (McComas.) Man hat mich nicht zu Worte kommen lassen. Ich protestiere. (Dolly ergreift schmeichlerisch seinen Arm:) Lieber Finch, nicht boese sein! (Frau Clandon.) Gloria, wir wollen hineingehen; er kann jeden Augenblick kommen! (Gloria stolz:) Ruehr' dich nicht vom Fleck, Mutter. Ich werde mich auch nicht ruehren. Wir duerfen nicht davonlaufen. (Frau Clandon sie zurechtweisend:) Mein Kind, so koennen wir nicht zu Tisch gehen. Wir kommen gleich wieder. Wir muessen kein Heldentum posieren. (Gloria zuckt zusammen und geht stumm ins Hotel:) Komm, Dolly! (Als sie sich der Hoteltuere naehert, kommt ihr der Kellner daraus entgegen. Er traegt ein Servierbrett, auf dem sich Teller fuer die zwei hinzugekommenen Gedecke befinden.) (Der Kellner.) Sind die Herren schon da, gnaedige Frau? (Frau Clandon.) Es kommen noch zwei. Sie werden gleich da sein. (Sie geht ins Hotel. Der Kellner geht mit seinem Geschirr an den Serviertisch.) (Philip.) Ich habe eine Idee--Herr McComas. Die Mitteilung, die Sie zu machen haben, erfordert doch einen Mann von unendlich viel Takt, nicht wahr? (McComas.) Es gehoert sicherlich Takt dazu. (Philip.) Dolly, wessen Takt ist dir erst heute morgen aufgefallen? (Dolly ergreift die Idee mit Begeisterung:) O ja! ich weiss, wen du meinst! William! (Philip.) Das ist der Mann! (Rufend:) William! (Der Kellner.) Zu Befehl, junger Herr. (McComas entsetzt:) Der Kellner?!... Nein! Nein! Das kann ich nicht zugeben, ich-- (Der Kellner taucht zwischen Philip und McComas auf:) Ich stehe zu Diensten. (McComas setzt sich ausser Fassung. Sein Gesicht wird aschfahl, und seine Augen werden bewegungs--und ausdruckslos. Er setzt sich total verdutzt.) (Philip.) William, erinnern Sie sich an meine Bitte, mich als Ihren Sohn zu betrachten? (Der Kellner mit respektvoller Nachsicht:) Gewiss, junger Herr?--Alles, womit ich Ihnen dienen kann. (Philip.) William: Ihre Karriere als mein Vater hat kaum begonnen, und schon ist ein Rivale auf der Bildflaeche aufgetaucht. (Der Kellner.) Ihr wirklicher Vater, junger Herr? Nun, das war frueher oder spaeter zu erwarten, nicht wahr? (Er wendet sich mit einem gluecklichen Laecheln zu McComas:) Sind Sie es, gnaediger Herr? (McComas kommt durch seine Entruestung wieder zu Kraeften:) Nein, ganz gewiss nicht, Gott sei Dank! Meine Kinder wissen, wie sie sich zu benehmen haben! (Philip.) Nein, William, dieser Herr haette nur mein Vater werden koennen! Um ein Haar waere er's geworden. Er hat um meine Mutter angehalten, aber sie hat ihm einen Korb gegeben. (McComas beleidigt:) Ich muss doch bitten--Wahrhaftig, diese Frechheit-- (Philip.) Sch!--Infolgedessen ist er nur unser Anwalt geworden. --Kennen Sie einen gewissen McNaughtan in dieser Stadt? (Der Kellner.) Der schielaeugige McNaughtan, junger Herr, vom krummen Knuettel--meinen Sie den? (Philip.) Das weiss ich nicht!--Finch, haelt er ein Wirtshaus? (McC omas erhebt sich empoert:) Nein, nein, nein! Ihr Vater, Herr, ist ein sehr bekannter Schiffsrheder, einer der angesehensten Maenner der Stadt! (Der Kellner, auf den das Eindruck gemacht hat:) Oh, verzeihen Sie, gnaediger Herr--ein Sohn des Herrn McNaughtan--meine Guete! (Philip.) Herr McNaughtan wird mit uns fruehstuecken. (Der Kellner verlegen:) Zu Befehl, junger Herr. (Diplomatisch:) Er fruehstueckt fuer gewoehnlich wohl nicht mit seiner Familie? (Philip nachdenklich:) William--er weiss nicht, dass wir seine Familie sind. Er hat uns seit achtzehn Jahren nicht gesehen--er wird uns nicht erkennen. (Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, setzt sich Philip mit einem Sprung auf den Eisentisch und beobachtet den Kellner mit zusammengekniffenen Lippen und baumelnden Beinen.) (Dolly.) Wir wollen, dass Sie ihm diese Neuigkeit mitteilen, William! (Der Kellner.) Aber ich sollte meinen, dass er's erraet, wenn er Ihre Mutter sieht, gnaediges Fraeulein? (Philip starrt den Kellner hingerissen an; seine Beine stellen ihre Bewegung ein.) (Dolly verwirrt:) Daran habe ich nicht gedacht! (Philip.) Ich auch nicht! (Er verlaesst den Tisch und wendet sich vorwurfsvoll zu McComas:) Sie auch nicht! (Dolly.) Und Sie wollen ein Anwalt sein? (Philip.) Finch, Ihre berufliche Unzulaenglichkeit ist erschreckend! --William, Ihr Scharfsinn beschaemt uns alle. (Dolly.) Sie sind wirklich Shakespear sehr aehnlich, William! (Der Kellner.) Aber nein! Es ist nicht der Rede wert, gnaediges Fraeulein... ich schaetze mich gluecklich, junger Herr. (Er gebt bescheiden zum Fruehstueckstisch zurueck und legt die beiden hinzugekommenen Gedecke auf, das eine an die Schmalseite in der Naehe der Stufen und das andere so, dass noch ein drittes hinzukommen kann an der von der Balustrade am weitesten entfernten Seite.) (Philip ergreift ploetzlich McComas' Arm und fuehrt ihn gegen das Hotel zu:) Finch, kommen Sie und waschen Sie sich die Haende. (McComas.) Ich bin ueberaus ungehalten und verletzt, Herr Clandon-- (Philip ihn unterbrechend:) Sie werden sich schon an uns gewoehnen. Komm, Dolly! (McComas schuettelt ihn ab und geht ins Hotel. Philip folgt ihm mit unerschuetterlicher Gemuetsruhe.) (Dolly, die ihnen folgt, wendet sich einen Augenblick auf den Stufen um:) Halten Sie Ihre fuenf Sinne beisammen, William--es wird drunter und drueber gehen! (Der Kellner.) Zu Befehl, Sie koennen sich auf mich verlassen, gnaediges Fraeulein. (Dolly geht ins Hotel.) (Dr. Valentine kommt leichten Fusses die Stufen vom Strand herauf, McNaughtan folgt ihm stoerrisch. Dr. Valentine hat einen Spazierstock, McNaughtan traegt--entweder weil er alt ist und friert, oder um seinen unmodernen Seemannsanzug zu verbergen--einen leichten Ueberzieher. Er bleibt vor dem Stuhl, den McComas eben verlassen hat, in der Mitte der Terrasse stehen, stuetzt die Hand auf die Lehne und gibt sich so ein bisschen Kraft.) (McNaughtan.) Die vielen Stufen machen mich schwindlig. (Er faehrt sich mit der Hand ueber die Stirn:) Ich habe dieses hoellische Gas noch immer im Leibe. (Er setzt sich in den Eisenstuhl, so dass er seine Ellbogen auf den kleinen Tisch aufstuetzen und den Kopf in die Haende stuetzen kann. Er erholt sich bald und beginnt seinen Ueberrock aufzuknoepfen. Inzwischen fragt Dr. Valentine den Kellner aus.) (Dr. Valentine.) Kellner! (Der Kellner tritt vor zwischen die beiden Gaeste:) Zu Befehl? (Dr. Valentine.) Ist Frau Lanfrey Clandon zu Hause? (Der Kellner mit einem suessen Laecheln des Willkommens:) Zu dienen, Herr Doktor, wir erwarten Sie. Dies ist der bestellte Tisch. Frau Clandon wird gleich da sein.--Die junge Dame und der junge Herr haben soeben von ihrem Freunde gesprochen. (Dr. Valentine.) Wirklich? (Der Kellner sanft melodisch:) Zu Befehl. Die jungen Herrschaften sind sehr ausgelassen--eine spasshafte Ader sozusagen, gnaediger Herr. (Rasch zu McNaughtan, der sich erhoben hat, um seinen Ueberrock abzulegen:) Verzeihen Euer Gnaden--gestatten Sie... (Er hilft ihm den Ueberrock ausziehen und nimmt ihn an sich:) Ich danke sehr. (McNaughtan setzt sich wieder, und der Kellner nimmt die unterbrochene Melodie wieder auf:) Des jungen Herrn letzter Witz ist, dass Sie sein Vater sind, gnaediger Herr. (McNaughtan.) Was?! (Der Kellner.) Nur ein Spass, Euer Gnaden--sein Lieblingsspass. Gestern sollte ich sein Vater sein--heute, als er erfuhr, dass Sie kommen wuerden, gnaediger Herr, versuchte er sofort mir einzureden, dass Sie sein Vater waeren--sein lang verlorener Vater. Achtzehn Jahre lang hat er Sie nicht gesehen--sagt er. (McNaughtan verbluefft:) Achtzehn Jahre?... (Der Kellner.) Zu Befehl. (Mit sanfter Schlauheit:) Aber ich war seinen Spaessen gewachsen, gnaediger Herr. Ich sah, wie ihm die Idee kam, als er hier stand und ueber einen neuen Scherz nachdachte, den er sich mit mir machen koennte.--Ja, gnaediger Herr, das ist so seine Art. Sehr vergnuegt, liebenswuerdig, sehr frei und sehr umgaenglich--wahrhaftig, gnaediger Herr! (Veraendert wieder seinen Rhythmus, um zu Dr. Valentine, der seinen Stock in eine Ecke der Garunbank lehnt, zu sagen:) Darf ich so frei sein?... (Er nimmt Dr. Valentines Stock.) Danke schoen. (Dr. Valentine geht an den Tisch und studiert das Menue.) (Der Kellner wendet sich wieder zu McNaughtan und faehrt in seinem Liede fort:) Sogar der Herr Anwalt ist auf den Scherz eingegangen, obgleich ich sozusagen im Vertrauen mit ihm ueber den jungen Herrn gesprochen hatte... Ja, ich versichere Ihnen, Sie wuerden nicht glauben, wozu die ehrenwertesten Berufsmenschen Londons auf einem Ausflug, wenn die Meerluft sie anblaest, imstande sind! (McNaughtan.) Oh, sie haben also einen Anwalt bei sich? (Der Kellner.) Ja, der Familienanwalt, gnaediger Herr. Ein Herr McComas. (Er geht mit Rock und Stock zum Hoteleingang, gluecklicherweise ohne zu ahnen, welchen bombenartigen Eindruck er mit diesem Namen auf McNaughtan gemacht hat.) (McNaughtan erhebt sich in wuetender Erregung:) McComas! (Ruft:) Dr. Valentine! (Ruft grimmiger:) Dr. Valentine! (Dr. Valentine wendet sich um.) Das ist eine Falle, eine Verschwoerung! Das ist meine Familie--meine Kinder--mein Satan von Weib! (Dr. Valentine kalt:) Was Sie nicht sagen! Ein interessantes Zusammentreffen. (Er geht wieder daran, das Menue zu studieren.) (McNaughtan.) Zusammentreffen?... Es wird nicht stattfinden! Lassen Sie mich fort! (Ruft den Kellner an:) Geben Sie mir meinen Ueberzieher! (Der Kellner.) Ja, gnaediger Herr! (Er kehrt um, lehnt Dr. Valentines Stock vorsichtig an den Fruehstueckstisch, schuettelt den Ueberzieher behutsam und haelt ihn McNaughtan zum Anziehen hin.) Ich scheine dem jungen Herrn unrecht getan zu haben--ist es so, gnaediger Herr? (McNaughtan.) Rrrh! (Er haelt inne, im Begriff in die Armel au schluepfen, und wendet sich mit ploetzlichem Argwohn zu Dr. Valentine:) Doktor, Sie sind im Einverstaendnis! Das haben Sie angestiftet! Sie-- (Dr. Valentine entschieden:) Unsinn! (Er wirft das Menue fort, geht um den Tisch herum an die Balustrade und sieht gleichgueltig hinaus.) (McNaughtan aergerlich:) Was zum Teufel--(McComas kommt aus dem Hotel, Philip und Dolly folgen ihm. Er wankt bei McNaughtans Anblick einen Moment zurueck.) (Der Kellner unterbricht McNaughtan sanft:) Fassung, gnaediger Herr! Hier kommen sie. (Er ergreift Dr. Valentines Stock und eilt, den Rock ueber seinen Arm werfend, ins Hotel.) (McComas zieht die Mundwinkel entschlossen herab, geht auf McNaughtan zu, der zurueckweicht und mit den Haenden auf dem Ruecken ihn boese anstarrt. McComas sieht mit offenerer Stirn denn je McNaughtan an, mit der Majestaet eines fleckenlosen Gewissens.) (Der Kellner fluestert Philip waehrend seines Abgangs zu:) Ich hab' es ihm beigebracht, junger Herr. (Philip.) Unschaetzbarer William! (Er tritt vor, an den Tisch.) (Dolly leise zum Kellner:) Wie hat er's aufgenommen? (Der Kellner leise zu ihr:) Erst war er erschrocken, gnaediges Fraeulein--dann aber in sein Schicksal ergeben... wirklich sehr ergeben. (Er geht mit Stock und Rock in das Hotel.) (McComas hat McNaughtan durch sein Anstarren aus der Fassung gebracht: ) Da waeren Sie also, Herr McNaughtan! (McNaughtan.) Ja, da bin ich--in einer Falle gefangen--in einer ganz gemeinen Falle!--Sind das meine Kinder? (Philip mit toedlicher Hoeflichkeit:) Ist das unser Vater, Herr McComas? (McComas.) Ja--es--(Er verliert selbst die Fassung und haelt inne.) (Dolly foermlich:) Es freut mich sehr, Ihnen wieder zu begegnen. (Sie kommt nachlaessig hinter dem Tisch hervor und tauscht unterwegs mit Dr. Valentine ein Laecheln und ein Wort des Grusses.) (Philip.) Erlauben Sie mir, meine erste Pflicht dem Gaste gegenueber zu erfuellen und Ihren Wein zu bestellen. (Er nimmt die Weinkarte vom Tisch; seine hoefliche Aufmerksamkeit und Dollys achtlose Gleichgueltigkeit belassen McNaughtan auf dem Standpunkt der zufaelligen Bekanntschaft, die sie am Morgen beim Zahnarzt gemacht haben. Diese Erkenntnis beruehrt den Vater mit so heftiger Qual, dass er ueber und ueber zittert. Seine Stirn wird feucht, und er starrt seinen Sohn schweigend an. Dieser ist sich seiner eigenen Gefuehllosigkeit genug bewusst, um sich seines Humors und seiner Gewandtheit ausserordentlich zu freuen. Er faehrt freundlich fort.) Finch, darf ich fuer den alten respektablen Familienanwalt irgendeinen alten verstaubten Portwein bestellen? (McComas bestimmt:) Nur Apollinaris--ich will lieber nichts Erhitzendes nehmen. (Er wendet sich nach der andern Seite der Terrasse, wie ein Mann, der eine Versuchung von sich gewiesen hat.) (Philip.) Doktor--? (Dr. Valentine.) Wuerde Lagerbier zu gemein gefunden werden? (Philip.) Wahrscheinlich. Bestellen wir welches. Dolly trinkt es auch. (Wendet sich zu McNaughtan mit heiterer Hoeflichkeit:) Nun, Herr McNaughtan, was duerfen wir Ihnen bestellen? (McNaughtan.) Was soll das heissen, Junge? (Philip.) Junge?... (Sehr feierlich:) Wessen Schuld ist es, dass ich ein Junge bin? (McNaughtan reisst ihm die Weinkarte grob aus der Hand und tut unschluessig so, als ob er sie lese. Philip ueberlaesst sie ihm mit vollendeter Hoeflichkeit.) (Dolly ueber McNaughtans Schulter blickend:) Der Whisky steht auf der vorletzten Seite. (McNaughtan.) Lass mich zufrieden, Kind. (Dolly.) Kind?... Nein, nein, das geht nicht! Sie koennen mich "Dolly" nennen, wenn Sie wollen; aber Sie duerfen nicht "Kind" zu mir sagen! (Sie haengt sich in Philip ein, und die beiden stehen vor McNaughtan und betrachten ihn wie einen exzentrischen Fremden.) (McNaughtan wischt sich die Stirn in Schmerz und Wut und dennoch sogar durch ihr Spielen mit ihm erleichtert:) McComas, ha! Das wird ein--ein nettes Fruehstueck werden! (McComas kleinmuetig:) Ich sehe nicht ein, aus welchem Grunde es nicht nett werden sollte. (Er blickt aeusserst truebe drein.) (Philip.) Das Gesicht von Finch ist schon allein ein Festessen. (Frau Clandon und Gloria treten aus dem Hotel. Frau Clandon naehert sich mit mutiger Selbstbeherrschung und mit deutlich zur Schau getragenem wuerdigem Benehmen. Sie haelt auf der obersten Stufe inne, um Dr. Valentine anzureden, der ihr gerade in den Weg kommt; Gloria bleibt auch stehen und betrachtet McNaughtan mit einem gewissen Widerwillen.) (Frau Clandon.) Es freut mich, Sie wiederzusehen, Herr Doktor. (Er laechelt. Sie geht weiter und steht McNaughtan gegenueber in der Absicht, ihn mit vollstaendiger Selbstbeherrschung anzusprechen; aber sein Anblick erschuettert sie. Sie haelt ploetzlich inne und sagt aengstlich, mit einem Anflug von Gewissensnot in der Stimme:) Fergus, du hast dich sehr veraendert. (McNaughtan grimmig:) Das will ich meinen! Ein Mann veraendert sich in achtzehn Jahren. (Frau Clandon verwirrt:) So...so habe ich's nich gemeint. Ich hoffe, du bist gesund. (McNaughtan.) Ich danke.--Nein! nicht meine Gesundheit; mein Glueck, da steckt die Veraenderung, die du meinst, nicht wahr? (Ploetzlich ausbrechend:) Sehen Sie sie an, McComas--sehen Sie sie an und--(Halb lachend, halb schluchzend:) und sehen Sie mich an! (Philip.) Sch! (Er zeigt auf den Hoteleingang, wo der Kellner eben erschienen ist:) Still! Haltung vor William! (Dolly beruehrt McNaughtans Arm warnend:) Hm! (Der Kellner geht an den Serviertisch und winkt nach dem Kuecheneingang, aus dem ein Kellnerjunge mit Suppentellern beraustritt, ein Koch mit weisser Schuerze und Kappe folgt ihm mit der Suppenschuessel. Der Kellnerjunge bleibt und serviert, der Koch geht hinaus und kommt von Zeit zu Zeit, die Gaenge auftragend, wieder herein. Er tranchiert, aber er serviert nicht. Der Kellner tritt an das in der Naehe der Stufen gelegene Ende des Fruehstueckstisches.) (Frau Clandon, nachdem sich alle vor dem Tisch vereinigt haben:) Ich glaube, die Herrschaften sind einander heute alle schon begegnet... doch nein, entschuldigen Sie. (Vorstellend:) Herr Dr. Valentine--Herr Rechtsanwalt McComas. (Sie geht an das Ende des Tisches, das dem Hotel zunaechst ist.) Fergus, willst du dich obenan setzen--bitte. (McNaughtan) Ha! (bitter:) Obenan! (Der Kellner haelt ihm den Stuhl mit harmloser Ermutigung hin:) Hier, ich bitte. (McNaughtan fuegt sich und nimmt Platz.) (Der Kellner.) Danke schoen. (Frau Clandon.) Herr Doktor, wollen Sie hier Platz nehmen--(Sie weist auf den Stuhl in der Naehe der Balustrade:) neben Gloria. (Dr. Valentine und Gloria nehmen ihre Plaetze ein, Gloria neben McNaughtan und Dr. Valentine neben Frau Clandon.) Finch, Sie muss ich auf diese Seite setzen, zwischen Dolly und Phil. Wehren Sie sich, so gut Sie koennen. (Die drei nehmen die uebriggebliebene Seite des Tisches ein; Dolly sitzt neben ihrer Mutter, Philip neben seinem Vater und McComas zwischen ihnen. Die Suppe wird aufgetragen.) (Der Kellner zu McNaughtan:) Bouillon oder Suppe? (McNaughtan zu Frau Clandon:) Spricht in dieser Familie niemand ein Tischgebet? (Philip ihn schnell unterbrechend:) Sehen wir erst einmal zu, was wir zu essen und zu trinken bekommen werden.--William! (Der Kellner.) Zu Befehl? (er gleitet leise um den Tisch herum an Philips linke Seite; auf dem Wege fluestert er dem Kellnerjungen zu:) Suppe! (Philip.) Zwei kleine Lager fuer uns Kinder, wie gewoehnlich, und ein grosses fuer diesen Herrn (er zeigt auf Dr. Valentine), eine grosse Flasche Apollinaris fuer Herrn McComas. (Der Kellner.) Zu dienen. (Dolly.) Nehmen Sie etwas Whisky dazu, Finch? (McComas entruestet:) Nein, nein, ich danke! (Philip.) Nummer vierhundertdreizehn, wie immer fuer meine Mutter und Fraeulein Gloria, und--(wendet sich fragend zu McNaughtan:) was nehmen Sie? (McNaughtan muerrisch und im Begriff, beleidigend zu antworten:) Ich-- (Der Kellner honigsuess dazwischentretend:) Es ist schon gut, junger Herr. Wir wissen hier, was Herr McNaughtan liebt. (Er geht ins Hotel.) (Philip seinen Vater ernst betrachtend:) Sie haben also die schlechte Gewohnheit, Wirtshaeuser zu besuchen! (Der Koch, dem ein Kellner mit uebereinandergetuermten heissen Tellern folgt, bringt den Fisch aus der Kueche und beginnt, ihn auf dem Serviertisch zu zerlegen.) (McNaughtan.) Du hast deine Lektion von deiner Mutter gut gelernt. (Frau Clandon.) Phil! bedenke gefaelligst, dass deine Scherze Leute, die nicht daran gewoehnt sind, auf-* zubringen imstande sind und dass dein Vater heute unser Gast ist. (McNaughtan bitter:) Ja, ein Gast an der Spitze meines eigenen Tisches! (Die Suppenteller werden weggenommen.) (Dolly teilnahmsvoll:) Ja, das ist peinlich, nicht wahr? Aber uns ist es ebenso peinlich. (Philip.) Sch! Wir sind beide taktlos. (Zu McNaughtan:) Wir meinen es gut, Herr McNaughtan, aber wir sind noch nicht sehr geuebt in unseren Rollen als Kinder. (Der Kellner kommt aus dem Hotel mit den Getraenken:) William, kommen Sie und stellen Sie das gute Einvernehmen wieder her. (Der Kellner ermunternd:) Mit groesstem Vergnuegen, junger Herr. (Setzt die Getraenke vor:) Ihr kleines Lager; (zu McNaughtan:) Ihr Whisky und Soda, (zu McComas:) Ihr Apollinaris; (zu Dolly:) ein kleines Lager, (zu Frau Clandon, Wein einschenkend.) vierhundertdreizehn, gnaedige Frau; (zu Dr. Valentine:) Ihr grosses Lager; (zu Gloria:) vierhundertdreizehn, gnaediges Fraeulein. (Dolly trinkend:) Auf das Wohl der Familie! (Philip trinkend:) Auf Heim und Herd! (Der Fisch wird herumgereicht.) (McComas mit einem sichtlich erzwungenen Versuch, Familiengemuetlichkeit anzuregen:) Na, nun geht's ja eigentlich doch ganz gut. (Dolly kritisierend:) Eigentlich...? Warum "eigentlich", Finch? (McNaughtan sarkastisch:) Er meint, dass es trotz eures Vaters Anwesenheit doch ganz gut geht.--Habe ich Sie richtig verstanden, Herr McComas? (McComas aus dem Text gebracht:) Nein, nein--ich habe nur "eigentlich" gesagt, um den Satz abzurunden. Ich--ich-- (Der Kellner taktvoll:) Turbot? (McComas ueberaus dankbar fuer die Unterbrechung:) Bitte, Kellner, bitte. (Der Kellner halblaut:) Bitte, bitte. (Er geht an den Serviertisch zurueck.) (McNaughtan zu Philip:) Hast du schon an die Wahl einen Berufes gedacht? (Philip.) Ich sehe mich danach um.--William! (Der Kellner.) Zu Befehl? (Philip.) Was glauben Sie: wie lange muesste ich in die Lehre gehen, um ein wirklich tuechtiger Kellner zu werden? (Der Kellner.) Das kann nicht gelernt werden, junger Herr. Das liegt im Charakter. (Vertraulich zu Dr. Valentine, der etwas zu suchen scheint:) Brot fuer das gnaedige Fraeulein?... Hier, bitte. (Er reicht Gloria Brot und faehrt im bisherigen Tonfall wieder fort:) Sehr wenige sind dazu geboren, junger Herr! (Philip.) Sie haben wohl nicht selbst so etwas wie einen Sohn--was? (Der Kellner.) Jawohl, junger Herr. O ja. (Zu Gloria, seine Stimme wieder senkend:) Noch etwas Fisch, gnaediges Fraeulein? Sie duerften sich nicht viel aus Braten machen zum Fruehstueck. (Gloria.) Nein, ich danke. (Die Fischteller werden weggenommen.) (Dolly.) Ist Ihr Sohn ebenfalls Kellner, William? (Der Kellner bedient Gloria mit Gefluegel:) O nein, gnaediges Fraeulein. Dafuer ist er zu heftig. Er ist vor den Schranken taetig. (McComas goennerhaft:) Schenkkellner--was? (Der Kellner mit einem Anflug von Melancholie; als wenn er sich an eine durch die Zeit gelinderte Enttaeuschung erinnerte:) Nein, gnaediger Herr--andere Schranken, Gerichtsschranken. Ihr Gewerbe, Herr Rechtsanwalt. Koeniglicher Anwalt. (McComas verlegen:) Oh, entschuldigen Sie. (Der Kellner.) Es hat nichts zu bedeuten, gnaediger Herr. Ein sehr begreiflicher Irrtum!--Ich habe schon manchmal gewuenscht, es waere ein Schenkkellner aus ihm geworden! Dann haette er mir nicht halb so lange auf der Tasche gelegen. (Beiseite zu Dr. Valentine, der wieder etwas zu suchen scheint:) Hier ist das Salz, Herr Doktor. (Faehrt wieder fort:) Ja, ich musste ihn bis zu seinem siebenunddreissigsten Jahr erhalten. Aber jetzt geht es ihm gut--recht zufriedenstellend, wirklich! Er plaidiert nicht unter fuenfzig Guineen. (McComas.) Das ist die Demokratie, McNaughtan, die moderne Demokratie! (Der Kellner ruhig:) Nein, nicht die Demokratie, bloss Erziehung, gnaediger Herr--Stipendien, Cambridge, Sidney-Sussex Collegium, gnaediger Herr. (Dolly sieht ihn am Armel; er neigt sich zu ihr, und sie fluestert ihm etwas ins Ohr:) Ingwerbier im Steinkrug, gnaediges Fraeulein? Sofort! (Zu McComas:) Fuer ihn war es ein Glueck, er hatte nie Lust zu wirklicher Arbeit. (Er geht ins Hotel und laesst die Gesellschaft etwas uebermannt von dem vornehmen Stande seines Sohnes zurueck.) (Dr. Valentine.) Wer von uns darf es wagen, diesem Manne noch einen Befehl zu erteilen? (Dolly.) Ich hoffe, er nimmt es mir nicht uebel, dass ich ihn um Ingwerbier geschickt habe. (McNaughtan halsstarrig:) Solange er Kellner ist, ist Aufwarten sein Geschaeft! Wenn ihr ihn behandelt haettet, wie ein Kellner behandelt werden soll, so wuerde er geschwiegen haben. (Dolly.) Das waere jammerschade gewesen! Vielleicht gibt er uns eine Empfehlung an seinen Sohn, der koennte uns doch in die Londoner Gesellschaft einfuehren. (Der Kellner erscheint wieder mit dem Ingwerbier.) (McNaughtan brummt wuetend:) Londoner Gesellschaft,... Londoner Gesellschaft!... Du passest in gar keine Gesellschaft, Kind! (Dolly ihren Gleichmut verlierend:) Wissen Sie, Herr McNaughtan, wenn Sie glauben-- (Der Kellner leise an ihrer Seite.) Ingwerbier, gnaediges Fraeulein. (Dolly abgelenkt, findet ihre gute Laune nach einem tiefen Atemzug wieder und entgegnet sanft:) Ich danke Ihnen, *lieber* William. Sie sind gerade im rechten Augenblick gekommen. (Sie trinkt.) (McComas, macht eine neuerliche Anstrengung, die Unterhaltung in leidenschaftslose Bahnen zu lenken:) Gestatten Sie, dass ich das Thema wechsle, Fraeulein Clandon: welches ist die Landesreligion Madeiras? (Gloria.) Ich glaube, die portugiesische Religion. Ich habe nie danach gefragt. (Dolly.) Zur Fastenzeit kommen die Diener und knien vor der Herrschaft nieder und beichten alles, was sie begangen haben, und die Herrschaften muessen so tun, als ob sie ihnen verziehen.--Geschieht das auch in England, William? (Der Kellner.) Fuer gewoehnlich nicht, gnaediges Fraeulein. Vielleicht in einigen Teilen Englands; aber ich habe noch nichts davon gehoert. (Er faengt einen Blick der Frau Clandon auf, als der Kellnerjunge ihr die Salatschuessel reicht.) Sie wollen ihn unangemacht, gnaedige Frau?--Ja, ja, ich habe welchen fuer Sie. (Zu seinem jungen Kollegen, ihn anweisend, Gloria zu bedienen:) Hier herueber, Joe. (Er nimmt eine Extraportion Salat vom Serviertisch und setzt sie neben Frau Clandons Teller. Waehrend er das tut, bemerkt er, dass Dolly ein saures Gesicht macht.) Nur etwas Brunnenkresse ist irrtuemlicherweise hineingekommen, gnaediges Fraeulein. (Er nimmt ihr den Salat fort:) Entschuldigen Sie. (Zum Kellnerjungen, ihn anweisend, Dolly noch einmal zu bedienen:) Joe! (nimmt das fruehere Thema wieder auf:) Die meisten sind Mitglieder der anglikanischen Kirche, gnaediges Fraeulein. (Dolly.) Mitglieder der anglikanischen Kirche? Wie hoch ist der Jahresbeitrag? (McNaughtan springt zum allgemeinen Entsetzen empoert auf:) Sie sehen, wie meine Kinder erzogen worden sind... da sehen Sie es... Sie hoeren es! Ich rufe Sie alle zu Zeugen auf--(Er wird unverstaendlich und ist im Begriff, mit der Faust auf den Tisch zu schlagen, ohne die Folgen zu beruecksichtigen, als der Kellner ihm ruecksichtsvoll den Teller fortnimmt.) (Frau Clandon fest:) Setze dich, Fergus. Es ist gar kein Anlass zu diesem Auftritt. Du musst bedenken, dass Dolly hier wie eine Auslaenderin ist.--Bitte, setze dich! (McNaughtan unwillig nachgebend:) Ich bin im Zweifel, ob ich mich noch an diesen Tisch setzen soll, wo ich all das mit anhoeren muss. Ich bin wirklich im Zweifel. (Der Kellner.) Kaese, gnaediger Herr?... Oder wuenschen Sie eine kalte suesse Speise? (McNaughtan verwirrt:) Was?... O Kaese--Kaese! (Dolly.) Bringen Sie Zigaretten, William. (Der Kellner.) Hier, gnaediges Fraeulein. (Er nimmt eine Zigarettenschachtel vom Serviertisch und setzt sie neben Dolly, die eine auswaehlt und sich zu rauchen anschickt. Dann gebt er an den Serviertisch zurueck, um Wachshoelzer zu holen.) (McNaughtan starrt Dolly entsetzt an:) Sie raucht?!... (Dolly am Ende ihrer Geduld:) Wahrhaftig, Herr McNaughtan, ich fuerchte, ich verderbe Ihnen das Essen; ich werde meine Zigarette am Strand rauchen. (Sie verlaesst ploetzlich den Tisch und laeuft aergerlich die Stufen hinunter. Der Kellner will ihr die Wachshoelzer geben, aber sie ist fort, bevor er sie erreichen kann.) (McNaughtan wuetend:) Margarete, rufe das Maedel zurueck!... rufe sie zurueck, sag' ich! (McComas versucht Frieden zu stiften:) Gehen Sie, McNaughtan, machen Sie sich nichts daraus! Sie ist die Tochter ihres Vaters, weiter nichts. (Frau Clandon mit tiefem Groll:) Das hoffe ich nicht, Finch. (Sie erhebt sich. Alle erheben sich ein wenig.) Herr Doktor, nicht wahr, Sie entschuldigen mich? Ich fuerchte, Dolly ist ueber diesen Vorfall ganz ausser sich, ich muss zu ihr gehen. (McNaughtan.) Um ihre Partei gegen mich zu ergreifen--was?! (Frau Clandon ihn ignorierend:) Gloria, willst du mich bei Tisch, so lange Ich fort bin, vertreten, liebes Kind? (Sie geht auf die Stufen zu. McNaughtans Augen folgen ihr mit bitterem Hass; die uebrigen beobachten sie in verlegenem Schweigen und fuehlen sich von dem Zwischenfall sehr peinlich beruehrt.) (Der Kellner haelt Frau Clandon am Rande der Stufen auf und bietet ihr eine Schachtel Wachsboelzer an:) Die junge Dame hat die Streichhoelzer vergessen, gnaedige Frau. Wenn Sie so guetig sein wollten, gnaedige Frau-- (Frau Clandon nimmt, durch den Zauber seiner suessen und ermunternden Stimme ueberrascht, den Ton dankbarer Hoeflichkeit an:) Ich danke Ihnen sehr. (Sie nimmt die Wachshoelzer und geht hinab an den Strand.) (Der Kellner zieht seinen Gehilfen durch die Kuechentuer mit sich ins Hotel und ueberlaesst die Gesellschaft sich selbst.) (McNaughtan sich in seinen Stuhl zurueckwerfend:) Eine Mutter nach Ihrem Geschmack, McComas! Eine Mutter nach Ihrem Geschmack! (Gloria standhaft:) Ja--eine gute Mutter! (McNaughtan.) Und ein schlechter Vater--das meinst du doch, was? (Dr. Valentine erhebt sich entruestet und wendet sich zu Gloria:) Fraeulein Clandon, ich-- (McNaughtan wendet sich zu ihm:) Dieses Maedchen heisst McNaughtan, Herr Doktor--nicht Clandon! Wollen Sie sich meiner Familie in den Beleidigungen meiner Person anschliessen? (Dr. Valentine ihn nicht beachtend:) Ich bin ausser mir, Fraeulein Clandon! Es ist meine Schuld--ich habe ihn hergebracht--ich bin fuer ihn verantwortlich, und ich schaeme mich fuer ihn! (McNaughtan.) Was meinen Sie damit? (Gloria erhebt sich; kalt:) Es ist nichts geschehen, Herr Doktor.--Ich fuerchte, wir sind alle ein bisschen kindisch gewesen; unsere Zusammenkunft ist missglueckt. Wir wollen sie abbrechen und Schluss machen. (Sie schiebt ihren Stuhl zur Seite und wendet sich den Stufen zu; als sie an McNaughtan vorbeikommt, fuegt sie mit nachlaessiger Ruhe hinzu:) Adieu, Vater. (Sie geht die Stufen mit kalter, verdriesslicher Gleichgueltigkeit hinab.) (Alle blicken ihr nach und bemerken daher die Rueckkehr des Kellners nicht, der, mit McNaughtans Rock und Dr. Valentines Stock, mit ein paar Schals, Sonnenschirmen und einem weissen Leinensonnenschirm und einigen Feldstuehlen beladen, aus dem Hotel kommt.) (McNaughtan fuer sich, Gloria mit verzerrtem Gesichtsausdruck nachblickend:) Vater--Vater!... (Er schlaegt mit der Faust heftig auf den Tisch:) Jetzt-- (Der Kellner den Ueberzieher anbietend:) Ich glaube, das ist der Ihre, gnaediger Herr. (McNaughtan starrt ihn an, reisst dann den Ueberzieher grob an sich und geht laengs der Terrasse gegen die Gartenbank zu. Er kaempft mit seinem Rock bei seinen aergerlichen Bemuehungen, ihn anzuziehen. McComas erhebt sich und eilt ihm zu Hilfe. Dann nimmt er seinen Hut und Schirm von dem kleinen Eisentisch und wendet sich den Stufen zu. Inzwischen bietet der Kellner, nachdem er McNaughtan mit unveraenderter Suessigkeit fuer die Abnahme des Ueberziehers gedankt hat, etwas von seiner Last Philip an.) (Der Kellner.) Die Sonnenschirme fuer die Damen, junger Herr.--Das Meer blendet heute stark, das ist sehr schaedlich fuer den Teint... Ich werde die Strandstuehle selbst hinuntertragen. (Philip.) Sie sind alt, Vater William, aber Sie sind der aufmerksamste Mensch, den ich kenne.--Nein, behalten Sie die Sonnenschirme und geben Sie mir die Strandstuehle. (Er nimmt sie.) [Footnote: Zitat aus einem Gedicht von Southey.] (Der Kellner mit schmeichlerischer Dankbarkeit:) Zu guetig, junger Herr. (Philip.) Finch, teilen Sie mit mir. (Er gibt ihm welche.) Kommen Sie! (Sie gehen zusammen die Stufen hinunter.) (Dr. Valentine zum Kellner:) Lassen Sie mich auch etwas hinuntertragen. .. einen von diesen. (Er will ihm einen Sonnenschirm abnehmen.) (Der Kellner diskret:) Der gehoert der juengeren Dame, Herr Doktor. (Dr. Valentine ueberlaesst ihn dem Kellner.) Wenn Sie gestatten wollten, so glaube ich, Sie sollten lieber dies hier nehmen. (Er legt den Sonnenschirm auf McNaughtans Stuhl und zieht aus seiner hinteren Fracktasche ein Buch. Ein Damentaschentuch ist zwischen den Blaettern als Lesezeichen eingelegt.) Das ist das Buch, in dem die aeltere junge Dame jetzt gerade liest. (Dr. Valentine ergreift es eifrig.) Danke schoen. Schopenhauer, wie Sie sehen. (Er nimmt die Sonnenschirme wieder auf.) Ein sehr interessanter Autor, Herr Doktor, namentlich was die Damen betrifft. (Er geht die Stufen hinab.) (Dr. Valentine im Begriff, dem Kellner zu folgen, erinnert sich an McNaughtan und aendert seinen Entschluss. Er geht ziemlich aufgeregt zu McNaughtan:) Nein, wirklich, McNaughtan: schaemen Sie sich denn gar nicht? (Mc Naugthan streitsuechtig:) Mich schaemen?... Weshalb? (Dr. Valentine.) Weil Sie sich betragen haben wie ein Baer!... Was wird Ihre Tochter von mir denken, dass ich Sie hergebracht habe? (McNaughtan.) Ich habe noch keine Zeit gefunden, darueber nachzusinnen, was meine Tochter von Ihnen denkt. (Dr. Valentine.) Nein, Sie haben nur an sich gedacht! Sie sind ein krankhafter Egoist! (McNaughtan tiefbekuemmert:) Sie hat Ihnen ja gesagt, was ich bin--ein Vater--ein seiner Kinder beraubter Vater!--Was sind die Herzen dieser Generation?... Muss ich herkommen nach all den Jahren, um zum ersten Male zu sehen, was aus meinen Kindern geworden ist--ihre Stimmen zu hoeren!... und soll mich dabei wie ein richtiger Gast benehmen!... platze zufaellig in das Fruehstueck herein--heisse Herr McNaughtan!... Was fuer ein Recht haben meine Kinder, mit mir so zu sprechen?... Ich bin ihr Vater--leugnen sie es?... Ich bin ein Mann mit allgemein menschlichen Gefuehlen!... Habe ich keine Rechte, keine Ansprueche?... Was fuer Menschen habe ich in all den Jahren um mich gehabt?... Diener, Angestellte, Geschaeftsfreunde!... Aber ich habe ihre Achtung genossen--ja ihre Guete!... Wuerde einer von diesen Leuten so mit mir gesprochen haben, wie dieses Maedchen?... Wuerde einer von denen ueber mich gelacht haben, wie dieser Junge die ganze Zeit ueber mich gelacht hat? (Wild:) Meine eigenen Kinder--Herr McNaughtan! Meine-- (Dr. Valentine.) Aber, aber!... Es sind ja nur Kinder! Das einzige von ihnen, das etwas wert ist, hat Sie "Vater" genannt. (McNaughtan.) Ja, "adieu, Vater"--adieu! O ja! Dies Kind hat sich an mein Herz gewendet--mit einem Dolchstoss. (Dr. Valentine nimmt das sehr uebel auf:) Hoeren Sie, McNaughtan, lassen Sie die in Ruh! Sie hat Sie sehr gut behandelt. Ich habe eine viel schlimmere Stunde beim Fruehstueck zugebracht als Sie. (McNaughtan.) Sie?... (Dr. Valentine mit wachsender Heftigkeit:) Ja--ich! Ich habe neben ihr gesessen und habe waehrend der ganzen Zeit nicht ein einziges Wort mit ihr gesprochen--nicht ein einziges Wort konnte ich finden--und nicht ein Wort hat sie fuer mich gehabt! (McNaughtan.) Nun? (Dr. Valentine.) Nun... nun?... (Spricht sehr ernst und immer schneller:) McNaughtan, wissen Sie, was heute mit mir vorgegangen ist?. .. Sie glauben doch nicht, dass ich die Gewohnheit habe, meinen Patienten so mitzuspielen, wie ich Ihnen heute mitgespielt habe? (McNaughtan.) Hoffentlich nicht. (Dr. Valentine.) Der Grund ist, dass ich entweder voellig verrueckt bin, oder vielmehr frueher nie wirklich im Besitze meines gesunden Menschenverstandes gewesen bin. Jetzt bin ich zu allem faehig--ich bin endlich erwachsen--ich bin ein Mann geworden--und Ihre Tochter ist es, die einen Mann aus mir gemacht hat! (McNaughtan unglaeubig:) Sind Sie in meine Tochter verliebt? (Dr. Valentine, seine Worte ergiessen sich nun in einem wahren Strom von seinen Lippen:) Verliebt?... Unsinn!... Es ist viel mehr und viel hoeher als Liebe... es ist Leben, Glaube, Kraft, Gewissheit, Paradies... (McNaughtan unterbricht ihn mit beissendem Hohn:) Unsinn, Mensch! Was haben (Sie), um eine Frau zu unterhalten?... Sie koennen sie nicht heiraten. (Dr. Valentine.) Wer will sie denn heiraten?... Ich will ihre Haende kuessen, ich will zu ihren Fuessen knien, ich will fuer sie leben, ich will fuer sie sterben... und das soll mir genuegen! Sehen Sie ihr Buch an--sehen Sie! (Er kuesst das Taschentuch:) Wenn Sie mir Ihr ganzes Geld anboeten fuer diese Gegenstaende, die mir als Ausrede dienen, an den Strand hinunterzugehen und mit ihr wieder zu sprechen,--ich wuerde Ihnen nur ins Gesicht lachen. (Er geht uebermuetig gegen die Stufen zu, wo er dem vom Strande heraufkommenden Kellner direkt in die Arme laeuft. Die beiden bewahren einander vor dem Umfallen, indem sie sich gegenseitig eng um den Leib fassen und sich umschlungen herumdrehen.) (Der Kellner zart:) Sachte, Herr Doktor--sachte! (Dr. Valentine ueber seine eigene Heftigkeit unangenehm beruehrt:) Entschuldigen Sie! (Der Kellner.) Bitte, Herr Doktor--bitte. Das ist ganz natuerlich in Ihrem Alter.--Das gnaedige Fraeulein hat mich um ihr Buch heraufgeschickt; duerfte ich mir erlauben, Sie zu bitten, es ihr sofort zu bringen? (Dr. Valentine.) Mit Vergnuegen!--Und wollen Sie mir erlauben, Sie mit der sechswoechentlichen Einnahme eines Zahnarztes zu beschenken... (Er bietet ihm Dollys Fuenf-Schilling-Stueck an.) (Der Kellner, als ob diese Summe seine hoechsten Erwartungen uebertraefe: ) Danke vielmals, Herr Doktor--tausend Dank! (Dr. Valentine stuerzt die Stufen hinunter.) Ein sehr uebermuetiger junger Mann, sehr maennlich und gut gewachsen! (McNaughtan in brummiger Herabsetzung:) Und wird sehr schnell ein Vermoegen machen--zweifellos! Ich weiss, wieviel seine sechswoechentlichen Einnahmen betragen. (Er geht ueber die Terrasse an den eisernen Tisch und setzt sich.) (Der Kellner philosophisch:) Ja, gnaediger Herr, man kann nie wissen... Das ist mein Wahlspruch, wenn Sie guetigst verzeihen wollen, dass ich so ein Ding habe. (Der Philosoph wird einen Augenblick vom zart fuehlenden Kellner zurueckgedraengt:) Sie wissen vielleicht selbst nicht, dass Sie Ihr Getraenk noch nicht beruehrt hatten, als die Gesellschaft aufbrach. (Er nimmt das Glas vom Fruehstueckstisch und setzt es vor McNaughtan hin.) Ja, gnaediger Herr--man kann nie wissen... Sehen Sie nur meinen Sohn: wer haette je gedacht, dass er es dahin bringen wuerde, einen seidenen Talar zu tragen als koeniglicher Anwalt? Und dennoch verdient er heute nicht weniger als sechzig Pfund bei jedem Prozess, gnaediger Herr. Was fuer eine Lehre! (McNaughtan.) Nun, ich hoffe, er ist Ihnen dankbar und weiss, was er Ihnen schuldet. (Der Kellner.) Wir vertragen uns sehr gut--wahrhaftig, sehr gut in Anbetracht der Verschiedenheit unserer Stellungen. (Mit einem zweiten seiner unwiderstehlichen Uebergaenge:) Ein Stueckchen Zucker wird, ohne den Trank merklich zu suessen, die Fadheit des Sodawassers beseitigen. Erlauben Sie, gnaediger Herr. (Er wirft ein Stueckchen Zucker in das Glas:) Aber wie ich ihm sage: worin besteht schliesslich der Unterschied? Ich muss einen Frack anziehen, wenn ich zeigen will, was ich bin, und er muss eine Peruecke und einen Talar anlegen, wenn er zeigen will, was er ist. Wenn mein Einkommen vorwiegend aus Trinkgeldern besteht und ich doch so tun muss, als ob ich nicht darauf aus waere, so besteht sein Einkommen vorwiegend aus Gebuehren, und auch er muss, wie ich wohl verstehe, so tun, als waere er nicht darauf aus. --Wenn er Geselligkeit liebt und ihn sein Beruf in Beruehrung mit allen moeglichen Gesellschaftsklassen bringt, der meine tut das auch. Wenn es fuer einen Advokaten nicht guenstig ist, der Sohn eines Kellners zu sein, so ist es auch fuer einen Kellner nicht guenstig, der Vater eines Advokaten zu sein. Ich versichere Ihnen, es gibt Leute, die darin eine grosse Dreistigkeit sehen!--Kann ich Ihnen sonst noch etwas besorgen, gnaediger Herr? (McNaughtan.) Nein, danke. (Gedemuetigt und bitter:) Ich hoffe, man wird nichts dagegen einzuwenden haben, dass ich hier noch eine Weile sitzen bleibe. Hier stoer' ich jedenfalls nicht die Gesellschaft am Strande. (Der Kellner geruehrt:) Es ist sehr guetig von Ihnen, gnaediger Herr, dass Sie tun, als ob Sie nicht wuessten, dass Ihre Anwesenheit hier eine Auszeichnung und eine Ehre fuer uns alle ist... wirklich sehr guetig! --Je mehr Sie sich hier zu Hause fuehlen, desto gluecklicher werden wir sein. (McNaughtan mit scharfer Ironie:) Zu Hause! (Der Kellner nachdenklich:) Nun ja, gnaediger Herr, das ist auch Ansichtssache. Ich behaupte immer, der grosse Vorzug eines Hotels besteht darin, dass es Schutz bietet vor dem Familienleben. (McNaughtan.) Ich habe diesen Segen heute nicht gehabt. (Der Kellner.) Ja, das haben Sie auch nicht--jawohl, weiss Gott! Immer geschieht das, was man nicht erwartet hat, nicht wahr? (Er schuettelt den Kopf:) Man kann nie wissen, gnaediger Herr--man kann nie wissen! (Er geht ins Hotel.) (McNaughtan stuetzt sein abgehetztes, jammervolles Gesicht mit den hartblickenden Augen in die Haende:) Familie--Familie! (Er legt seine Arme auf den Tisch und neigt den Kopf darauf; aber da er eben jemanden kommen hoert, setzt er sich wieder kerzengerade auf. Es ist Gloria, die allein die Stufen heraufkommt, ihren Sonnenschirm und ihr Buch in Haenden. McNaughtan sieht sie trotzig an. Die brutale Hartnaeckigkeit seines Mundes und die sehnsuechtigen Augen stehen zueinander in pathetischem Widerspruch. Sie geht an das eine Ende der Gartenbank und lehnt sich mit dem Ruecken dagegen und sieht auf McNaughtan herab, wie erstaunt ueber seine Schwaeche. Sie ist zu neugierig auf ihn, um kalt zu bleiben, aber das Verwandtschaftverhaeltniss ist ihr hoechst gleichgueltig:) Nun?... (Gloria.) Ich moechte Sie einen Augenblick sprechen. (McNaughtan sie fest anblickend:) Wirklich? Das ist ueberraschend! Du begegnest deinem Vater nach achtzehn Jahren und du hast wahrhaftig den Wunsch, ihn "einen Augenblick" zu sprechen!--Das ist ruehrend-- wahrhaftig! (Er bleibt sitzen, den Kopf in die Hand gestuetzt, und blickt, in duesteres Nachdenken versunken, hinunter und von ihr fort.)* (Gloria.) Was Sie da sagen, scheint mir alles so unsinnig, so unberechtigt. Was fuer Gefuehle haben Sie von uns erwartet? Was sollen wir fuer Sie tun? Warum sind Sie gegen uns weniger hoeflich als andere Leute?... Sie koennen uns augenscheinlich nicht recht leiden--warum sollten Sie auch?--aber trotzdem sollten wir einander doch begegnen koennen, ohne zu streiten. (McNaughtan, ueber dessen Antlitz ein schwerer grauer Schatten streicht: ) Machst du dir klar, dass ich dein Vater bin? (Gloria.) Vollkommen. (McNaughtan.) Begreifst du, was mir als deinem Vater gebuehrt? (Gloria.) Zum Beispiel--? (McNaughtan erbebt sich, als ob er ein Ungeheuer zu bekaempfen haette:) Zum Beispiel--... zum Beispiel--?... Pflicht--Liebe--Achtung--Gehorsam! (Gloria gibt ihre sorglose Stellung auf und stellt sich ihm schnell und stolz gegenueber:) Ich gehorche nur meinem Sinn fuer das Rechte; ich achte nichts, was nicht edel ist! Das ist meine Pflicht. (Sie fuegt weniger fest hinzu:) Was Liebe anbelangt, so liegt die nicht in meiner Macht--ich glaube nicht, dass ich genau weiss, was Liebe eigentlich ist. (Sie wendet sich, mit sichtlichem Widerwillen gegen dieses Thema, ab und geht an den Fruehstueckstisch, zu einem bequemen Stuhl hin, wo sie ihr Buch und ihren Sonnenschirm niederlegt.) (McNaughtan folgt ihr mit den Augen:) Meinst du wirklich, was du sagst? (Gloria wendet sich um; rasch und streng:) Entschuldigen Sie: aber das ist eine unhoefliche Frage. Ich spreche ernst mit Ihnen und ich erwarte auch, dass Sie mich ernst nehmen. (Sie nimmt einen der Stuehle, wendet ihn fort vom Tisch und setzt sich etwas muede nieder.) Koennen Sie diese Dinge nicht kuehl und vernuenftig besprechen? (McNaughtan.) Kuehl und vernuenftig?... Nein, das kann ich nicht! Verstehst du? Das kann ich nicht! (Gloria mit Nachdruck:) Nein--das kann ich nicht verstehen. Ich habe keine Sympathie fuer-- (McNaughtan faehrt nervoes zusammen:) Halt, sprich nicht weiter! Du weisst nicht, was du tust! Willst du mich toll machen? (Sie runzelt die Stirn, denn sie findet eine solche Laune unertraeglich. Er setzt rasch hinzu:) Nein, ich bin nicht zornig--wirklich nicht! Warte, warte--lass mir nur etwas Zeit, mich zu besinnen. (Er steht einen Augenblick da und runzelt die Stirn und ballt die Haende in seiner Aufregung. Dann nimmt er den Stuhl vom Ende des Fruehstueckstisches und setzt sich neben Gloria. Mit einer ruehrenden Anstrengung, sanft und geduldig zu sein, sagt er:) Ich glaube, jetzt bin ich so weit. Jedenfalls will ich es versuchen. (Gloria fest:) Sehn Sie: alles geht, wenn man es nur energisch zu Ende denkt. (McNaughtan mit ploetzlichem Schreck:) Nein, das tu nicht! Denke nichts--ich will, du sollst fuehlen! Das ist das einzige, was uns helfen kann. Hoere! Weisst du--aber vor allem--ich vergass: wie heisst du eigentlich? Ich meine deinen Kosenamen. Sie koennen dich nicht gut Sophronia nennen. (Gloria mit erstauntem Widerwillen:) Sophronia?...Mein Name ist Gloria. Ich werde immer so genannt. (McNaughtan, dessen Zorn zurueckkehrt:) Dein Name ist Sophronia, Maedchen! Du wurdest nach deiner Tante, meiner Schwester, Sophronia getauft! Sie hat dir deine erst Bibel mit deinem Namen darin geschenkt. (Gloria.) Dann hat mir meine Mutter einen neuen Namen gegeben. (McNaughtan aergerlich:) Sie hatte kein Recht dazu! Ich werde das nicht zugeben! (Gloria.) Sie hatten kein Recht, mir den Namen Ihrer Schwester zu geben. Ich kenne sie nicht einmal. (McNaughtan.) Unsinn! Alles lasse ich mir nicht bieten: das hat seine Grenzen! Ich will das nicht haben--verstehst du? (Gloria erhebt sich; warnend:) Sind Sie entschlossen, in diesem zaenkischen Ton fortzufahren? (McNaughtan entsetzt, bittend:) Nein, nein--setze dich! Willst du? (Sie sieht ihn an und laesst ihn in Ungewissheit. Er zwingt sich, den verhassten Namen auszusprechen:) Gloria! (Sie gibt ihrer Befriedigung mit einer leichten Bewegung der Lippen Ausdruck und setzt sich:) Nun also--du siehst, ich habe nur den Wunsch, dir zu zeigen, dass ich dein Vater bin, mein--mein liebes Kind. (Die Zaertlichkeit ist so klaeglich unbeholfen, dass Gloria gegen ihren Willen laechelt und sich vornimmt, ein wenig nachsichtig zu sein.) Hoere mich an. Was ich dich fragen will, ist folgendes; Entsinnst du dich meiner nicht? Du warst ein ganz kleines Kind, als man dich von mir nahm, aber du konntest schon alles recht gut verstehen. Kannst du dich wirklich an niemanden erinnern, den du geliebt hast, oder-- (schuechtern:) wenigstens auf Kinderart leiden mochtest? Besinnst du dich nicht auf jemanden, in dessen Arbeitszimmer du sein und seine kleinen Schiffe ansehn durftest, die du fuer Spielzeug hieltest? (Er sieht ihr aengstlich in die Augen, als suchte er nach irgendeiner Antwort. Dann faehrt er dringender und weniger hoffnungsvoll fort:) Auf jemanden, der dich tun liess, was du nur wolltest, und dir nie ein boeses Wort gab, dir hoechstens sagte, du solltest still sein und nicht sprechen? Auf jemanden, der dir etwas war, was dir sonst niemand gewesen ist--der dein Vater war! (Gloria ungeruehrt:) Wenn Sie mir das alles noch lange so schildern, dann werde ich mir zweifellos bald einbilden, dass ich mich daran erinnere. Aber tatsaechlich erinnere ich mich an gar nichts. (McNaughtan sehnsuechtig:) Hat deine Mutter dir nie von mir erzaehlt? (Gloria.) Sie hat Ihren Namen mir gegenueber nie erwaehnt. (Er stoehnt unwillkuerlich auf. Sie blickt ihn ziemlich verachtungsvoll an und faehrt fort:) Doch! Ein einziges Mal--und da geschah es, um mich an etwas zu erinnern, was ich auch vergessen hatte. (McNaughtan blickt hoffnungsvoll auf:) An was? (Gloria erbarmungslos:) An die Peitsche, die Sie eigens gekauft hatten, um mich zu schlagen. (McNaughtan mit den Zaehnen knirschend:) Oh! Das aufzutischen, um dich mir zu entfremden, wo du es nie zu wissen brauchtest! (Mit pfeifendem, schmerzhaftem Atem:) Fluch ihr! (Gloria aufspringend:) Sie Elender! (Mit heftigem Nachdruck:) Sie Elender--Sie wagen es, meine Mutter zu verfluchen! (McNaughtan.) Hoer' auf, oder du wirst es noch einmal bereuen! Ich bin dein Vater! (Gloria.) Wie ich dieses Wort hasse! Wie ich das Wort "Mutter" liebe! Es waere besser, Sie gingen. (McNaughtan.) Ich--ich ersticke--du willst mich toeten! Etwas--ich--(Seine Stimme erstickt, er ist einer Ohnmacht nahe.) (Gloria gebt zur Balustrade; kuehl und nicht verlegen um ein Auskunftsmittel, ruft sie zum Strand hinunter:) Doktor Valentine! (Valentine antwortet von unten:) Bitte! (Gloria.) Kommen Sie doch einen Augenblick herauf! Herr McNaughtan braucht Sie. (Sie geht an den Tisch zurueck und schenkt ein Glas Wasser ein.) (McNaughtan seine Sprache wiedererlangend:) Nein! lass mich in Ruhe! Ich brauche ihn nicht. Ich fuehle mich vollkommen wohl! Ich brauche seine Hilfe nicht und deine auch nicht! (Er erhebt sich und rafft sich zusammen.) Du hast recht, es ist besser, wenn ich gehe. (Er setzt seinen Hut auf.) Ist das dein letztes Wort? (Gloria.) Ich hoffe. (Er starrt sie einen Augenblick an, nickt grimmig, als wenn er damit einverstanden waere, und geht ins Hotel. Sie sieht ihm mit gleicher Festigkeit nach, bis er verschwindet. Dann macht sie eine Bewegung der Befreiung und wendet sich zu Dr. Valentine, der die Stufen heraufgelaufen kommt.) (Dr. Va1entine keuchend:) Was ist los? (Er siebt sich um:) Wo ist McNaughtan? (Gloria.) Fort. (Dr. Valentines Gesicht drueckt ploetzliche Freude, Furcht und Durchtriebenheit aus. Er hat eben bemerkt, dass er mit Gloria allein ist. Sie faehrt gleichgueltig fort:) Ich glaubte, er fuehle sich nicht wohl; aber er hat sich wieder erholt. Er wollte nicht auf Sie warten--es tut mir leid. (Sie geht ihr Buch und den Sonnenschlrm holen.) (Dr. Valentine.) Um so besser! Er geht mir ohnedies auf die Nerven nach einer Weile. (Tut so, als ob er sich vergaesse:) Wie kommt dieser Mann nur zu so einer wundervollen Tochter? (Gloria stutzt einen Augenblick und antwortet ihm dann mit hoeflicher, aber absichtlicher Verachtung:) Das scheint der Versuch zu einem Kompliment zu sein. Erlauben Sie mir, Sie gleich darauf aufmerksam zu machen, Doktor, dass Komplimente eine sehr oede Unterhaltung abgeben. Bitte, lassen Sie uns auf eine vernuenftige und gesunde Weise Freunde sein, falls wir Freunde werden sollen. Ich habe nicht die Absicht, mich zu verheiraten; und wenn Sie diese Lage der Dinge nicht annehmen wollen, so waere vorzuziehen, unsere gegenseitige Bekanntschaft nicht fortzusetzen. (Dr. Valentine vorsichtig:) Ich verstehe. Gestatten Sie mir nur eine einzige Frage?--Sind Sie gegen die Ehe als gesellschaftliche Einrichtung im allgemeinen, oder haben Sie nur etwas dagegen, mich persoenlich zu heiraten? (Gloria.) Ich kenne Sie viel zu wenig, Herr Doktor, um ueber Ihre persoenlichen Vorzuege irgendeine Meinung zu haben. (Sie wendet sich mit unendlicher Gleichgueltigkeit von ihm fort und setzt sich mit ihrem Buch auf die Gartenbank:) Ich halte die Bedingungen einer heutigen Ehe nicht fuer solche, die irgendein Weib annehmen koennte, das sich selbst achtet. (Dr. Valentine schlaegt sofort in den Ton herzlicher Aufrichtigkeit um, als ob er Glorias Bedingungen ehrlich annaehme und von ihren Grundsaetzen entzueckt und beruhigt waere:) Oh, da haben wir denn schon einen Punkt gemeinsamer Sympathie! Ich bin ganz Ihrer Ansicht: die heutigen Eheeinrichtungen sind hoechst ungerecht. (Er nimmt seinen Hut ab und wirft ihn froehlich auf den eisernen Tisch.) Nein! ich fuer mein Teil moechte all diesen Unsinn loswerden. (Er setzt sich so unbefangen neben sie, dass sie nicht daran denkt, etwas dagegen einzuwenden, und fuehrt mit Enthusiasmus fort:) Finden Sie es nicht auch entsetzlich, dass ein Mann und eine Frau einander nur zu kennen brauchen, um verdaechtigt zu werden, dass sie Heiratsabsichten haben? Als ob es keine andern Interessen gaebe--keine andern Unterhaltungsmoeglichkeiten-- als wenn die Frauen zu nichts Besserem faehig waeren! (Gloria interessiert:) Ah, nun fangen Sie endlich an, menschlich und vernuenftig zu sprechen, Herr Doktor! (Dr. Valentine mit einem Aufleuchten seiner Augen ueber den Erfolg seiner Jaegerlist:) Selbstverstaendlich! Zwei intelligente Menschen wie wir...! Ist es nicht erfreulich in dieser dummen, von Konventionen gefesselten Welt, einmal mit jemandem auf demselben Boden zusammenzutreffen?... mit einem vorurteilsfreien, aufgeklaerten, hellen Geist? (Gloria ernst:) Ich hoffe, in England vielen solchen Menschen zu begegnen. (Dr. Valentine zweifelbaft:) Hm... Es gibt eine Menge Menschen in England--nahezu vierzig Millionen--es sind nicht alles schwindsuechtige Mitglieder der hochgebildeten Klasse, wie die Leute in Madeira. (Gloria jetzt ganz von ihrem Gegenstand erfuellt:) Oh, in Madeira sind alle Leute dumm und vorurteilsvoll!--Es sind schwache, sentimentale Geschoepfe! Ich hasse Schwaeche; und ich hasse Sentimentalitaet! (Dr. Valentine.) Das ist der Grund, warum Sie so begeistern koennen! (Gloria mit einem leichten Lachen:) Kann ich begeistern? (Dr. Valentine.) Ja. Staerke ist ansteckend. (Gloria.) Schwaeche ist es--das weiss ich. (Dr. Valentine mit Ueberzeugung:) Sie sind stark! Wissen Sie, dass Sie mir heute morgen die Welt ganz umgewandelt haben? Ich war schwermuetig und machte mir Gedanken wegen meiner unbezahlten Miete, beunruhigte mich ueber die Zukunft... da traten Sie ein: ich war geblendet! (Ihre Stirn bewoelkt sich ein wenig. Er faehrt rasch fort:) Das war natuerlich albern--aber wahr und wahrhaftig, es geschah etwas mit mir! Erklaeren Sie es, wie Sie wollen--mein Blut wurde--(er zoegert und sucht nach einem genuegend leidenschaftslosen Wort)--mit Sauerstoff vermengt, meine Muskeln spannten sich, mein Geist klaerte sich, mein Mut wuchs. --Das ist sonderbar, nicht wahr? Wenn man bedenkt, dass ich durchaus kein sentimentaler Mensch bin. (Gloria unbehaglich, erhebt sich:) Gehen wir zurueck an den Strand. (Dr. Valentine zu ihr aufblickend, duester:) Wie? Sie haben das auch? (Gloria.) Was? (Dr. Valentine.) Angst. (Gloria.) Angst?... (Dr. Valentine.) Ja, dass irgend etwas geschehen koennte. Es kam ploetzlich ueber mich, gerade ehe Sie vorschlugen, dass wir weglaufen sollten zu den andern. (Gloria erstaunt:) Das ist sonderbar--sehr sonderbar! Ich hatte dasselbe Gefuehl. (Dr. Valentine.) Wie merkwuerdig! (Er erhebt sich:) Nun, sollen wir fliehen? (Gloria.) Fliehen?... O nein, das waere kindisch! (Sie setzt sich wieder. Er setzt sich neben sie und beobachtet sie mit ernster Sympathie. Nachdenklich und etwas verwirrt fuegt sie hinzu:) Ich wuesste aber zuweilen gern die wissenschaftliche Erklaerung fuer solche gelegentlichen Einbildungen. (Dr. Valentine.) Ja, die moechte ich zuweilen auch gern wissen. Es ist ein merkwuerdig hilfloses Gefuehl--nicht wahr? (Gloria lehnt sich gegen das Wort auf:) Hilflos?... (Dr. Valentine.) Ja. Ist es nicht, als ob die Natur--nachdem sie uns jahrelang erlaubt hat, uns selbst anzugehoeren und zu tun, was wir fuer richtig und vernuenftig halten--ploetzlich ihre grosse Hand erhoebe und uns, ihre zwei kleinen Kinder, am Kragen packte, um uns, gegen unsern Willen, auf ihre eigene Weise fuer ihre eigenen Zwecke dienstbar zu machen? (Gloria.) Ist das nicht etwas phantastisch? (Dr. Valentine mit einem neuen und erstaunlichen Uebergang zu einem Ton aeusserster Sorglosigkeit:) Das weiss ich nicht--ich frage nicht danach! (Vorwurfsvoll losbrechend:) O Fraeulein Clandon--Fraeulein Clandon--wie konnten Sie nur! (Gloria.) Was hab' ich getan? (Dr. Valentine.) Diese Verzueckung in meine Seele schleudern!--Ich bemuehe mich aufrichtig, vernuenftig zu sein--ja wissenschaftlich--wie immer Sie mich wuenschen... aber... aber--Oh, sehen Sie nicht, womit Sie meine Phantasie erfuellt haben?! (Gloria mit empoerter verachtungsvoller Haerte:) Ich hoffe, dass Sie nicht so albern und nicht so gemein sein werden--von... "Liebe" zu sprechen! (Dr. Valentine mit ironischer Eile, eine solche Schwaeche in Abrede zu stellen:) Nein, nein, nein, nicht Liebe! Wir sind zu gescheit, an so was zu denken! Wir wollen es Chemie nennen! Sie koennen nicht leugnen, dass es so etwas wie eine chemische Taetigkeit, eine chemische Wahlverwandtschaft, eine chemische Verbindung gibt. Sie ist die unwiderstehlichste aller Naturkraefte... Nun, Sie ziehen mich unwiderstehlich an--chemisch. (Gloria verachtungsvoll:) Unsinn! (Dr. Valentine.) Natuerlich ist das Unsinn, dummes Maedel! (Gloria weicht mit empoerter Ueberraschung zurueck.) Ja, ein dummes Maedel sind Sie!--Das ist eine wissenschaftliche Tatsache! Sie sind ein eingebildeter Philister--ein weiblicher Philister! Das sind Sie! (Er erhebt sich:) Jetzt sind Sie wahrscheinlich fertig mit mir--fuer immer! (Er geht an den eisernen Tisch und nimmt seinen Hut.) (Gloria setzt sich mit vollendeter Ruhe, wie eine Lehrerin in einer Hochschule, die dem Photograpben sitzt:) Das beweist mir nur, wie wenig Sie meinen wirklichen Charakter verstehen--ich bin nicht im geringsten beleidigt. (Er schweigt und setzt seinen Hut wieder hin.) Ich bin immer bereit, mich von meinen Freunden auf meine Fehler aufmerksam machen zu lassen, Herr Doktor--selbst wenn diese Freunde mich so ungeheuerlich missverstehen wie Sie! Ich habe viele Fehler--sehr grosse Fehler sogar, aber wenn ich etwas nicht bin, so ist es das, was Sie einen Philister nennen. (Sie presst ihre Lippen fest zusammen und blickt ihn standhaft und herausfordernd an, waehrend sie gefasster ist denn je.) (Dr. Valentine kehrt an das Ende der Gartenbank zurueck, um Gloria mit mehr Nachdruck gegenueber zutreten:) O doch, das sind Sie! Mein Verstand sagt es mir--meine Kenntnisse sagen es mir--meine Erfahrung sagt es mir. (Gloria.) Entschuldigen Sie, wenn ich Sie darauf aufmerksam mache, dass Ihr Verstand und Ihr Gefuehl und Ihre Erfahrung nicht unfehlbar sind--ich hoffe es wenigstens. (Dr. Valentine.) Ich muss diesen aber glauben. Es sei denn, Sie wollten, dass ich meinen Augen, meinem Herzen, meinen Instinkten und meiner Einbildungskraft glaube, die mir alle ueber Ihre Person die ungeheuerlichsten Luegen erzaehlen. (Gloria, deren Fassung anfaengt nachzulassen:) Luegen?... (Dr. Valentine hartnaeckig:) Ja, Luegen. (Er setzt sich wieder neben sie.) Oder soll ich vielleicht glauben, dass Sie das schoenste Weib der Erde sind? Erwarten Sie das von mir? (Gloria.) Das ist laecherlich und etwas persoenlich noch dazu. (Dr. Valentine.) Natuerlich ist es laecherlich!--Aber es ist das, was mir meine Augen sagen. (Gloria protestiert mit einer verachtungsvollen Bewegung:) Nein, ich schmeichle Ihnen nicht--ich sage Ihnen doch, dass ich meinen Augen nicht traue. (Sie schaemt sich darueber, dass ihr das auch nicht ganz recht ist.) Erwarten Sie, dass ich hier sitzen und wie ein Kind heulen werde, wenn Sie aus Widerwillen gegen meine Schwaeche nichts von mir wissen wollen? (Gloria beginnt einzusehen, dass sie, um standhaft zu bleiben, kurz und buendig sprechen muss:) Warum sollten Sie das wohl, bitte? (Dr. Valentine laesst absichtlich eine Gefuehlsbewegung in seiner Stimme zittern:) Natuerlich werde ich das nicht! Ich bin kein solcher Esel! --Und doch sagt mir mein Herz, dass ich heulen wuerde--mein naerrisches Herz. Aber ich will ein ernstes Wort mit meinem Herzen reden und es zur Vernunft bringen. Und liebte ich Sie tausendmal, so will ich der Wahrheit dennoch standhaft ins Antlitz sehen... Ist ja doch auch ganz leicht, vernuenftig zu sein... Tatsachen sind Tatsachen. Wo sind wir hier? Nicht im Himmel, sondern im Marine-Hotel! Die Zeit ist nicht die Ewigkeit, sondern halb zwei Uhr nachmittags. Was bin ich? Ein Zahnarzt--ein Fuenf-Schilling-Zahnarzt! (Gloria.) Und ich bin ein weiblicher Philister. (Dr. Valentine leidenschaftlich;) Nein, nein, das kann ich nicht ertragen! Eine Illusion muss mir bleiben--die Illusion ueber Sie! Ich liebe Sie. (Er wendet sich zu ihr, als ob er der Lust, sie zu beruehren, nicht laenger widerstehen koennte. Sie erhebt sich zornig und ist auf der Hut. Er springt ungeduldig auf und tritt einen Schritt zurueck.) Oh, was bin ich fuer ein Narr--was fuer ein Idiot! Sie verstehen mich nicht... Ich koennte ebensogut zu den Steinen am Strand sprechen! (Er wendet sich entmutigt ab.) (Gloria beruhigter infolge seines Rueckzuges und etwas reuig:) Es tut mir leid. Ich moechte nicht teilnahmslos sein, Herr Doktor,--aber was soll ich sagen? (Dr. Valentine kehrt zu ihr zurueck, und an die Stelle seines Sichgehenlassens tritt ein verbindlicher und ritterlicher Respekt:) Sie koennen nichts sagen, Fraeulein Clandon. Verzeihen Sie mir. Ich allein trage alle Schuld--oder richtiger, ich habe eben Pech gehabt. Sehen Sie, es hing alles davon ab, ob Sie mich gern moechten. (Sie ist im Begriff zu sprechen, er unterbricht sie aber mit bittenden Gebaerden: ) Oh, ich weiss--Sie duerfen mir nicht sagen, ob Sie mich gern moegen oder nicht; aber-- (Gloria wappnet sich sofort mit ihren Grundsaetzen:) Ich darf nicht?... Warum nicht?... Ich bin ein freies Weib! Warum soll ich es Ihnen nicht sagen duerfen? (Dr. Valentine weicht aengstlich zurueck; bittend:) Nicht! Ich koennte es nicht ertragen! (Gloria nicht laenger verachtungsvoll:) Sie brauchen sich nicht zu fuerchten. Ich halte Sie fuer sentimental und fuer ein wenig ueberspannt--aber ich habe Sie gern. (Dr. Valentine faellt wie zermalmt in den Eisenstubl:) Dann ist alles vorueber! (Er ist ein Bild der Verzweiflung.) (Gloria naehert sich ihm; verwirrt:) Aber warum denn? (Dr. Valentine.) Weil gernhaben nicht genuegt! Jetzt, wo ich ernstlich darueber nachdenke, weiss ich selbst nicht, ob ich Sie gern habe oder nicht. (Gloria blickt mit erstauntem Interesse auf ihn herab:) Das tut mir leid. (Dr. Valentine. Im Schmerz zurueckgehaltener Leidenschaft:) Oh, bemitleiden Sie mich nicht! Ihre Stimme zerreisst mir das Herz! Lassen Sie mich allein, Gloria. Sie wuehlen mich in meinen tiefsten Tiefen auf, Sie verwirren und beleben mich zugleich!--Ich kann den Kampf dagegen nicht aufnehmen--ich kann es Ihnen nicht sagen-- (Gloria bricht ploetzlich nieder:) Oh, hoeren Sie auf mir zu sagen, was Sie fuehlen: ich kann es nicht ertragen! (Dr. Valentine springt triumphierend auf, seine ersterbende Stimme klingt jetzt stark und jubelnd:) Ah! Er ist endlich gekommen--der Augenblick meines Mutes!--(Er ergreift ihre Haende; sie blickt ihn entsetzt an.) Der Augenblick *unseres* Mutes! (Er ziebt sie an sich, kuesst sie mit ungestuemer Kraft und lacht knabenhaft.) Es ist geschehen, Gloria--es ist alles vorueber--wir sind ineinander verliebt! (Sie kann nur nach Luft ringen.) Aber was fuer ein Ungeheuer waren Sie, und was fuer ein Hasenfuss bin ich gewesen! (Philips Stimme vom Strande rufend:) Doktor Valentine! (Dollys Stimme.) Doktor Valentine! (Dr. Valentine.) Leben Sie wohl... vergeben Sie mir. (Er kuesst ihr rasch die Haende und laeuft zu den Stufen, wo er der heraufkommenden Frau Clandon begegnet. Gloria, ganz verloren, kann ihm nur nachstarren.) (Frau Clandon.) Die Kinder suchen Sie, Herr Doktor. (Sie siebt sich aengstlich um:) Ist er fort? (Dr. Valentine verwirrt:) Er?... (Sich erinnernd:) Oh, McNaughtan! --Der ist schon laengst fort, Frau Clandon. (Er laeuft in gehobener Stimmung die Stiegen hinunter.) (Gloria auf die Bank sinkend:) Mutter! (Frau Clandon stuerzt aengstlich auf sie zu:) Was ist geschehen, mein Kind? (Gloria mit tief bekuemmertem, anklagendem Vorwurf:) Warum hast du mich nicht ordentlich erzogen, Mutter? (Frau Clandon erstaunt:) Kind, ich habe mein moglichstes getan! (Gloria.) Oh, du hast mich nichts gelehrt--gar nichts! (Frau Clandon.) Was ist mit dir? (Gloria mit dem groessten Nachdruck:) Ich schaeme mich--schaeme mich--schaeme mich--(Da sie unertraeglich erroetet, bedeckt sie ihr Gesicht mit den Haenden und wendet sich von ihrer Mutter ab.) (Vorhang) DRITTER AKT (Der Salon der teuern ebenerdigen Wohnung, welche die Clandons im Marinehotel gemietet haben. Eine bis auf den Fussboden reichende zweifluegelige Fenstertuer fuehrt in den Garten. In der Mitte des Zimmers steht ein massiver, von Stuehlen umgebener Tisch, der mit einer kastanienbraunen Decke bedeckt ist. Kostspielig eingebundene Hotel- und Eisenbahnfuehrer liegen darauf. Ein Besucher, der durch die Fenstertuer kaeme und zu diesem Mitteltisch ginge, wuerde den Kamin zu seiner Linken haben und einen Schreibtisch an der Wand zu seiner Rechten, in der Naehe die Tuer, die weiter hinten ist. Er wuerde, wenn dies seiner Geschmacksrichtung entspraeche, die pflaumen- und bronzelackfarbigen Mauerverzierungen von Lincrusta Walton mit Sockel und Kranzgesims und die Goldbronze-Konsolen in den Ecken bewundern koennen. Zu beiden Seiten des Fensters sieben Vasen auf Pfeilerpiedestalen aus gesprenkeltem Marmor mit Untersaetzen aus poliertem schwarzem Holz. Zunaechst der Vase, in der naechsten Naehe des Kamins, steht ein verzierter Schrank, dessen Mittelfach eine Tuer aus Holzmosai[*or i?]k verschliesst und dessen durch gewoelbte Glasscheiben abgerundete Kanten Gestelle mit billigem blauem und weissem Steingutgeschirr schuetzen. Ein Teetisch aus Bambusrohr mit zusammenklappbaren Seitenbrettern steht gegenueber auf der andern Seite des Fensters.--An den Waenden haengen Bilder, gemalte Ozeandampfer und Hunde von Landseer. In einer Linie mit der Tuere, aber auf der andern Seite des Zimmers befindet sich eine Ottomane; auf dem Kaminteppich stehen zwei bequeme dazu passende Stuehle. Ueber dem Fenster ist eine massive Messingstange angebracht, an der ein Paar rotbraune Ripsvorhaenge mit mattgruenen Zierborten haengen. Kurzum, ein Zimmer, das danach eingerichtet ist, den Gefuehlen des Bewohners von seiner eigenen Wichtigkeit zu schmeicheln und ihn mit der taeglichen Ausgabe eines ganzen Pfundes fuer die Benuetzung auszusoehnen.) (Frau Clandon sitzt am Schreibtisch und liest Korrekturen. Gloria lehnt am Fenster und starrt in gequaelter Traeumerei ins Weite. Die Uhr auf dem Kaminsims schlaegt Fuenf mit schwachem Klirren, da die Glocke gegen das marmorne schwarze Ehrengrab, in das sie eingemauert ist, nicht aufkommen kann.) (Frau Clandon.) Fuenf! Ich glaube, wir brauchen nicht laenger auf die Kinder zu warten; sie trinken gewiss ausser Haus Tee. (Gloria muede:) Soll ich klingeln? (Frau Clandon.) Ja, mein Kind. (Gloria geht an den Kamin und klingelt.) (Frau Clandon.) Endlich bin ich mit den Korrekturen fertig. Gott sei Dank! (Gloria durchschreitet das Zimmer unaufmerksam und tritt hinter den Stuhl ihrer Mutter:) Was fuer Korrekturen? (Frau Clandon.) Die neue Auflage der "Frauen des zwanzigsten Jahrhunderts". (Gloria mit einem bittern Laecheln:) Es fehlt noch ein Kapitel. (Frau Clandon beginnt ihre Korrekturen zu durchstoebern:) Glaubst du?... doch nicht. (Gloria.) Ich meine ein ungeschriebenes. Vielleicht werde ich es fuer dich schreiben--sobald ich erst den Schluss weiss. (Sie geht an das Fenster zurueck.) (Frau Clandon.) Gloria! ein neues Raetsel? (Gloria.) O nein! das alte Raetsel. (Frau Clandon verlegen und ziemlich verwirrt, nachdem sie ihre Tochter einen Augenblick beobachtet hat:) Mein Kind-- (Gloria zurueckkommend:) Ja? (Frau Clandon>) Du weisst, dass ich niemals Fragen stelle. (Gloria neben ihrem Stuhl kniend:) Ich weiss, ich weiss! (Sie wirft ploetzlich ihren Arm um den Hals ihrer Mutter und umarmt sie beinahe leidenschaftlich.) (Frau Clandon sanft Laechelnd, aber verlegen:) Aber mein Kind, du wirst ganz sentimental! (Gloria zurueckfahrend:) Nein, nein--o sage das nicht--oh! (Sie erhebt sich und wendet sich mit einer Bewegung von Frau Clandon ab, als ob sie sich losrisse.) (Frau Clandon sanft:) Liebes Kind, was ist geschehen? Was--(Der Kellner kommt mit dem Teebrett herein.) (Der Kellner sanft:) Danach haben Sie wohl geklingelt, gnaedige Frau? (Frau Clandon.) Ja, ich danke. (Sie wendet ihren Stuhl vom Schreibtisch fort und setzt sich wieder.) (Gloria geht an den Kamin und kauert sich dort mit abgewandtem Gesicht in einen Stuhl.) (Der Kellner setzt das Brett einstweilen auf den Mitteltisch:) Das habe ich mir gedacht, gnaedige Frau. Sonderbar, wie die Nerven nachmittags ohne Tee nachzulassen beginnen. (Er holt den Teetisch und setzt ihn vor Frau Clandon bin und spricht dabei:) Der junge Herr und das gnaedige Fraeulein sind eben zurueckgekommen, gnaedige Frau. Sie waren in einem Boote auf dem Meer. Sehr angenehm an einem schoenen Nachmittag wie heute, sehr kraeftigend. (Er nimmt nun das Teebrett vom Mitteltisch fort und setzt es auf den Teetisch.) Herr McComas kommt nicht zum Tee, gnaedige Frau. Er ist fortgegangen, Herrn McNaughtan zu besuchen. (Er nimmt zwei Stuehle und setzt sie rechts und links vom Teetisch hin.) (Gloria blickt auf und fragt entsetzt:) Und der andere Herr?... (Der Kellner verfaellt unbewusst einen Augenblick in die Tonart eines Liedes, das er als Knabe gesungen, beruhigend:) Oh, der kommt, gnaediges Fraeulein--oh, der kommt. Er hat gerudert und ist eben in die Apotheke gelaufen, sich etwas fuer seine wunden Handflaechen geben zu lassen. Aber er muss gleich hier sein, gnaediges Fraeulein! (Gloria erhebt sich in unbezwingbarer Angst und laeuft zur Tuer.) (Frau Clandon sich halb erhebend:) Glo--(Gloria geht hinaus; Frau Clandon starrt den Kellner an, dessen Haltung unbeweglich bleibt.) (Der Kellner heiter:) Sonst noch etwas gefaellig, gnaedige Frau? (Frau Clandon.) Nein, danke. (Der Kellner.) Ich habe zu danken, gnaedige Frau. (Als er sich zurueckziehen will, kommen Philip und Dolly in froehlichster Laune bereingestuermt; er haelt ihnen die Tuer auf, geht dann hinaus und schliesst sie.) (Dolly gierig:) Oh, gib mir schnell etwas Tee! (Frau Clandon schenkt ihr eine Tasse ein.) Wir sind in einem Boot auf dem Meer gewesen. Dr. Valentine wird gleich da sein. (Philip.) Er ist nicht an Seefahrten gewoehnt.--Wo ist Gloria? (Frau Clandon aengstlich, waehrend sie ihm Tee eingiesst:) Phil, mit Gloria ist etwas los. Ist etwas passiert? (Philip und Dolly sehen einander mit unterdruecktem Lachen an.) Was ist es? (Philip setzt sich an ihre linke Seite:) Romeo-- (Dolly setzt sich an ihre rechte Seite:)--und Julia! (Philip nimmt seine Teetasse Frau Clandon ab:) Ja, liebe Mama: die alte, alte Geschichte--Dolly, nimm nicht die ganze Milch. (Er reisst ihr die Kanne geschickt fort.) Ja, im Fruehling-- (Dolly)--kann eines Juenglings Phantasie-- (Philip)--leicht Liebesblueten treiben... Ich danke. (Zu Frau Clandon, die ihm die Biskuits gereicht hat:) Das kommt uebrigens auch im Herbst vor. Diesmal ist der Juengling-- (Dolly.) Doktor Valentine. (Philip.) Und seine Phantasie hat Gloria in einem Masse gehuldigt, dass er sie-- (Dolly)--gekuesst hat-- (Philip.)--auf der Terrasse-- (Dolly ihn verbessernd:)--auf die Lippen--vor allen Leuten! (Frau Clandon unglaeubig:) Phil--Dolly--spasst ihr? (Sie schuetteln den Kopf.) Hat sie es geduldet? (Philip.) Wir haben erwartet, ihn vom Blitze ihrer Verachtung zu Boden geschmettert zu sehen-- (Dolly.)--aber es geschah nichts dergleichen-- (Philip.) Es schien ihr ganz recht zu sein. (Dolly.) Soweit wir es beurteilen konnten... (Sie faellt Philip, der im Begriff ist, sich noch eine Tasse einzugiessen, in den Arm:) Nein, du hast die zweite Tasse abgeschworen! (Frau Clandon sehr beunruhigt:) Kinder, ihr duerft nicht hier sein, wenn Doktor Valentine kommt. Ich muss darueber sehr ernst mit ihm sprechen. (Philip.) Um ihn nach seinen Absichten zu fragen?... Was fuer eine Verletzung der "Grundsaetze des zwanzigsten Jahrhunderts"! (Dolly.) Du hast ganz recht, Mama! Stelle ihn zur Rede. Schlage soviel du nur kannst aus dem neunzehnten Jahrhundert heraus, so lange es dauert. (Philip.) Sch! er kommt! (Dr. Valentine tritt ein:) Ich bedaure sehr, mich verspaetet zu haben, Frau Clandon. (Sie ergreift die Teekanne:) Nein, ich danke, ich trinke niemals Tee. Fraeulein Dolly und Phil haben Ihnen wohl schon erzaehlt, was mir passiert ist. (Philip erhebt sich; wichtig:) Ja, Doktor, wir haben es Mama erzaehlt. (Dolly erhebt sich gleichfalls; bedeutungsvoll:) Wir haben es Mama sehr genau erzaehlt. (Philip.) Es war unsere Pflicht. (Sehr ernst:) Komm, Dolly! (Er bietet Dolly seinen Arm, die sich einhaengt. Sie sehen Dr. Valentine mitleidig an und gehen Arm in Arm ernst hinaus. Dr. Valentine sieht ihnen verwirrt nach, dann blickt er Frau Clandon fragend, wie um eine Erklaerung bittend an.) (Frau Clandon erhebt sich und verlaesst den Teetisch:) Wollen Sie gefaelligst Platz nehmen, Herr Doktor. Ich moechte etwas mit Ihnen besprechen, wenn Sie erlauben. (Dr. Valentine setzt sich langsam auf die Ottamane nieder. Sein Gewissen prophezeit ihm eine schlimme Viertelstunde. Frau Clandon nimmt Philips Stuhl und setzt sich bedaechtig in gemessener Entfernung.) Ich muss zunaechst ein wenig Nachsicht fuer mich erbitten. Ich bin im Begriff, ueber einen Gegenstand zu sprechen, von dem ich sehr wenig, vielleicht gar nichts verstehe. Ich meine--Liebe. (Dr. Valentine.) Liebe! (Frau Clandon.) Ja, Liebe.--Oh, Sie brauchen nicht so beunruhigt dreinzuschauen, Herr Doktor--ich bin nicht in Sie verliebt. (Dr. Valentine ueberwaeltigt:) Wahrhaftig, Frau--(Sich erholend:) Es wuerde mich mehr als stolz machen, wenn Sie es waeren. (Frau Clandon.) Ich danke Ihnen, Herr Doktor; aber ich bin zu alt, jetzt nach damit anzufangen. (Dr. Valentine.) Anzufangen?!... Haben Sie nie--? (Frau Clandon.) Niemals. Mein Schicksal ist sehr alltaeglich gewesen. Ich habe geheiratet, bevor ich alt genug war, zu wissen, was ich eigentlich tat. Wie Sie sich selbst ueberzeugt haben, war die Folge davon eine bittere Enttaeuschung fuer uns beide, fuer meinen Mann und fuer mich. So kommt es, dass ich, trotzdem ich verheiratet bin, niemals verliebt war... ich habe in meinem ganzen Leben keine einzige Liebesangelegenheit gehabt. Und um ganz aufrichtig zu sein, Herr Doktor, was ich von den Liebesangelegenheiten anderer gesehen habe, hat nicht dazu beigetragen, mich diesen Mangel bedauern zu lassen. (Dr. Valentine, der sehr verdriesslich dreinschaut, blinzelt skeptisch nach ihr hin und sagt nichts. Sie erroetet ein wenig und fuegt mit unterdruecktem Aerger hinzu:) Sie glauben mir nicht. (Dr. Valentine bestuerzt, da er seine Gedanken erraten sieht:) Aber, warum denn nicht... warum nicht? (Frau Clandon.) Lassen Sie sich sagen, Herr Doktor, dass ein der Menschheit gewidmetes Leben Begeisterungen bietet und Leidenschaften kennt, die bei weitem die selbstsuechtigen Verblendungen und Sentimentalitaeten eines Liebesromanes uebersteigen. Ihre Begeisterungen und Leidenschaften--sind das nicht, nicht wahr? (Dr. Valentine weiss wohl, dass Frau Clandon ihn deswegen geringschaetzt, und antwortet negativ mit melancholischem Kopfschuetteln.) Ich dachte mir's. --Nun, dafuer bin ich im Nachteil, wenn ich diese sogenannten Herzensangelegenheiten besprechen muss, in denen Sie ein Fachmann zu sein scheinen. (Dr. Valentine unruhig:) Worauf spielen Sie an, Frau Clandon? (Frau Clandon.) Ich glaube, Sie wissen es. (Dr. Valentine.) Gloria? (Frau Clandon.) Ja, Gloria. (Dr. Valentine streckt die Waffen:) Nun ja, ich bin verliebt in Gloria. (Er unterbricht sie, da sie im Begriff ist zu antworten:) Ich weiss schon, was Sie sagen wollen: Ich habe kein Geld. (Frau Clandon.) Ich frage sehr wenig nach Geld, Herr Doktor. (Dr. Valentine.) Dann sind Sie aber ganz anders als alle andern Muetter, die mit mir gesprochen haben. (Frau Clandon.) Ah, nun kommen wir zur Hauptsache, Herr Doktor! Sie sind ein alter Praktikus! (Er oeffnet die Lippen, um zu widersprechen. Sie unterbricht ihn mit einiger Entruestung:) Oh, glauben Sie doch nicht, dass ich nicht genug gesunden Menschenverstand besitze, um zu wissen--so wenig ich von solchen Dingen verstehe--dass ein Mann, der bei einer einzigen Begegnung, mit einer Frau wie meine Tochter so weit kommen konnte, kaum ein Neuling sein kann! (Dr. Valentine.) Ich versichere Ihnen-- (Frau Clandon unterbricht ihn:) Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, Herr Doktor. Es war Glorias Sache, sich selbst zu schuetzen, und Sie haben das Recht, sich nach Gefallen zu unterhalten. (Dr. Valentine protestierend:) Mich unterhalten?... Oh, Frau Clandon! (Frau Clandon unnachgiebig;) Bei Ihrer Ehre, Herr Doktor, meinen Sie es ernst? (Dr. Valentine verzweifelt:) Bei meiner Ehre, ich meine es ernst! (Sie sieht ihn forschend an. Sein Sinn fuer Humor bricht bei ihm durch, und er fuegt verschmitzt hinzu:) Allerdings habe ich es immer ernst gemeint; und dennoch--bin ich hier, wie Sie sehen! (Frau Clandon.) Das ist es gerade, was ich ahnte. (Streng:) Herr Doktor, Sie sind einer von den Maennern, die mit den Gefuehlen der Frauen spielen. (Dr. Valentine.) Warum auch nicht, da doch nur die Sache der Menschheit es verdient, ernst genommen zu werden? Aber ich verstehe. (Er erhebt sich und nimmt seinen Hut; mit foermlicher Hoeflichkeit:) Sie wuenschen, dass ich meine Besuche in Ihrem Hause einstelle. (Frau Clandon.) Nein. Ich bin klug genug zu wissen, dass fuer Gloria die beste Moeglichkeit, Ihnen zu entkommen, die ist, Sie nur besser kennen zu lernen. (Dr. Valentine wirklich beunruhigt:) Oh, sagen Sie das nicht, Frau Clandon! Das glauben Sie doch nicht--nicht wahr, nein? (Frau Clandon.) Ich habe grosses Vertrauen zu der gesunden Schule, die Glorias Geist seit ihrer Kindheit durchgemacht hat. (Dr. Valentine erstaunlich erleichtert:) Oh--oh! oh! dann ist's recht! (Er setzt sich wieder und wirft seinen Hut uebermuetig beiseite, mit der Miene eines Menschen, der nun nichts mehr zu fuerchten hat.) (Frau Clandon empoert ueber seine Sicherheit:) Wie meinen Sie das? (Dr. Valentine wendet sich ihr vertraulich zu:) Soll ich Sie auch etwas lehren, Frau Clandon? (Frau Clandon steif:) Ich bin immer gern bereit zu lernen. (Dr. Valentine.) Haben Sie jemals das Thema Geschuetzkunst--Artillerie, Kanonen, Kriegsschiffe und so weiter--studiert, Frau Clandon? (Frau Clandon.) Hat die Geschuetzkunst irgendwas mit Gloria zu schaffen? (Dr. Valentine.) Sehr viel!--Zur Erlaeuterung naemlich.--Waehrend dieses ganzen Jahrhunderts war der Fortschritt der Artillerie ein Zweikampf zwischen dem Fabrikanten von Kanonen und dem Fabrikanten von kugelsichern Panzerplatten. Man baut ein Schiff, das gegen die besten Geschosse der bekannten Kanonen undurchdringlich ist--da erfindet jemand ein besseres Geschoss und bringt das Schiff zum Sinken. Sofort baut man ein schwereres, gegen die Geschosse der neuen Kanone undurchdringliches Schiff--da erfindet wieder jemand ein noch besseres Geschoss und bringt das Schiff wieder zum Sinken. Und so weiter.--Nun, der Zweikampf der Geschlechter vollzieht sich auf dieselbe Weise. (Frau Clandon.) Der Zweikampf der Geschlechter?... (Dr. Valentine.) Ja. Sie haben doch vom Zweikampf der Geschlechter gehoert, nicht wahr?--Oh, daran habe ich nicht gedacht! Sie sind lange in Madeira gewesen, der Ausdruck ist nach Ihrer Zeit aufgekommen. Brauche ich ihn zu erklaeren? (Frau Clandon verachtungsvoll:) Nein. (Dr. Valentine.) Natuerlich nicht.--Was geschieht denn nun in diesem Geschlechterzweikampf?... Die altmodische Mutter bekam eine altmodische Erziehung, um gegen die Raenke des Mannes geruestet zu sein. Gut. Sie kennen das Resultat. Der altmodische Mann hat sie herumgekriegt. Die altmodische Frau entschloss sich nun, ihre Tochter wirksamer zu wappnen--irgendeine Waffe zu finden, gegen die der altmodische Mann nicht aufkommen koennte. Sie gab ihrer Tochter deshalb eine wissenschaftliche Erziehung--Ihr System! Diese neue Ausruestung hat den altmodischen Mann mattgesetzt: er jammerte, das sei nicht gerecht, unweiblich und weiss Gott was alles. Aber das half ihm nichts, und so musste er seinen altmodischen Angriffsplan aufgeben--Sie wissen ja Bescheid--auf die Knie fallen und Liebe und Gehorsam schwoeren--und so weiter. (Frau Clandon.) Entschuldigen Sie: das hat das Weib geschworen. (Dr. Valentine.) Wirklich?--Sie haben vielleicht recht--ja natuerlich, es war das Weib!--Nun gut. Was hat der Mann getan? Genau dasselbe, was der Kanonengiesser tat--er ging einen Schritt weiter als die Frau, bildete sich wissenschaftlich und schlug sie auf dieser Linie genau so, wie er sie auf der alten Linie geschlagen hatte. Ich war noch nicht dreiundzwanzig Jahre alt und hatte schon gelernt, die frauenrechtlerische Frau herumzukriegen; es ist schon lange her, dass man das herausgefunden hat. Sie sehen, meine Methoden sind gruendlich modern. (Frau Clandon mit ruhigem Widerwillen:) Zweifellos. (Dr. Valentine.) Aber gerade deswegen gibt es eine Maedchensorte, gegen die diese Methode nutzlos ist. (Frau Clandon.) Bitte, welche Sorte ist das? (Dr. Valentine.) Das gruendlich altmodische Maedchen. Wenn Sie Gloria in der ehemals ueblichen Weise erzogen haetten, so wuerde ich achtzehn Monate gebraucht haben, um so weit zu kommen, wie ich heute nachmittag in achtzehn Minuten gekommen bin.--Ja, Frau Clandon: die Frauenemanzipation hat Gloria in meine Haende geliefert, und Sie waren es, die sie den Glauben an die Frauenemanzipation gelehrt hat. (Frau Clandon erhebt sich:) Herr Doktor, Sie sind sehr gescheit. (Dr. Valentine erhebt sich gleichfalls:) Oh, Frau Clandon! (Frau Clandon.) Aber Sie haben mich nichts Neues gelehrt. Adieu. (Dr. Valentine erschrocken:) Adieu?!--Oh, darf ich sie nicht sehen, bevor ich gehe? (Frau Clandon.) Ich fuerchte, sie wird erst zurueckkommen, wenn Sie gegangen sind, Herr Doktor. Sie hat das Zimmer eigens verlassen, um Ihnen auszuweichen. (Dr. Valentine gedankenvoll:) Das ist ein gutes Zeichen. Adieu. (Er verneigt sich und wendet sich offenbar sehr befriedigt zur Tuer.) (Frau Clandon beunruhigt:) Warum halten Sie das fuer ein gutes Zeichen? (Dr. Valentine dreht sich in der Naehe der Tuer um:) Weil ich eine Todesangst vor ihr habe; und es scheint, dass sie eine Todesangst vor mir hat. (Er will nun gehen, steht aber an der Tuerschwelle ploetzlich Gloria gegenueber, die eben eingetreten ist. Sie sieht ihm standhaft ins Auge. Er starrt sie hilflos an, dann suchen seine Blicke Frau Clandon, dann wieder Gloria; er ist vollkommen ausser Fassung.) (Gloria bleich und sich nur muehsam beherrschend:) Mutter, ist es wahr, was Dolly mir gesagt hat? (Frau Clandon.) Was hat sie dir gesagt, mein Kind? (Gloria.) Dass du mit diesem Herrn ueber meine Angelegenheiten gesprochen hast? (Dr. Valentine murmelnd:) Mit diesem Herrn--oh! (Frau Clandon scharf:) Herr Doktor--koennen Sie einen Augenblick schweigen? (Er blickt sie klaeglich an, dann geht er mit einem verzweifelten Achselzucken an die Ottomane zurueck und wirft seinen Hut darauf.) (Gloria betrachtet ihre Mutter vorwurfsvoll:) Mutter, was hattest du fuer ein Recht dazu? (Frau Clandon.) Ich glaube, ich habe nichts gesagt, wozu ich nicht ein Recht gehabt haette, Gloria. (Dr. Valentine bestaetigt das dienstfertig:) Nichts... nicht das geringste. (Gloria sieht ihn mit sprachloser Entruestung an.) Verzeihen Sie. (Er setzt sich beschaemt auf die Ottomane.) (Gloria.) Ich glaube nicht, dass irgend jemand das Recht hat, ueber Dinge auch nur nachzudenken, die mich allein angehen. (Sie wendet sich ab, einen schmerzlichen Kampf mit ihrer Erregung zu verbergen.) (Frau Clandon.) Liebe Gloria, wenn ich deinen Stolz verletzt haben sollte-- (Gloria wendet sieb um:) Mein Stolz--mein Stolz--oh, er ist fort! Ich weiss jetzt, dass ich keine Kraft besitze, auf die ich stolz sein koennte. (Wendet sich wieder ab.) Aber eine Frau, die sich nicht selbst zu beschuetzen weiss, die kann niemand beschuetzen. Niemand ist auch nur berechtigt, es zu versuchen... nicht einmal ihre Mutter! Ich weiss, dass ich dein Vertrauen verloren habe, genau so wie ich die Achtung dieses Mannes verloren habe--(Sie haelt inne, um einen Seufzer zu unterdruecken.) (Dr. Valentine stoehnend:) Dieses Mannes--! (Er murmelt wieder:) Oh!... (Frau Clandon mit gedaempfter Stimme:) Bitte, schweigen Sie, Herr Doktor. (Gloria faehrt fort:)--aber ich bin wenigstens berechtigt, mit meiner Schande allein zu bleiben. Ich bin eins von jenen schwachen Geschoepfen, die geboren sind, um von dem erstbesten Mann, der ein Auge auf sie wirft, gemeistert zu werden, und ich muss mein Schicksal erfuellen. Erspare mir wenigstens die Demuetigung deiner Rettungsversuche. (Sie setzt sich, das Taschentuch an den Augen, an das entferntere Ende des Tisches.) (Dr. Valentine aufspringend:) Hoeren Sie mal-- (Frau Clandon.) Herr Dokt-- (Dr. Valentine unbekuemmert:) Nein! Ich will sprechen! Ich habe nahezu dreissig Sekunden geschwiegen. (Er geht zu Gloria hin:) Fraeulein Clandon-- (Gloria bitter:) Oh--nicht Fraeulein Clandon--Sie wissen ja, dass man es sich ganz gut gestatten darf, mich Gloria zu nennen. (Dr. Valentine.) Nein, ich will das nicht. Sie werden mir es nachher vorwerfen und mich der Missachtung beschuldigen. Es ist eine herzzerreissende Luege, dass ich Sie nicht achte. Es ist wahr, dass ich Ihren frueheren Stolz nicht geachtet habe. Warum sollte ich es auch? Er war nichts als Feigheit. Ich habe Ihren Verstand nicht geachtet--davon besitze ich selbst etwas mehr; er ist eine maennliche Spezialitaet. Aber als Sie mich in meinen Tiefen aufgewuehlt hatten! --als mein grosser Augenblick gekommen war!--als Sie mich tapfer machten!--ah, da, da, da! (Gloria.) Da achteten Sie mich, meinen Sie. (Dr. Valentine.) Nein, das nicht:--da betete ich Sie an! (Sie erhebt sich rasch und wendet ihm den Ruecken zu.) Und diesen Augenblick werden Sie mir niemals nehmen koennen. So--nun ist mir einerlei, was geschieht! (Er geht auf und ab und stoesst einen frohen Ausruf aus, mit dem er sich an niemand besonders wendet:) Ich weiss sehr gut, dass ich Unsinn rede--aber ich kann nicht anders. (Zu Frau Clandon:) Ich liebe Gloria--und damit basta! (Frau Clandon mit Nachdruck:) Herr Doktor, Sie sind ein sehr gefaehrlicher Mensch. Gloria, komm her.(Gloria wundert sich ein wenig ueber diesen Befehl, gehorcht aber und bleibt mit gesenktem Kopf rechts von ihrer Mutter stehen; Dr. Valentine steht auf der andern Seite. Frau Clandon spricht nun mit nachdruecklichem Hohn:) Frage diesen Mann, den du begeistert und tapfer gemacht hast, wie viele Frauen das vor dir getan haben. (Gloria sieht ploetzlich mit einem Aufflammen eifersuechtigen Aergers und Staunens auf.) Wie oft er die Falle gestellt hat, in die du ihm gegangen bist; wie oft er sie mit ganz denselben Redensarten gekoedert hat; wieviel Uebung er als Duellant im Zweikampf der Geschlechter hat, der seinen eigentlichen Lebensberuf ausmacht. (Dr. Valentine.) Das ist nicht recht, Frau Clandon! Sie. nuetzen mein Vertrauen aus! (Frau Clandon.) Frage ihn, Gloria! (Gloria gebt in einem Wutausbruch mit geballten Faeusten auf ihn los:) Ist das wahr?! (Dr. Valentine.) Bitte, seien Sie nicht boese-- (Gloria unterbricht ihn; unerbittlich:) Ist das wahr?! Haben Sie das alles jemals schon gesagt?... haben Sie das alles jemals schon empfunden?... fuer eine andere Frau? (Dr. Valentine geradeheraus:) Ja. (Gloria erbebt ihre geballten Haende.) (Flau Clandon springt entsetzt an ihre Seite und haelt ihre erhobenen Arme auf:) Gloria, liebes Kind--du vergisst dich! (Gloria gibt mit einem tiefen Seufzer ihre drohende Stellung langsam auf:) (Dr. Valentine.) Bedenken Sie: eines Mannes Faehigkeit zur Liebe und zur Bewunderung ist wie jede andere seiner Faehigkeiten: er muss sie oft weggeworfen haben, bevor er wissen kann, was ihrer wirklich wert ist. (Frau Clandon.) Das ist auch eine seiner eingelernten Redensarten. Gloria, nimm dich in acht! (Dr. Valentine sich verwahrend:) Oh! (Gloria zu Frau Clandon, mit verachtungsvoller Selbstbeherrschung:) Glaubst du, dass ich jetzt noch gewarnt zu werden brauche? (Zu Dr. Valentine:) Sie haben versucht, mich dahin zu bringen, Sie zu lieben! (Dr. Valentine.) Jawohl. (Gloria.) Nun, Sie haben damit nur erreicht, dass ich Sie hasse--leidenschaftlich hasse! (Dr. Valentine philosophisch:) Es ist ueberraschend, wie klein doch der Unterschied zwischen Hass und Liebe ist. (Gloria wendet sich entruestet von ihm ab. Er faehrt zu Frau Clandon gewendet fort:) Ich kenne Frauen, die ihre Maenner lieben und sich dabei genau so gegen sie benehmen. (Frau Clandon.) Entschuldigen Sie, Herr Doktor, aber waere es nicht besser, Sie gingen? (Gloria.) Meinetwegen brauchst du ihn nicht fortzuschicken! Er ist mir jetzt nichts mehr und er wird Phil und Dolly amuesieren. (Sie setzt sich mit geringschaetziger Gleichgueltigkeit an den Tisch, in die Naehe des Fensters.) (Dr. Valentine lustig:) So ist's recht! Das ist die vernuenftige Art, es aufzufassen. Gehen Sie, Frau Clandon Sie koennen einem blossen Schmetterling, wie ich es bin, nicht ernstlich boese sein. (Frau Clandon.) Ich habe gar kein Vertrauen zu Ihnen, Herr Doktor; aber ich will nicht annehmen, dass Ihre beklagenswert leichtsinnige Veranlagung einzig schamlos und nichtswuerdig ist-- (Gloria fuer sich, aber laut:) Ja, schamlos und nichtswuerdig! (Frau Clandon.)--Deshalb ist es vielleicht besser, wenn wir Phil und Dolly rufen lassen und Ihnen gestatten, Ihren Besuch auf die uebliche Weise zu beenden. (Dr. Valentine, als wenn sie ihm das groesste Kompliment gemacht haette:) Sie sind zu liebenswuerdig, Frau Clandon--ich danke Ihnen! (Der Kellner tritt ein:) Herr McComas, gnaedige Frau. (Frau Clandon.) O gewiss! ich lasse bitten. (Der Kellner.) Er laesst fragen, ob er Sie nicht im Lesezimmer sprechen duerfte, gnaedige Frau. (Frau Clandon.) Warum nicht hier? (Der Kellner.) Nun, wenn ich es sagen darf, gnaedige Frau: ich glaube, Herr McComas fuehlt, er haette leichteres Spiel, wenn er mit Ihnen in Abwesenheit der juengeren Mitglieder Ihrer Familie sprechen koennte, gnaedige Frau. (Frau Clandon.) Sagen Sie ihm, dass die Kinder nicht hier sind. (Der Kellner.) Sie behalten die Tuer im Auge, gnaedige Frau, und passen scharf auf aus irgendeinem Grunde. (Frau Clandon geht:) Nun gut, so will ich zu ihm gehen. (Der Kellner haelt ihr die Tuer auf:) Ich danke, gnaedige Frau. (Sie geht hinaus. Er kommt ins Zimmer zurueck und begegnet dem Auge Dr. Valentines, der wuenscht, dass er sich entferne.) Sofort, Herr Doktor--nur das Teegeschirr. (Er nimmt das Teebrett:) Entschuldigen Sie, Herr Doktor--ich danke sehr. (Er gebt hinaus.) (Dr. Valentine zu Gloria:) Hoeren Sie! Frueher oder spaeter werden Sie mir verzeihen... verzeihen Sie mir gleich. (Gloria erbebt sich, um ihre Erklaerung an ihn intensiver zu machen:) Niemals! so lange Gras waechst und Wasser fliesst--nie--nie--nie! (Dr. Valentine unerschrocken:) Auch gut. Mich kann nichts ungluecklich machen--ich werde nie wieder ungluecklich sein, nie, nie, nie, so lange Gras waechst und Wasser fliesst!! Der Gedanke an Sie wird mich immer mit jauchzender Freude erfuellen. (Ein hoehnisches Wort ist auf ihren Lippen. Er unterbricht sie rasch:) Nein, das habe ich noch zu keiner gesagt... Das ist das erstemal! (Gloria.) Wenn Sie es der naechsten Frau sagen, wird es nicht zum ersten Male sein! (Dr. Valentine.) O nicht, Gloria, nicht! (Er kniet vor ihr nieder.) (Gloria.) Stehen Sie auf--stehen Sie auf! Wie koennen Sie es wagen? (Philip und Dolly stuerzen, wie gewohnlich um die Wette laufend, ins Zimmer. Sie prallen zurueck, als sie sehen, was vorgeht. Dr. Valentine springt auf.) (Philip diskret:) O entschuldigen Sie.--Komm, Dolly. (Er wendet sich um und will geben.) (Gloria geaergert:) Die Mutter wird gleich wieder da sein, Phil. (Streng:) Bitte, wartet hier auf sie. (Sie geht an das Fenster und sieht, mit dem Ruecken gegen die andern, hinaus.) (Philip bedeutungsvoll:) O wirklich--hm hm... (Dolly.) Aha! (Philip.) Sie scheinen sehr gut aufgelegt zu sein, Doktor? (Dr. Valentine.) Das bin ich auch. (Er tritt zwischen sie:) Nun so hoeren Sie: Sie beide wissen doch, was hier vorgefallen ist, nicht wahr? (Gloria wendet sich rasch um, als ahnte sie eine neue Beleidigung.) (Dolly.) Alles. (Dr. Valentine.) Nun, es ist alles vorbei. Ich wurde abgewiesen--verachtet. Ich werde hier nur noch geduldet. Sie verstehen doch?... es ist alles vorbei. Ihre Schwester will von meinen Huldigungen absolut nichts wissen, sie will nicht einmal geruhen, auch nur das kleinste Interesse fuer mich zu haben. (Gloria ist zufrieden und wendet sich verachtungsvoll wieder zum Fenster.) Ist das klar? (Dolly.) Es geschieht Ihnen recht--Sie haben es gar zu eilig gehabt. (Philip ihm auf die Schultern klopfend:) Machen Sie sich nichts daraus--nicht einmal Ihre Seele waere Ihr Eigentum geblieben, wenn Gloria Sie geheiratet haette. Sie koennen jetzt ein neues Kapitel Ihres Lebens beginnen. (Dolly.) Kapitel siebzehn ungefaehr, nicht wahr? (Dr. Valentine durch diesen Scherz aus dem Text gebracht:) Nein--sagen Sie nicht solche Sachen! Gerade gedankenlose Bemerkungen dieser Art richten das groesste Unglueck an. (Dolly.) O wirklich? Hm hm! (Philip.) Aha! (Er geht an den Kamin und pflanzt sich dort in seiner gesuchtesten Stellung als Haupt der Familie auf.) (McComas, der sehr ernst aussieht, tritt rasch mit Frau Clandon ein, deren erste Sorge Gloria ist. Sie blickt suchend umher und ist im Begriff, zu ihr ans Fenster zu eilen, da kommt ihr Gloria mit deutlichen Zeichen des Vertrauens und der Liebe entgegen. Endlich setzt sich Frau Clandon, Gloria stellt sich hinter ihren Stuhl. McComas wird auf seinem Wege nach der Ottomane von Dolly angerufen.) (Dolly.) Nun, was bringen Sie Gutes... Finch? (McComas duester:) Sehr ernste Nachrichten von Ihrem Vater. Fraeulein Clandon,--sehr ernste Nachrichten. (Er gebt zur Ottomane und setzt sich.) (Dolly, auf die das tiefen Eindruck macht, folgt ihm und setzt sich rechts neben ihn.) (Dr. Valentine.) Vielleicht ist es besser, wenn ich gehe. (Mc Contas.) Um keinen Preis, Herr Doktor! Sie geht die Sache sehr an. (Dr. Valentine nimmt einen Stuhl vom Tisch fort und setzt sich rittlings, ueber den Ruecken gelehnt, in die Naehe der Ottomane.) Frau Clandon, Ihr Mann beansprucht die Aufsicht ueber seine zwei juengeren Kinder, die nicht majorenn sind, fuer sich. (Frau Clandon erschrickt und blickt sich instinktiv sofort nach Dolly um, um zu sehen, ob sie in Sicherheit ist.) (Dolly ergriffen:) Oh, wie nett von ihm! Er hat uns lieb, Mama! (McComas.) Es tut mir leid, Sie darueber eines Besseren belehren zu muessen, Fraeulein Dorothea. (Dolly in Ekstase; girrend:) Dorothee-ee-ee-a! (Lehnt sich ganz ueberwaeltigt an seine Brust:) O Finch! (McComas nervoes wegrueckend:) Nein! nein--nein! nein! (Frau Clandon zurechtweisend:) Liebste Dolly! (Zu Mc Comas:) Laut unserer Trennungsurkunde faellt mir die Aufsicht ueber die Kinder zu. (McComas.) Sie enthaelt auch die Verpflichtung, dass Sie sich ihm weder naehern noch ihn in irgendeiner Weise belaestigen duerfen. (Frau Clandon.) Nun, habe ich das etwa getan? (McComas.) Ob das Benehmen Ihrer juengeren Kinder dem Gesetze nach eine Belaestigung ist, das ist eine Frage, die vielleicht ein Advokat entscheiden muesste. Jedenfalls beklagt sich Herr McNaughtan, nicht nur belaestigt worden zu sein, sondern er behauptet auch, dass er planmaessig hergelockt wurde und dass Herr Dr. Valentine dabei als Ihr Vertreter die Hand im Spiel gehabt hat. (Dr. Valentine.) Was?... wie??... (McComas.) Er behauptet, dass Sie ihn betaeubt haben, Herr Doktor. (Dr. Valentine.) Das habe ich allerdings getan. (Sie sind erstaunt.) (McComas.) Aber zu welchem Zweck? (Dolly.) Um fuenf Schillinge extra zu verdienen! (McComas zu Dolly kurz angebunden:) Ich muss Sie wirklich bitten, Fraeulein Clandon, unsere sehr ernste Unterredung nicht durch ungehoerige Unterbrechungen zu stoeren. (Heftig:) Ich bestehe darauf, dass ernste Angelegenheiten ernst und wuerdig besprochen werden! (Diesem Ausbruch folgt eine um Entschuldigung bittende Stille, die selbst Herrn McComas aus dem Text bringt. Er hustet und beginnt von neuem, sich an Gloria wendend:) Fraeulein Clandon: ich habe ferner die Pflicht, Ihnen zu sagen, dass Ihr Vater auch die Ueberzeugung gewonnen hat, dass Dr. Valentine Sie zu heiraten wuenscht. (Dr. Valentine geschickt unterbrechend:) Ja, das wuensche ich auch. (McComas beleidigt:) Dann duerfen Sie nicht erstaunt sein, Herr Doktor, wenn der Vater der jungen Dame Sie fuer einen Mitgiftjaeger haelt. (Dr. Valentine.) Das bin ich auch! Glauben Sie, dass eine Frau von meinen Einkuenften leben kann? Einen Schilling pro Woche? (McComas empoert:) Ich habe nichts mehr hinzuzufuegen, Herr Doktor. Ich werde zu Herrn McNaughtan zurueckkehren und ihm sagen, dass diese Familie kein Ort fuer einen Vater ist. (Er gebt zur Tuer.) (Frau Clandon mit ruhiger Wuerde:) Finch! (Er bleibt stehen:) Wenn der Herr Doktor nicht ernst sein kann--Sie koennen es. Setzen Sie sich. (Nach einem kurzen Kampf zwischen seiner Wuerde und seiner Freundschaft unterliegt McComas und setzt sich, diesmal zwischen Dolly und Frau Clandon.) Sie wissen so gut wie ich, dass all dies eine Komoedie ist und dass Fergus diese Dinge ebensowenig glaubt wie Sie. Geben Sie mir jetzt einen wirklichen Rat--Ihren aufrichtigen freundschaftlichen Rat. Sie wissen, ich habe Ihrem Urteil immer vertraut. Ich verspreche Ihnen, dass die Kinder sich ruhig verhalten werden. (McComas fuegt sich:) Nun, nun.--Was ich sagen moechte, ist dies. Nach der alten Uebereinkunft zwischen Ihnen und ihm, Frau Clandon, war Ihr Mann furchtbar benachteiligt. (Frau Clandon.) Wieso, wenn ich bitten darf? (McComas.) Nun Sie, eine emanzipierte Frau, waren gewoehnt, die oeffentliche Meinung zu verachten und auf das, was die Welt ueber Sie sagen koennte, keinerlei Ruecksicht zu nehmen. (Frau Clandon stolz darauf:) Ja, das ist richtig! (Gloria beugt sich vor und kuesst ihre Mutter auf die Haare--eine Zustimmung, die sie aeusserst verwirrt.) (McComas.) Andererseits hatte Ihr Mann, Frau Clandon, einen grossen Abscheu vor allem, was ihn in die Zeitungen bringen konnte. Er musste Ruecksicht auf sein Geschaeft sowohl wie auf die Vorurteile seiner altmodischen Familie nehmen. (Frau Clandon.) Seine eigenen Vorurteile nicht zu erwaehnen. (McComas.) Er hat sich ja ohne Zweifel schlecht benommen, Frau Clandon. (Frau Clandon verachtungwoll:) Zweifellos. (McComas.) War es aber ausschliesslich seine Schuld? (Frau Clandon.) War es die meine? (McComas rasch:) Nein, selbstverstaendlich nicht. (Gloria ihn aufmerksam betrachtend:) Das glauben Sie nicht wirklich, Herr McComas. (McComas.) Mein liebes Fraeulein, Sie setzen mir sehr scharf zu, aber ich will Ihnen nur so viel sagen: Wenn ein Mann eine unpassende Ehe eingeht--dafuer kann niemand, wie Sie wissen, das ist oft nur zufaellige Unvereinbarkeit der Geschmacksrichtungen--wenn er durch dieses Unglueck der haeuslichen Liebe beraubt wird, die--wie ich glaube--der Grund ist, warum ein Mann heiratet,--wenn, kurz gesagt, seine Frau schlimmer ist als gar keine Frau--woran sie natuerlich unschuldig sein kann--ist es da gar so erstaunlich, dass er die Dinge zuerst verschlimmert, indem er ihr Vorwuerfe macht und dann in seiner Verzweiflung sogar gelegentlich zu viel trinkt oder anderweitig Sympathie sucht? (Frau Clandon.) Ich habe ihm keine Vorwuerfe gemacht, ich habe einfach mich und die Kinder von ihm befreit. (McComas.) Ja. Aber Sie haben harte Bedingungen gestellt, Frau Clandon. Sie hatten ihn in Ihrer Gewalt--Sie haben ihn in die Knie gedrueckt, als Sie damit drohten, die Sache zu veroeffentlichen, indem Sie die Gerichte um eine gesetzliche Scheidung anriefen. Nehmen Sie an, er haette diese Macht ueber Sie gehabt und dazu benuetzt, Ihre Kinder von Ihnen fortzunehmen und sie so zu erziehen, dass Sie bis auf Ihren Namen vergessen waeren... was wuerden Sie dabei fuehlen?... Was wuerden Sie tun?... Wollen Sie nicht auch seinen Gefuehlen etwas Nachsicht zeigen--? aus reiner Menschlichkeit? (Frau Clandon.) Ich habe nie Gefuehle bei ihm entdeckt. Ich habe sein heftiges Temperament entdeckt und seine--(sie schaudert:) alles uebrige seiner gewoehnlichen Menschlichkeit. (McComas gedankenvoll:) Frauen koennen sehr hart sein, Frau Clandon. (Dr. Valentine.) Das ist wahr! (Gloria zornig:) Schweigen Sie! (Er fuegt sich.) (McComas nimmt seine ganze Kraft zusammen:) Lassen Sie mich eine letzte Bitte aussprechen, Frau Clandon. Glauben Sie mir, es gibt Maenner, die sehr viel Gefuehl, ja Guete haben, die aber unfaehig sind, sie auszudruecken. Was Sie an McNaughtan vermissen, ist jener bloss aeussere Anstrich von Zivilisation, die Kunst, wertlose Aufmerksamkeiten zu erweisen und auf reizende liebenswuerdige Art unaufrichtige Komplimente zu machen. Wenn Sie in London lebten, wo die ganze Gesellschaftsordnung auf falscher Kameradschaftlichkeit aufgebaut ist und Sie mit einem Menschen zwanzig Jahre zusammen sein koennen, ohne herausgefunden zu haben, dass er Sie hasst wie Gift, dann wuerden Ihnen die Augen bald aufgehen. Dort tut man unfreundliche Dinge auf freundliche Art; man sagt Bitterkeiten mit suesser Stimme; man gibt seinen Freunden immer Chloroform, wenn man sie in Stuecke reisst. Aber denken Sie an die Kehrseite der Medaille! Denken Sie an die Leute, die auf unfreundliche Weise Gutes tun--an Leute, deren Beruehrung schmerzt, deren Stimme schneidet, deren Temperament zuweilen mit ihnen durchgeht--die es fertig bringen, Menschen, die sie lieben, zu verletzen und zu quaelen, selbst dann noch, wenn sie sie versoehnen wollen--und die trotzdem ebensoviel Liebe brauchen wie wir andern... McNaughtan hat ein entsetzliches Temperament, ich gebe es zu; er hat keine Manieren, keinen Takt, keine Anmut--er wird nie imstande sein, irgend jemandes Neigung zu gewinnen, wenn dieser nicht seine Sehnsucht danach auf Treu und Glauben hinnimmt. Soll er gar keine Liebe haben, nicht einmal Mitleid?... auch nicht von seinem eigenen Fleisch und Blut? (Dolly ganz geruehrt:) Oh, wie wundervoll, Finch!... wie lieb von Ihnen! (Philip mit Ueberzeugung:) Finch, das nenne ich Beredsamkeit--wahrhaftig Beredsamkeit! (Dolly.) O Mama, geben wir ihm noch eine Chance! Behalten wir ihn zum Essen! (Frau Clandon unbewegt:) Nein, Dolly: ich habe kaum etwas vom Lunch gehabt.--Mein lieber Finch, es ist ganz zwecklos, mit mir ueber Fergus zu sprechen. Sie sind nicht mit ihm verheiratet gewesen--aber ich. (McComas zu Gloria:) Fraeulein Clandon, ich habe bis jetzt davon abgesehen, mich an Sie zu wenden, weil Sie sogar noch unbarmherziger als Ihre Mutter gewesen sind, wenn das wahr ist, was mir McNaughtan gesagt hat. (Gloria trotzig:) Sie wenden sich von der Staerke der Mutter an die Schwaeche der Tochter! (McComas.) Nicht an Ihre Schwaeche, Fraeulein Clandon--ich wende mich vom Verstande der Mutter an das Herz der Tochter. (Gloria.) Ich habe gelernt, meinem Herzen zu misstrauen. (Mit einem zornigen Blick auf Dr. Valentine:) Wenn ich koennte, ich wuerde mir das Herz aus dem Leibe reissen und es fortwerfen. Meine Antwort ist die Antwort meiner Mutter! (Sie tritt zu Frau Clandon und umarmt sie. Aber Frau Clandon, unfaebig, diese Art zur Schau gestellter Neigung zu ertragen, befreit sich, so rasch sie, ohne Glorias Gefuehle zu verletzen, nur kann.) (McComas besiegt:) Nun, das tut mir leid--sehr leid. Ich habe mein Moeglichstes getan. (Er erbebt sich und ist im Begriff, in tiefster Unzufriedenheit fortzugehen.) (Frau Clandon.) Aber was haben Sie denn erwartet, Finch? Was verlangen Sie?... Was sollen wir tun? (McComas.) Vor allem sollten Sie beide, Sie und McNaughtan, das Gutachten eines Advokaten einholen, um zu erfahren, inwieweit McNaughtan durch die Trennungsurkunde gebunden ist. Warum nun nicht dieses Gutachten gelegentlich einer freundschaftlichen (ihr Gesicht wird hart)--oder sagen wir neutralen--Zusammenkunft mit McNaughtan einholen, und zwar am besten sofort? Der Einfachheit und Bequemlichkeit halber schlage ich dieses Hotel vor... Gleich heute abend--was meinen Sie dazu? (Frau Clandon.) Aber woher sollen wir dieses Gutachten so schnell bekommen? (McComas.) Es ist beinahe aus den Wolken auf uns herabgefallen. Auf meinem Rueckwege von McNaughtan hierher begegnete ich einem hervorragenden Rechtsanwalt, einem Manne, dem ich eine Sache vor Gericht anvertraut habe, die ihn zuerst beruehmt gemacht hat. Er bleibt von Samstag bis Montag hier, um Seeluft zu atmen und einen Verwandten, der hier wohnt, zu besuchen. Er war so freundlich, mir sein Erscheinen fuer den Fall zuzusagen, dass es mir gelaenge, eine Zusammenkunft der Parteien zustande zu bringen. Er wird uns mit seinem gewiegten Rat zur Seite stehen.--Lassen Sie uns doch diese Gelegenheit zu einer ruhigen, freundlichen Familienzusammenkunft benuetzen; gestatten Sie mir, meinen Freund herzubringen, und ich will versuchen, auch McNaughtan zum Kommen zu bewegen. Bitte, stimmen Sie zu! Einverstanden? (Frau Clandon nach einem Augenblick der Ueberlegung, bedeutungsvoll:) Finch! ich brauche kein Rechtsgutachten, weil ich die Absicht habe, mich von meinem eigenen Gutachten leiten zu lassen. Ich wuensche nicht, Fergus wieder zu begegnen, weil ich ihn nicht mag und weil ich nicht glaube, dass eine Zusammenkunft irgendwie nuetzen koennte. (Sie erhebt sich:) Aber da Sie die Kinder ueberzeugt haben, dass er nicht ganz hoffnungslos ist, tun Sie, was Ihnen beliebt. (McComas nimmt ihre Hand und schuettelt sie:) Ich danke Ihnen, Frau Clandon.--Passt Ihnen neun Uhr? (Frau Clandon.) Vollkommen.--Phil, klingle, bitte. (Philip klingelt.) Wenn ich aber angeklagt werden soll, mich mit Herrn Dr. Valentine verschworen zu haben, dann wuerde es, glaube ich, besser sein, er waere zugegen. (Dr. Valentine sich erhebend:) Ich bin ganz Ihrer Ansicht. Ich halte meine Anwesenheit fuer aeusserst wichtig. (McComas.) Ich glaube, dagegen ist nichts einzuwenden. Ich hege die groessten Hoffnungen auf eine glueckliche Loesung. Inzwischen leben Sie wohl. (Er gebt hinaus und begegnet dem Kellner, der die Tuer fuer ihn offen haelt.) (Frau Clandon.) Wir erwarten um neun Uhr Besuch, William. Koennten wir nicht schon um sieben Uhr statt um halb acht dinieren? (Der Kellner an der Tuer:) Um sieben, gnaedige Frau? Gewiss, gnaedige Frau. Es wird sogar eine Erleichterung fuer uns sein heut abend, wo so viel zu tun ist. Wir haben Konzert, und die Illumination ist zu arrangieren und sonst noch allerlei, gnaedige Frau. (Dolly.) Illumination! (Philip.) Konzert!--William: was ist denn los? (Der Kellner.) Heute ist Maskenball, gnaediges Fraeulein. (Dolly und Philip stuerzen gleichzeitig auf ihn zu:) Maskenball?! (Der Kellner.) Jawohl, junger Herr. Der Regatta-Klub gibt das Fest zum Besten des Rettungsbootes. (Zu Frau Clandon:) Wir haben oft solche Abende, gnaedige Frau; Lampions im Garten, sehr huebsch, sehr lustig und harmlos--wirklich! (Zu Philip:) Eintrittskarten zu fuenf Schilling bekommt man unten im Bureau, junger Herr. Damen in Herrenbegleitung zahlen die Haelfte. (Philip erfasst seinen Arm, um ihn fortzuziehen:) Fort ins Bureau, William! (Dolly ergreift atemlos seinen andern Arm:) Schnell, bevor alle Karten weg sind! (Sie zerren ihn mit sich weg aus dem Zimmer.) (Frau Clandon.) Um des Himmels willen, was haben sie vor? (Abgehnd:) Ich muss wirklich nachsehen und sie zurueckrufen. (Sie folgt ihnen und spricht im Abgeben weiter.) (Gloria starrt Dr. Valentine kuehl an und sieht dann bedaechtig auf ihre Taschenuhr.) (Dr. Valentine.) Ich begreife, ich bin schon zu lange dageblieben. Ich gehe. (Gloria mit berablassender Foermlichkeit:) Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Ich bin mir bewusst, etwas scharf... vielleicht grob gegen Sie gewesen zu sein. (Dr. Valentine.) Durchaus nicht. (Gloria.) Meine einzige Entschuldigung ist, dass es sehr schwer faellt, jemandem Respekt und Achtung zu bezeugen, dessen wuerdeloser Charakter weder Respekt noch Achtung fordert. (Dr. Valentine prosaisch:) Wie kann ein Mann wuerdevoll auftreten, wenn er verliebt ist? (Gloria durch Valentines Redensart von ihrem bochtrabenden Stil abgebracht:) Ich verbiete Ihnen, mir solche Dinge zu sagen. Es sind Beleidigungen. (Dr. Valentine.) Nein--es sind Torheiten. Aber ich kann nichts dafuer, ich muss sie begehen. (Gloria.) Wenn Sie wirklich verliebt waeren, wuerden Sie nicht toericht sein. Liebe verleiht Wuerde, Ernst, ja sogar Schoenheit. (Dr. Valentine.) Glauben Sie wirklich, dass ich davon schoen werden wuerde? (Sie wendet ihm mit kaeltester Verachtung den Ruecken.) Ah, Sie sehen, dass Sie es nicht ernstlich meinen! Die Liebe kann dem Manne keine neuen Gaben schenken; sie kann nur die Gaben, mit denen er geboren wurde, entwickeln und erhoehen. (Gloria geht wieder zu ihm hin:) Mit welchen Gaben sind Sie geboren, wenn ich bitten darf? (Dr. Valentine.) Mit Leichtigkeit des Herzens. (Gloria.) Und Leichtigkeit des Verstandes--und Leichtigkeit des Glaubens und Leichtigkeit alles dessen, was einen ganzen Mann ausmacht. (Dr. Valentine.) Ja, die ganze Welt gleicht jetzt einer Feder, die im Lichte tanzt--und Gloria ist die Sonne. (Sie erbebt aergerlich den Kopf.) Entschuldigen Sie--ich gehe. Um neun bin ich wieder da. Adieu. (Er laeuft lustig hinaus und laesst sie in der Mitte des Zimmers zurueck. Sie starrt ihm nach.) (Vorhang) VIERTER AKT (Das gleiche Zimmer. Neun Uhr. Niemand ist da. Die Lampen sind angezuendet, aber die Vorhaenge sind nicht zugezogen. Das Fenster steht weit offen, und die Girlanden der Lampions leuchten an den Zweigen der Baeume, darueber ein sternbesaeter Himmel. Das Orchester im Garten spielt Tanzmusik, die die Meeresbrandung uebertoent.) (Der Kellner tritt ein und fuehrt McNaughtan und McComas in das Zimmer. McNaughtan sieht aengstlich und gedrueckt aus. Er setzt sich muede und mutlos auf die Ottomane.) (Der Kellner.) Die Damen sind in den Garten gegangen und sehen sich die Masken an. Wenn Sie einstweilen guetigst Platz nehmen wollten--ich werde sie rufen. (Er ist im Begriff, durch die Fenstertuer in den Garten zu gehen, als ihn McComas aufhaelt.) (McComas.) Halt, einen Augenblick.--Wenn noch ein Herr kommt, fuehren Sie ihn unverzueglich herein. Wir warten auf ihn. (Der Kellner.) Zu Befehl. Darf ich um seinen Namen bitten? (McComas.) Er heisst Boon. Frau Clandon kennt ihn nicht, er wird Ihnen also vielleicht seine Karte geben. Wenn er es tut, so vergessen Sie nicht, dass sein Name B. O. H. U. N.[*] geschrieben wird. [Footnote *: Der Name Bohun wird Boon (spr. Bun) ausgesprochen. Es ist ein hocharistokratischer Name, der auf die Abstammung von den normannischen Eroberern hinweist, die im Jahre 1066 nach England gekommen sind. Der Name Boon ist alltaeglicher. McComas sagt dem Kellner, dass er einen Herrn Bohun erwartet. Da faellt ihm ein, dass der Herr dem Kellner wahrscheinlich seine Karte fuer Frau Clandon geben wird, und da er annimmt, dass William nicht wissen duerfte, dass der Name Bohun auf der Karte "Boon" bedeutet, so macht er ihn aufmerksam, wie der Name buchstabiert wird. (Anm. des Uebers.)] (Der Kellner laechelnd:) Da koennen Sie sich vollkommen auf mich verlassen, gnaediger Herr. Ich heisse selbst Boon, obgleich ich hier fast nur unter dem Namen Balmy Walters bekannt bin. Eigentlich sollte ich auch ein H. U. einfuegen; aber es ist besser, wenn ich mir diese Freiheit nicht herausnehme. Meine Name wuerde dann auf Normannenblut hindeuten, gnaediger Herr--und Normannenblut ist keine Empfehlung fuer einen Kellner. (McComas.) Gut, gut. "Treue Herzen sind mehr wert als Adelskronen, und schlichte Ehrlichkeit mehr als Normannenblut."[*] (Der Kellner.) Das haengt zum grossen Teil von der Stellung ab, die man im Leben einnimmt. Wenn Sie Kellner waeren, wuerden Sie bald finden, dass Ehrlichkeit und Treue Ihnen ebensowenig helfen koennen wie Normannenblut. Ich finde es am zweckmaessigsten, wenn ich meinen Namen B. OO. N. schreibe und meinen Verstand moeglichst zusammennehme.--Aber ich halte Sie auf; verzeihen Sie mir--Ihre Leutseligkeit ist selbst schuld daran. Ich werde den Damen sagen, dass Sie hier sind, gnaediger Herr. (Er geht durch die Fenstertuer in des Garten hinaus.) (McComas.) McNaughtan, ich kann mich auf Sie verlassen, nicht wahr? (McNaughtan.) Ja, ja; ich werde ruhig bleiben; ich werde geduldig sein; ich werde mein Moeglichstes tun. (McComas.) Bedenken Sie, ich habe Sie nicht preisgegeben. Ich habe Ihrer Familie gesagt, dass sie ganz allein Schuld an allem truege. (McNaughtan.) Mir haben Sie gesagt, dass ich einzig und allein der Schuldige waere. (McComas.) Ihnen habe ich die Wahrheit gesagt. (McNaughtan klagend:) Wenn die Kinder nur gerecht gegen mich sein werden! (McComas.) Mein lieber McNaughtan, sie werden nicht gerecht gegen Sie sein--in ihrem Alter ist das von ihnen gar nicht zu verlangen. Wenn Sie fortfahren, solche unmoegliche Bedingungen zu stellen, dann koennen wir nur ebensogut gleich wieder nach Hause gehen. (McNaughtan.) Aber ich habe doch sicher das Recht-- [Footnote *: Ein Zitat aus Tennysons "Lady Clara Vere de Vere."] (McComas ungeduldig:) Sie werden Ihr Recht nicht durchsetzen.--Jetzt frage ich Sie aber ein fuer allemal, McNaughtan: sollte Ihr Versprechen, sich gut zu benehmen, nur bedeuten, dass Sie nicht ohne Anlass aufbrausen wuerden? In diesem Falle... (Er bewegt sich, als ob er geben wolle.) (McNaughtan jaemmerlich:) Nein nein, lassen Sie mich doch! Ich bin genug herumgestossen und gequaelt worden--ich verspreche Ihnen, mein Moeglichstes zu tun. Aber wenn dieses Maedchen sich wieder erlauben wird, mit mir so zu sprechen und mich so anzusehen--(Er bricht ab und vergraebt den Kopf in die Haende.) (McComas beschwichtigend:) Na na, es wird schon alles gut werden, wenn Sie nur dulden und sich gedulden wollen. Nehmen Sie sich zusammen, es kommt jemand. (McNaughtan ist zu sehr entmutigt und niedergeschlagen, sich viel daraus zu machen, er veraendert seine Stellung kaum.) (Gloria kommt aus dem Garten. McComas geht ihr bis an die Fenstertuer entgegen, so dass er zu ihr sprechen kann, ohne von McNaughtan gehoert zu werden.) (McComas.) Hier ist Ihr Vater, Fraeulein Clandon. Seien Sie gut zu ihm. Ich will Sie einen Augenblick mit ihm allein lassen. (Er geht in den Garten.) (Gloria tritt ein und geht kuehl bis in die Mitte des Zimmers.) (McNaughtan blickt sich betroffen um:) Wo ist McComas? (Gloria gleichgueltig, aber nicht unliebenswuerdig:) Hinausgegangen, um uns allein zu lassen. Wahrscheinlich aus Zartgefuehl. (Sie bleibt neben ihm stehen und siebt ihn sonderbar an:) Nun, Vater? (McNaughtan eine Art Galgenhumor durchbricht seine Hilflosigkeit:) Nun, Tochter? (Sie betrachten einander einen Augenblick mit melancholischem Humor. (Gloria.) Reichen wir uns die Haende. (Sie reichen einander die Haende.) (McNaughtan ihre Hand haltend:) Mein liebes Kind, ich habe mich heute nachmittag leider zu sehr ungehoerigen Worten ueber deine Mutter hinreissen lassen. (Gloria.) O bitte, entschuldigen Sie sich nicht. Ich bin heute selbst sehr hochmuetig und eingebildet gewesen; ich bin seitdem zur Vernunft gekommen--o ja, ich bin zur Vernunft gebracht worden! (Sie setzt sich neben seinen Stuhl auf den Boden.) (McNaughtan.) Was ist dir zugestossen, mein Kind? (Gloria.) O sprechen wir nicht davon! Ich habe mich als die Tochter meiner Mutter aufgespielt, aber das bin ich nicht. Ich bin die Tochter meines Vaters. (Sieht ihn an; scherzend:) Das ist ein tiefer Sturz--nicht wahr? (McNaughtan aergerlich:) Was! (Sie behaelt ihren wunderlichen Ausdruck bei. Er streckt die Waffen:) Nun ja, liebes Kind, ich nehme an, dass du recht hast... es wird wohl so sein. (Sie nickt liebenswuerdig.) Ich fuerchte, ich bin manchmal etwas reizbar, aber ich weiss immer, was recht und billig ist, selbst wenn ich nicht danach handle... Kannst du das glauben? (Gloria.) Das glauben?... Das ist doch ganz mein Fall--auf ein Haar! Ich weiss auch stets, was recht ist und meiner wuerdig und stark und edel--genau so gut, wie sie es weiss. Aber, ach! ich tue Dinge... und ich gestatte anderen Leuten, Dinge zu tun--! (McNaughtan etwas muerrisch, gegen seinen Willen:) "So gut, wie sie es weiss"... du meinst deine Mutter!... (Gloria rasch:) Ja, meine Mutter. (Sie wendet sich auf den Knien zu ihm hin und ergreift seine Haende.) Nun hoeren Sie mich an: keinen Verrat an ihr--kein Wort--keinen Gedanken gegen sie! Sie steht ueber uns--ueber Ihnen und mir--himmelhoch ueber uns!--Sind Sie damit einverstanden? (McNaughtan.) Ja ja, ganz wie du willst, mein liebes Kind. (Gloria ist nicht befriedigt, laesst seine Haende los und zieht sich von ihm zurueck:) Sie moegen sie nicht? (McNaughtan.) Mein Kind, du bist nicht mit ihr verheiratet gewesen--aber ich! (Sie steht langsam auf und betrachtet ihn mit wachsender Kaelte.) Sie hat mir ein grosses Unrecht zugefuegt, indem sie mich heiratete, ohne mich wirklich zu lieben.--Aber nachher war alles Unrecht auf meiner Seite, das glaube ich selbst. (Er reicht ihr wieder die Hand.) (Gloria ergreift sie; fest und warnend:) Nehmen Sie sich in acht--das ist ein gefaehrliches Thema. Mit meinen Gefuehlen, meinen elenden, feigen, weiblichen Gefuehlen--kann ich auf Ihrer Seite stehen; aber mit meinem Gewissen stehe ich auf der Seite meiner Mutter. (McNaughtan.) Ich bin mit dieser Teilung sehr zufrieden, liebes Kind. Ich danke dir. (Dr. Valentine tritt ein, Gloria wird sofort vorsaetzlich hochmuetig.) (Dr. Valentine.) Entschuldigen Sie, aber es ist mir nicht gelungen, einen Diener zu finden, mich anzumelden. Selbst der unfehlbare William scheint auf dem Maskenball zu sein. Ich waere auch gern hingegangen, mir fehlen aber die fuenf Schillinge fuer eine Eintrittskarte.--Wie geht es Ihnen, McNaughtan? Besser--was? (McNaughtan.) Ja, ich bin wieder Herr meiner Sinne, Doktor, ohne Ihnen dafuer Dank schuldig zu sein. (Dr. Valentine.) Was sagen Sie zu Ihrem undankbaren Vater, Fraeulein Clandon? Ich habe ihn von einem qualvollen Schmerz befreit, und er beschimpft mich dafuer. (Gloria kalt:) Ich bedaure, dass meine Mutter nicht da ist, Sie zu empfangen; es fehlen noch ein paar Minuten an neun, und der Herr, von dem Herr McComas sprach, der Rechtsanwalt, ist noch nicht gekommen. (Dr. Valentine.) Doch, doch--ich bin ihm begegnet und habe ihn gesprochen. (Mit lustiger Bosheit:) Der wird Ihnen gefallen, Fraeulein Clandon--er ist der Verstand in Person; man kann sein Gehirn foermlich arbeiten hoeren. (Gloria ignoriert die Stichelei:) Wo ist er? (Dr. Valentine.) Er hat sich eine falsche Nase besorgt und ist auf den Maskenball gegangen. (McNaughtan knurrig, sieht auf seine Uhr:) Es scheint, dass alle auf diesen Maskenball gegangen sind, statt die festgesetzte Stunde unserer Zusammenkunft einzuhalten. (Dr. Valentine.) Oh, er wird puenktlich erscheinen--ich traf ihn schon vor einer halben Stunde. Ich mochte ihn nicht um fuenf Schillinge anpumpen und ihn begleiten, deshalb schloss ich mich dem Volke an und habe vor dem Gitter so lange zugesehen, bis Fraeulein Clandon durch diese Glastuer ins Hotel getreten war. (Gloria.) So weit ist es also gekommen: Sie folgen mir oeffentlich, um mich anzustarren? (Dr. Valentine.) Ja. Man sollte mich anketten. (Gloria wendet ihm den Ruecken zu und geht an den Kamin. Er begegnet dieser verachtungsvollen Behandlung mit Gleichgueltigkeit und begibt sich auf die entgegengesetzte Seite des Zimmers.) (Der Kellner erscheint an der Fenstertuer und fuehrt Frau Clandon und McComas herein.) (Frau Clandon hereineilend:) Ich bedaure unendlich, dass ich Sie alle habe warten lassen! (Ein majestaetischer Fremder, dem ein Domino, eine falsche Nase und eine Schielbrille ein groteskes Aussehen verleihen, erscheint in der Glastuer.) (Der Kellner zu dem Fremden:) Verzeihen Sie, Herr--aber das ist eine Privatwohnung. Wenn Sie erlauben, will ich Ihnen die American-Bar und die Speisesaele zeigen. Hier, wenn ich bitten darf! (Er tritt in den Garten zurueck und zeigt den Weg in der Ueberzeugung, dass der Fremde ihm folgen werde. Der Riese geht jedoch direkt bis an das Ende des Tisches vor, wo er mit ausdrucksvoller Gemaechlichkeit zuerst die falsche Nase und dann den Domino ablegt, die Nase in diesen einrollt und das Buendel auf den Tisch wirft, etwa wie ein Preisboxer seinen Handschuh fortschleudert. Man erkennt jetzt einen starken grossen Mann, zwischen Vierzig und Fuenfzig. Er ist glattrasiert und von einer Blaesse, die durch naechtliches Studium verursacht ist und die durch das steife schwarze Haar, das kurzgeschoren und geoelt ist, noch verstaerkt wird. Seine Augenbrauen gleichen den Rosshaarmoebeln des frueheren Viktorianischen Zeitalters. Er ist ein physisch und geistig grobkoerniger, schlauer und mit allen Hunden gehetzter Mensch. Sein Auftreten ist recht imponierend und beunruhigend. Wenn er spricht, so erhoeht seine maechtige, drohende Stimme, seine eindrucksvolle Redeweise, seine kraeftige unerbittliche Manier und die unterjochende Macht seiner aeusserst kritischen Art zuzuhoeren noch den Eindruck, den er hervorruft, bis zum Furchterregenden.) (Der Fremde.) Mein Name ist Bohun. (Allgemeine Ehrfurcht.) Habe ich die Ehre, mit Frau Clandon zu sprechen? (Frau Clandon verbeugt sich, Bohun verbeugt sich.) Fraeulein Clandon? (Gloria verbeugt sich, Bohun verbeugt sich.) Herr Clandon? (McNaughtan besteht so aergerlich, als er es nur immer wagt, auf seinem wahren Namen:) Ich heisse McNaughtan! (Bohun.) O wirklich? (Ohne weiter von ihm Notiz zu nehmen, wendet er sich zu Dr. Valentine:) Sind Sie Herr Clandon? (Dr. Valentine, der sich etwas darauf zugute tut, sich nicht imponieren zu lassen:) Sehe ich danach aus?--Ich heisse Valentine. Ich bin der, der ihn betaeubt hat. (Bohun.) Ach so. Dann ist Herr Clandon noch nicht anwesend? (Der Kellner kommt aengstlich durch die Fenstertuer herein:) Verzeihen Sie, gnaedige Frau, aber koennen Sie mir vielleicht sagen, was aus diesem--(Er erkennt Bohun und verliert seine ganze Selbstbeherrschung. Bohun wartet unbeweglich, bis sich der Kellner wieder gefasst hat. Nachdem er eine ruehrende Verwirrung nur Schau getragen hat, rafft er sich soweit auf, Bohun mit schwacher, aber zusammenhaengender Stimme anzusprechen:) Entschuldige... warst... warst du das? (Bohun ohne Gewissensbisse:) Ich war es. (Der Kellner gebrochen:) Ja. (Unfaehig seine Traenen zurueckzuhalten:) *Du* mit einer falschen Nase, Walter! (Er sinkt fast ohnmaechtig vor dem Tisch in einen Stuhl.) Verzeihen Sie, gnaedige Frau--ein kleiner Schwindelanfall. (Bohun befehlend:) Sie werden ihm verzeihen, Frau Clandon, wenn ich Ihnen sage, dass er mein Vater ist. (Der Kellner mit gebrochenem Herzen:) O nein, nein, Walter--dein Vater ein Kellner... und dazu noch die falsche Nase... was werden sie von dir denken! (Frau Clandon geht zu William hin; dann in der liebenswuerdigsten Weise: ) Ich bin entzueckt, das zu hoeren, Herr Justizrat. Ihr Vater ist uns waehrend der ganzen Zeit unseres Hierseins ein sehr guter Freund gewesen. (Bohun verneigt sich ernst.) (Der Kellner den Kopf schuettelnd:) O nein, gnaedige Frau! Sie sind zu guetig--sehr vornehm und gnaedig, wahrhaftig! Aber ich fuehle mich sehr verlegen, sobald ich nicht in meinem eigenen Tun und Lassen bin... Entschuldigen Sie, dass ich der Vater dieses Herrn bin. Es ist doch schliesslich nur der Zufall der Geburt--nicht wahr, gnaedige Frau? (Er erhebt sich, schwach:) Bitte, verzeihen Sie, dass ich Sie gestoert habe. (Mit nach der Tuer gerichteten Augen schleicht er von Stuhl zu Stuhl am Tisch entlang.) (Bohun.) Einen Augenblick! (Der Kellner haelt inne, sein Mut sinkt.) Nicht wahr, Frau Clandon, mein Vater war Zeuge dessen, was sich heute zugetragen hat? (Frau Clandon.) Ich glaube, ja, groesstenteils. (Bohun.) Dann werden wir ihn brauchen. (Der Kellner bittend:) Ich hoffe, es wird nicht noetig sein. Ich habe heute abend infolge des Maskenballes sehr viel zu tun--wirklich sehr viel zu tun! (Bohun unerschuetterlich:) Wir werden dich brauchen! (Frau Clandon hoeflich:) Bitte, nehmen Sie Platz. (Der Kellner ernst:) Oh--bitte, bitte, gnaedige Frau! Ich darf mich nicht setzen, ich muss eine Grenze ziehen; ich duerfte nicht gesehen werden, wenn ich so etwas taete, gnaedige Frau. Ich danke Ihnen trotzdem. (Er blickt mit einem verstoerten Gesicht, das ein Herz von Stein ruehren muesste, alle Anwesenden der Reibe nach an.) (Gloria.) Verlieren wir unsere Zeit nicht. William wuenscht nur, uns weiter gut bedienen zu duerfen. Ich haette gern eine Tasse Kaffee. (Der Kellner wird sichtlich heiterer:) Kaffee, gnaediges Fraeulein? (Er stoesst einen kleinen Seufzer der Hoffnung aus.) Zu Befehl, gnaediges Fraeulein. Das ist sehr zeitgemaess und richtig. (Zu Frau Clandon, furchtsam, aber erwartungsvoll:) Womit kann ich Ihnen dienen, gnaedige Frau? (Frau Clandon.) O ja--es ist hier sehr heiss. Ich glaube, wir koennten eine Rotweinbowle trinken. (Der Kellner strahlend:) Rotweinbowle, gnaedige Frau? Gewiss, gnaedige Frau! (Gloria.) Oh, dann will ich auch lieber Rotweinbowle statt Kaffee. Geben Sie etwas Gurke hinein. (Der Kellner entzueckt:) Gurke, gnaediges Fraeulein--ja! (Zu Bohun:) Haben Sie einen besonderen Wunsch, Herr? Sie moegen keine Gurke. (Bohun.) Wenn Frau Clandon mir gestattet, so nehme ich einen schottischen Whisky mit Soda. (Der Kellner.) Sehr wohl! (Zu McNaughtan:) Irischen Whisky fuer Sie--nicht wahr, Herr McNaughtan? (McNaughtan stimmt mit einem Grunzen zu. Der Kellner sieht Dr. Valentine fragend an.) (Dr. Valentine.) Ich mag gern Weinbowle mit Gurke. (Der Kellner.) Zu Befehl. (Zusammenzaehlend:) Weinbowle--einen schottigen Whisky mit Soda--und einen irischen. (Frau Clandon.) Ich glaube, das ist alles. (Der Kellner wieder er selbst:) Zu Befehl, gnaedige Frau--sofort! (Er tummelt sich durch die Fenstertuer hinaus und hat die ganze Stufenleiter der menschlichen Glueckseligkeit in wenig mehr als zwei Minuten durchlebt.) (McComas.) Ich glaube, jetzt koennen wir anfangen. (Bohun.) Es waere besser, wir warteten noch auf Frau Clandons Mann! (McNaughtan.) Wen meinen Sie? Ich bin ihr Mann! (Bohun schlaegt sofort seine Krallen in den Widerspruch, zwischen dieser und der frueheren Behauptung:) Sie haben doch eben behauptet, dass Sie McNaughtan heissen! (McNaughtan.) So heisse ich auch. /* (Frau Clandon) ) (alle vier) ( Ich-- (Gloria) ) (sprechen) ( Meine-- (McComas) ) (gleichzeitig:) ( Frau-- (Dr. Valentine)) ( Sie-- */ (Bohun bringt mit zwei Donnerworten alle zum Schweigen:) Einen Augenblick! (Toedliches Schweigen.) Bitte, erlauben Sie mir. Setzen Sie sich alle! (Sie gehorchen demuetig. Gloria nimmt den Satteltaschenstubl vom Kamin. Dr. Valentine schleicht nach der dem Fenster gegenueberstehenden Ottomane, von der aus er Gloria sehen kann. McNaughtan setzt sich mit dem Ruecken gegen Dr. Valentine auch auf die Ottomane. Frau Clandon, die sich die ganze Zeit moeglichst auf der entgegengesetzten Seite des Zimmers zu schaffen gemacht hat, um McNaughtan auszuweichen, setzt sich in die Naehe der Tuer. Links von ihr sitzt McComas. Bohun setzt sich wie ein Richter an die Ecke des Tisches auf der selben Seite wie Frau Clandon. Als sie alle sitzen, fixiert er McNaughtan und beginnt:) Wie es scheint, heisst in dieser Familie der Vater McNaughtan und die Mutter Clandon--wir haben also schon auf der Schwelle unseres Falles ein Element der Verwirrung. (Dr. Valentine steht auf und spricht zu ihm hinueber, mit einem Knie auf der Ottomane:) Aber das ist doch furchtbar einfach-- (Bohun vernichtet ihn mit seiner Donnerstimme:) Jawohl! Frau Clandon hat einen anderen Namen angenommen--das ist die einleuchtende Erklaerung, die selbst herauszufinden Sie mir nicht zutrauen. Sie unterschaetzen meinen Verstand, Herr Doktor Valentine! (Dr. Valentine will protestieren, aber Bobun laesst ihn nicht zu Worte kommen.) Nein: ich will nicht, dass Sie darauf antworten; ich will, dass Sie nachdenken, wenn Sie wieder glauben, mich unterbrechen zu muessen. (Dr. Valentine niedergedrueckt:) Das heisst wirklich, einen Schmetterling aufs Rad flechten! Was ist denn da weiter dabei? (Ersetzt sich wieder.) (Bohun.) Ich will Ihnen sagen, was dabei ist! Es ist dabei, dass--wenn diese Familienzwistigkeit ausgeglichen werden soll, wie wir es alle hoffen--Frau Clandon den Namen ihres Mannes wieder wird annehmen muessen, wie es sich gehoert und gesellschaftlich ueblich ist. (Frau Clandons Gesicht nimmt den Ausdruck aeusserst entschlossenen Widerstandes an.) Oder Herr McNaughtan wird sich ent-* schliessen muessen, sich "Clandon" zu nennen. (McNaughtan sieht fest entschlossen drein, nichts dergleichen zu tun.) Sie halten das zweifellos fuer eine ganz einfache Angelegenheit, Herr Doktor. (Er sieht erst Frau Clandon und dann McNaughtan scharf an.) Ich bin anderer Ansicht! (Er wirft sich in seinen Stuhl zurueck und runzelt heftig die Stirn.) (McComas furchtsam:) Ich glaube, wir sollten vielleicht lieber erst damit anfangen, die wichtigsten Fragen zur Sprache zu bringen. (Bohun.) McComas, die wichtigsten Fragen werden uns keinerlei Schwierigkeiten machen--das tun sie niemals. Die Kleinigkeiten sind es, die den Schiffbruch noch im Hafen verursachen. (McComas sieht drein, als ob er dies fuer ein Paradoxon hielte.) Sie sind nicht meiner Ansicht--was? (McComas schmeichelnd:) Wenn ich es waere-- (Bohun ihn unterbrechend:) Wenn Sie es waeren, so wuerden Sie sein, was ich bin, anstatt das zu sein, was Sie sind. (McComas unterwuerfig:) Gewiss, lieber Justizrat, Ihre Spezialitaet-- (Bohun unterbricht ihn wieder:) Meine Spezialitaet ist es, recht zu haben, wenn andere Leute unrecht haben. Wenn Sie meiner Ansicht waeren, dann wuerde ich hier unnuetz sein. (Er nickt ihm zu, wie um die Sache abzufertigen, und wendet sich dann ploetzlich und heftig an McNaughtan: ) Nun, und Sie, Herr McNaughtan? Welcher Punkt dieser Angelegenheit liegt Ihnen am meisten am Herzen? (McNaughtan beginnt langsam:) Ich moechte in dieser Sache allen Egoismus beiseite lassen-- (Bohun unterbricht ihn:) Das tun wir alle, Herr McNaughtan. (Zu Frau Clandon:) Sie wollen doch auch allen Egoismus beiseite lassen, Frau Clandon? (Frau Clandon.) Ja. Schon mein Hiersein zeigt, dass ich mich nicht an meine eigenen Gefuellte kehre. (Bohun.) Das tun Sie wohl ebensowenig, Fraeulein Clandon--nicht wahr? (Gloria.) Gewiss nicht. (Bohun.) Ich dacht' es mir. Das tun wir alle nicht. (Dr. Valentine.) Mich ausgenommen. Meine Absichten sind egoistisch. (Bohun.) Das sagen Sie, weil Sie glauben, dass eine Pose der Aufrichtigkeit auf Fraeulein Clandon einen besseren Eindruck machen wird, als eine Pose der Interesselosigkeit. (Dr. Valentine ist durch diese treffende Bemerkung vollkommen entdeckt und vernichtet. Er nimmt seine Zuflucht zu einem schwachen, wortlosen Laecheln. Bobun, zufrieden, jetzt alle Auflehnung vollstaendig unterjocht zu haben, wirft sich mit einer Miene in seinen Stuhl zurueck, als waere er nun bereit, alle Wuensche der Parteien geduldig anzuhoeren.) Nun, Herr McNaughtan, beginnen Sie. Es ist abgemacht: aller Egoismus wird beiseite gelassen! Die Menschen beginnen immer damit, das vorauszuschicken. (McNaughtan.) Aber ich meine es wirklich so, Herr Justizrat. (Bohun..) Gewiss. Jetzt zu Ihrer Sache! (McNaughtan.) Es handelt sich um die Kinder. Jeder vernuenftige Mensch wird zugeben, dass das selbstlos ist. (Bohun.) Nun, was ist's mit den Kindern? (McNaughtan mit Ergriffenheit:) Sie haben-- (Bohun faellt wieder ueber ihn her:) Halt! Sie sind im Begriff, von Ihren Gefuehlen zu sprechen--tun Sie das nicht! Ich sympathisiere mit Ihren Gefuehlen, aber sie haben nichts mit meinem Geschaeft zu tun. --Sagen Sie uns genau, was Sie verlangen. Das ist es, was wir wissen muessen. (McNaughtan unbehaglich:) Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten, Herr Justizrat. (Bohun.) Gut, ich will Ihnen helfen. Was haben Sie gegen die gegenwaertige Lage Ihrer Kinder einzuwenden? (McNaughtan.) Ich verwahre mich gegen die Erziehung, die sie genossen haben! (Frau Clandons Stirn legt sich in bedrohliche Falten.) (Bohun.) Und was schlagen Sie vor--das geschehen soll, um das jetzt zu aendern? (McNaughtan.) Ich meine, dass sie sich ruhiger, einfacher kleiden sollten. (Dr. Valentine.) Unsinn! (Bohun wirft sich, durch diese Unterbrechung empoert, sofort in seinen Stuhl zurueck:) Ich warte. Wenn Sie fertig sind... Herr Doktor. Wenn Sie ganz fertig sind! (Dr. Valentine.) Was haben Sie gegen Fraeulein Clandons Kleidung einzuwenden? (McNaughtan hitzig zu Dr. Valentine:) Meine Ansicht ist ebenso wichtig wie die Ihre! (Gloria warnend:) Vater! (McNaughtan gibt klaeglich nach:) Dich hab' ich ja nicht gemeint, meine Liebe! (Er wendet sich mit ernster Dringlichkeit zu Bohun:) Aber die beiden juengeren Geschwister! Sie haben sie nicht gesehen, Herr Justizrat... wahrhaftig, ich bin ueberzeugt, Sie waeren auch der Ansicht, dass in der Art, wie die sich kleiden, etwas sehr Auffallendes, beinahe Herausforderndes und Frivoles liegt. (Frau Clandon ungeduldig:) Glaubst du, dass ich ihnen ihre Kleider aussuche? Das ist wirklich kindisch! (McNaughtan erhebt sich wuetend:) Kindisch!... (Frau Clandon steht entruestet auf.) /* (McComas) ) (McNaughtan, Sie ) (alle erbeben sich (haben versprochen-- (Dr. Valentine) ) und sprechen (Laecherlich, sie ) gleichzeitig:) (kleiden sich reizend! (Gloria) ) (Bitte, wollen wir uns (nicht vernuenftig (benehmen? */ (Laerm. Ploetzlich hoeren sie ein warnendes Glaeserklirren aus dem hinter ihnen gelegenen Zimmer. Sie wenden sich schuldbewusst um und sehen, dass der Kellner eben aus dem Gartenschank zurueckgekehrt ist und sein Servierbrett erklingen laesst. Waehrend er damit behutsam an den Tisch kommt, wird es totenstill.) (Der Kellner zu McNaughtan, ein hohes Glas beiseite auf den Tisch stellend:) Ihr irischer Whisky, gnaediger Herr. (McNaughtan setzt sich ein wenig beschaemt. Der Kellner stellt einen anderen Kelch und ein Siphon auf den Tisch beiseite und sagt zu Bohun:) Schottischer Whisky mit Soda fuer den Herrn Rechtsanwalt. (Bohun winkt ungeduldig mit der Hand. Der Kellner setzt eine grosse Bowle in die Mitte des Tisches.) Die Weinbowle. (Alle nehmen ihre Plaetze wieder ein. Es herrscht Frieden.) (Frau Clandon demuetig zu Bohun:) Ich fuerchte, wir haben Sie unterbrochen, Herr Justizrat. (Bohun ruhig:) Das haben Sie. (Zum Kellner, der binausgeht:) Warten Sie einen Augenblick. (Der Kellner.) Gern. Womit kann ich dienen? (Er stellt sich hinter Bohuns Stuhl.) (Frau Clandon zum Kellner:) Entschuldigen Sie, dass wir Sie aufhalten. Der Herr Justizrat wuenscht es. (Der Kellner, der sich jetzt ganz wohl fuehlt:) Aber, gnaedige Frau--durchaus nicht, es ist mir ein Vergnuegen, der Gedankenarbeit seines geuebten und maechtigen Geistes folgen zu duerfen--das ist sehr anregend, sehr unterhaltend und lehrreich--wahrhaftig, gnaedige Frau! (Bohun nimmt den Gang der Ferhandlung wieder auf:) Nun, Herr McNaughtan, wir warten auf Sie! Ziehen Sie Ihren Einwand gegen die Kleidung Ihrer Kinder zurueck oder beharren Sie dabei? (McNaughtan eroerternd:) Herr Justizrat, versetzen Sie sich einen Augenblick in meine Lage: ich habe nicht nur an mich allein zu denken--da ist meine Schwester Sophronia und mein Schwager--und ihr ganzer Kreis. Sie haben einen grossen Abscheu vor allem, was nur irgendwie--nur irgendwie--nun... (Bohun.) Na, heraus damit!... Ausgelassen?--laut? bunt? (McNaughtan.) Ja. Ich meine das natuerlich in keinem ruchlosen Sinne--aber--aber (verzweifelt damit herausplatzend:) die beiden Kinder wuerden meine Leute durch ihr Auftreten abstossen! Sie passen nicht zu ihren eigenen Verwandten. Das ist es, worueber ich mich beklage! (Frau Clandon mit unterdruecktem Zorn:) Herr Dr. Valentine, haben Sie irgend etwas Ausgelassenes oder Vorlautes an Phil und Dolly bemerkt? (Dr. Valentine.) Ganz gewiss nicht! Das ist der reinste Unsinn. Nichts kann geschmackvoller sein. (McNaughtan.) Ja, Sie finden das natuerlich geschmackvoll! (Frau Clandon.) William, Sie sehen eine Menge Menschen aus der guten englischen Gesellschaft: sind meine Kinder auffallend und ueberladen gekleidet? (Der Kellner versichernd:) O durchaus nicht, gnaedige Frau! (Ueberzeugend:) O nein, gnaediger Herr, durchaus nicht! Huebsch und geschmackvoll, ohne Zweifel--aber dabei sehr gewaehlt und nobel--sehr fein und hochklassig! Wahrhaftig, es koennten Sohn und Tochter eines Dechanten sein, gnaediger Herr. Man braucht sie nur anzusehen, nur zu--(In diesem Augenblick wirbeln ein Harlekin und eine Kolombine ins Zimmer, die zu der Musik im Garten, die eben den Schluss eines Walzers spielt, tanzen. Das Kleid des Harlekin besteht aus abwechselnden Vierecken (I Zoll im Quadrat) von tuerkisblauer und goldfarbener Seide, seine Pritsche ist vergoldet und seine Maske aufgeschlagen. Der Rock der Kolombine gleicht einem Feld im Herbst, orangegolden und mohnblumenrot; eine winzige Samtjacke stellt die Staubfaeden der Mohnblume vor.--Sie schwirren zwischen McComas und Bohun herein, ein erlesenes, blendendes Paar, und dann zurueck in einem Kreis bis an das Ende des Tisches hin, wo sie, da der letzte Walzertakt eben verklingt, in der Mitte der Gesellschaft ein lebendes Bild stellen: Harlekin beugt sein linkes Knie und Kolombine steht auf seinem rechten Knie mit ueber den Kopf gebogenen Armen. Im Gegensatz zu ihrem Tanz, der reizend grazioes war, ist diese Pose keine sehr glueckliche und droht mit einer Katastrophe zu enden.) (Die Kolombine schreiend:) Hebt mich herunter! Ich werde gleich fallen! Papa, heben Sie mich herunter! (McNaughtan laeuft aengstlich zu ihr hin und ergreift sie an den Haenden: ) Mein Kind! (Dolly springt mit seiner Hilfe herunter:) Danke schoen, das war lieb von Ihnen. (Philip schiebt seine Pritsche in seinen Guertel, setzt sich auf den Rand des Tisches und schenkt etwas Weinbowle ein.) (McNaughtan geht sehr verbluefft an die Ottomane zurueck.) Oh, war das lustig! O Gott! (Sie setzt sich mit einem Satz auf die Tischkante; keuchend:) Oh, Weinbowle! (Sie trinkt.) (Bohun mit maechtiger Stimme:) Das ist die juengere Dame, nicht wahr? (Dolly gleitet vom Tische herunter; geaengstigt von Bohuns maechtiger Stimme und seinem Benehmen:) Ja. Bitte, wer sind Sie? (Frau Clandon.) Das ist Herr Justizrat Bohun, Dolly. Er war so freundlich, heute abend zu uns zu kommen, um uns zu helfen. (Dolly.) Oh, dann wollen wir seinen Eintritt segnen-- (Philip.) Sch! (McNaughtan.) Herr Justizrat--McComas! ich wende mich an euch! Ist das in Ordnung? Wuerden Sie die Familie meiner Schwester tadeln, wenn sie sich dagegen verwahrte? (Dolly erroetet; drohend:) Fangen Sie also schon wieder an? (McNaughtan versoehnlich:) Nein, nein--es ist in deinem Alter vielleicht selbstverstaendlich. (Dolly hartnaeckig:) Lassen Sie mein Alter aus dem Spiel!--Ob mein Kleid huebsch ist, will ich wissen! (McNaughtan.) Ja, liebes Kind--ja--(Er setzt sich mit Zeichen der Unterwerfung.) (Dolly nachdruecklich:) Gefaellt es Ihnen? (McNaughtan.) Mein Kind, wie kannst du nur glauben, dass mir das gefaellt oder dass ich damit einverstanden bin? (Dolly entschlossen ihn nicht auszulassen:) Wie koennen Sie es huebsch finden und es dann nicht leiden moegen? (McComas erhebt sich aergerlich und entruestet:) Wahrhaftig, ich muss sagen-- (Bohun, der Dolly mit der groessten Zustimmung angehoert hat, macht sich sofort ueber ihn her:) Still, unterbrechen Sie nicht, McComas! Die Methode der jungen Dame ist vollkommen richtig! (Zu Dolly mit furchtbarem Nachdruck:) Fahren Sie fort zu fragen, Fraeulein Clandon,... fahren Sie fort, rasch! (Dolly.) Aber Sie sind ein regelrechter Gewaltmensch! Gehen Sie immer so vor? (Bohun erhebt sich:) Jawohl. Versuchen Sie nicht, mich aus dem Text zu bringen, mein Fraeulein! Sie sind zu jung dazu. (Er nimmt den Stuhl des McComas, der neben Frau Clandons Stuhl siebt, und stellt ihn neben seinen eigenen.) Setzen Sie sich! (Dolly gehorcht wie bezaubert, und Bohun setzt sich wieder. McComas, seines Stuhles beraubt, holt sich einen anderen, der zwischen dem Tisch und der ottomane steht:) Nun, Herr McNaughtan, die Tatsachen stehen vor Ihnen--alle beide. Sie glauben zwar, dass Sie Ihre beiden juengsten Kinder gern bei sich haetten, aber das wuerde Ihnen gar nicht gefallen--(McNaughtan versucht zu protestieren, aber Bohun gibt das unter keinen Umstaenden zu:) Nein, das gefiele Ihnen gar nicht. Sie glauben zwar, dass Sie das gern haetten, aber ich weiss das besser als Sie. Sie verlangen, dass diese junge Dame aufhoert, sich des Abends wie eine Buehnen-Kolombine und des Morgens wie eine moderne Kolombine zu kleiden... nun, sie wird das nie tun--niemals! Sie glaubt, sie wird es einmal tun, aber-- (Dolly ihn unterbrechend:) Nein, das glaube ich auch nicht! (Entschlossen:) Ich werde es niemals aufgeben, mich huebsch zu kleiden--niemals! Wie Gloria zu jenem Mann in Madeira gesagt hat: nie--nie--nie, so lange Gras waechst und Wasser fliesst! (Dr. Valentine erhebt sich in furchtbarer Aufregung:) Was?... was?!... (Er beginnt sehr rasch zu sprechen:) Wann hat sie das gesagt?... Zu wem hat sie das gesagt? (Bohun wirft sich in einen Stuhl, mit intensivem, mitleidigem Protest: ) Herr Doktor Valentine-- (Dr. Valentine hitzig:) Unterbrechen Sie mich nicht! Dies ist etwas sehr Ernstes! Ich muss wissen, zu wem Fraeulein Clandon das gesagt hat--ich bestehe darauf! (Dolly.) Vielleicht erinnert sich Phil. Welche Nummer war es? Numero drei oder Numero fuenf? (Dr. Valentine.) Numero fuenf!!!! (Philip.) Mut, Doktor, es war noch nicht Numero fuenf. Es war nur ein zahmer Seeoffizier, der immer bei der Hand war--der geduldigste und harmloseste Mensch von der Welt. (Gloria kalt:) Was wird jetzt eroertert, wenn ich fragen darf? (Dr. Valentine mit rotem Kopf:) Entschuldigen Sie... ich bedaure, gestoert zu haben. Ich will Sie nicht laenger belaestigen, Frau Clandon. (Er verneigt sich vor Frau Clandon und geht, kochend vor unterdrueckter Wut, rasch durch die Fenstertuer in den Garten.) (Dolly.) Hm hm... (Philip.) Aha! (Gloria.) Bitte, fahren Sie fort, Herr Justizrat. (Dolly dazwischenfahrend, als Bohun die Stirn furchtbar runzelt und sich zusammenrafft, zu einem neuerlichen Ringen mit dem Fall:) Sie wollen uns einschuechtern, Herr Justizrat. (Bohun.) Ich-- (Dolly ihn unterbrechend:) O ja, das wollen Sie! Sie glauben, dass es nicht so ist--aber es ist so. Ich sehe es an Ihrem Stirnrunzeln. (Bohun nachgebend:) Frau Clandon, ich erkenne aus freien Stuecken an, dass Sie kluge, hellkoepfige, gut erzogene Kinder haben... wollen Sie mir dafuer das Mittel angeben, das sie dazu bringen kann, den Mund zu halten? (Frau Clandon.) Dolly! liebste Dolly--! (Philip.) Unsere alte Unart, Dolly! Ruhe! (Dolly haelt sich den Mund.) (Frau Clandon.) Nun, Herr Justizrat, bevor Sie wieder anfangen... (Der Kellner leise:) Beeilen Sie sich--rasch! (Dolly ihm zublinzelnd:) Lieber William! (Philip.) Sch! (Bohun platzt gegen Dolly ploetzlich ganz unerwartet mit einer Frage los:) Haben Sie die Absicht, sich zu verheiraten? (Dolly.) Ich!... Nun, Finch nennt mich mit meinem Vornamen... (McComas.) Was soll das heissen?--Herr Justizrat, natuerlich spreche ich die junge Dame als alter Freund ihrer Mutter bei ihrem Vornamen an. (Dolly.) Ja. Sie nennen mich als alter Freund meiner Mutter "Dolly". Aber warum nennen Sie mich "Dorothee-ee-a?" (Mc Comos erhebt sich entruestet.) (McNaughtan erhebt sich aengstlich, um ihn zurueckzuhalten:) Beherrschen Sie sich, McComas. Wir wollen nicht heftig werden--haben Sie Geduld. (McComas.) Ich will keine Geduld haben! Sie tragen die beklagenswerteste Charakterschwaeche zur Schau, mein lieber McNaughtan! Ich finde das einfach unerhoert! (Dolly.) Herr Justizrat, bitte, schuechtern Sie Finch ein wenig fuer uns ein. (Bohun.) Das will ich.--McComas, Sie machen sich laecherlich. Setzen Sie sich! (McComas.) Ich-- (Bohun winkt ihm gebieterisch, sich zu setzen:) Nein, setzen Sie sich--setzen Sie sich! (McComas setzt sich verdriesslich nieder, und McNaughtan folgt sehr erleichtert seinem Beispiel.) (Dolly zu Bohun demuetig:) Ich danke Ihnen. (Bohun.) Nun hoeren Sie mich alle an. Ich enthalte mich jeder Meinung darueber, McComas, wie weit Sie sich in der durch die junge Dame angegebenen Richtung eingelassen oder nicht eingelassen haben. (McComas ist im Begriff zu protestieren.) Nein, unterbrechen Sie mich nicht!--Wenn sie Sie nicht heiratet, heiratet sie einen andern; das ist die beste Loesung der Schwierigkeit, die dadurch entsteht, dass sie nicht den Namen ihres Vaters traegt.--Die andere Dame hat die Absicht, sich zu verheiraten. (Gloria erroetend:) Herr Justizrat! (Bohun.) Doch, Sie haben die Absicht. Sie wissen es nicht, aber es ist so. (Gloria erhebt sich:) Halt! Hueten Sie sich davor, Herr Justizrat, fuer meine Absichten einzustehen. (Bohun erhebt sich:) Es hat keinen Zweck, Fraeulein Clandon. Sie werden mich nicht unterkriegen. Ich sage Ihnen, dass Ihr Name bald weder Clandon noch McNaughtan lauten wird. Und wenn ich wollte, koennte ich Ihnen sagen, wie er lauten wird. (Er geht an das andere Ende des Tisches, rollt seinen Domino auf und legt die falsche Nase auf den Tisch. Da er sich erhebt, erheben sich alle, und Philip geht an das Fenster. Bohun gibt dem Kellner durch eine Bewegung zu verstehen, dass er ihm beim Anziehen des Dominos helfen soll.) Herr McNaughtan, Ihre Absicht, die Gesetze anzurufen, ist Unsinn. Ihre Kinder werden alle majorenn sein, bevor Sie eine Entscheidung erreichen koennen. (Indem er dem Kellner erlaubt, den Domino um seine Schultern zu legen: ) Ich kann Ihnen nur raten, ein freundschaftliches Uebereinkommen zu treffen. Wenn Sie Ihre Familie noetiger haben als Ihre Familie Sie, dann werden Sie bei diesem Uebereinkommen allerdings schlecht wegkommen; --wenn Ihre Familie Sie aber noetiger hat als umgekehrt, dann werden Sie schon besser wegkommen. (Er schuettelt den Domino, so dass er in Falten faellt, und ergreift die falsche Nase. Dolly starrt ihn bewundernd an.) Die Sache liegt fuer Ihre Angehoerigen insoweit guenstig, als sie alle persoenlich sehr angenehme Menschen sind. Und Ihre Staerke, Herr McNaughtan, liegt in Ihrem Einkommen. (Er stuelpt die falsche Nase auf und ist wieder in grotesker Weise verwandelt.) (Dolly auf ihn zulaufend:) Oh, jetzt sehen Sie ganz menschlich aus! Ich moechte mit Ihnen tanzen--ein einzigesmal! Koennen Sie tanzen? (Philip nimmt seine Harlekinrolle wieder auf und bewegt seine Pritsche, als wenn er Bohun und Dolly bezaubern wollte.) (Bohun mit Donnerstimme:) Ja, Sie glauben, dass ich nicht tanzen kann--aber ich kann es. Kommen Sie! (Er packt sie und tanzt mit ihr durch die Fenstertuer in gewaltsamer Weise, aber mit beflissener Sicherheit und Anmut hinaus. Inzwischen stellt der Kellner geschaeftig die Stuehle an ihre gewoehnlichen Plaetze zurueck.) (Philip.) "Auf! Bis zum Morgen tanzt und trink und minnt"[*]--William! [Footnote *: Byrons "Childe Harold" Canto III Strophe 22. (Anm. des Uebers.)] (Der Kellner.) Zu dienen, junger Herr? (Philip.) Koennen Sie meinem Vater und Herrn McComas zwei Dominos und zwei falsche Nasen verschaffen? (McComas.) Was faellt Ihnen ein--ich verwahre mich dagegen-- (McNaughtan.) Nicht doch! Was ist denn da weiter dabei? Nur einmal, McComas! Wir wollen doch keine Spielverderber sein. (McComas.) McNaughtan, Sie sind nicht der Mann, fuer den ich Sie gehalten habe. (Scharf:) Tyrannen sind immer Feiglinge. (Er geht angewidert zur Fenstertuer.) (McNaughtan folgt ihm:) Na, nichts fuer ungut! Wir muessen ihnen etwas zugute halten.--Koennen Sie uns irgendeinen Umhang verschaffen, Kellner? (Der Kellner.) Gewiss, gnaediger Herr. (Er folgt ihnen an die Fenstertuer und bleibt dort stehen, um die Herren vorausgehen zu lassen. ) Hier bitte--Sie wuenschen Dominos und Nasen? (McComas aergerlich im Abgehen:) Ich werde meine eigene Nase tragen. (Der Kellner schmelzend:) Selbstverstaendlich, gnaediger Herr: die falsche Nase wird ganz leicht darueber gehen. Es ist viel Platz dafuer, gnaediger Herr--viel Platz! (Er geht hinter McComas hinaus.) (McNaughtan wendet sich an der Fenstertuer nach Phil um mit einem Versuch zu gemuetlicher Vaeterlichkeit:) Komm, mein Junge, komm! (Er geht.) (Philip folgt ihm heiter:) Ich komme schon, Papachen, ich komme schon! (An der Schwelle der Fenstertuer haelt er inne, blickt McNaughtan nach, wendet sich dann phantastisch mit seiner um seinen Kopf wie einen Heiligenschein gebogenen Pritsche um und sagt mit gedaempfter Stimme zu Frau Clandon und Gloria:) Habt ihr das Ergreifende dieser Worte empfunden? (Er verschwindet.) (Frau Clandon mit Gloria allein:) Warum ist Doktor Valentine so ploetzlich fortgegangen? Das verstehe ich nicht. (Gloria verdriesslich:) Ich weiss nicht.--Doch--ich weiss es. Komm, sehen wir ein wenig dem Tanz zu. (Sie gehen nach der Fenstertuer zu und begegnen Dr. Valentine, der vom Garten mit raschen Schritten hereinkommt, mit muerrischem Gesicht und bewoelkter Stirn.) (Dr. Valentine steif:) Entschuldigen Sie. Ich dachte, die Gesellschaft waere schon auseinandergegangen. (Gloria noergelnd:) Warum sind Sie dann zurueckgekommen? (Dr. Valentine.) Ich bin zurueckgekommen, weil ich kein Geld bei mir habe und dort ohne ein Fuenf-Schilling-Billett nicht hinausgelassen werde. (Frau Clandon.) Hat Sie hier irgend etwas verletzt, Herr Doktor? (Gloria.) Kuemmere dich nicht um ihn, Mutter. Das soll eine neue Beleidigung fuer mich sein--weiter nichts. (Frau Clandon kaum faehig, sich vorzustellen, dass Gloria wohlueberlegt einen Wortwechsel heraufbeschwoeren koennte:) Gloria! (Dr. Valentine.) Frau Clandon, habe ich irgend etwas Beleidigendes gesagt?... Habe ich irgend etwas Beleidigendes getan? (Gloria.) Sie haben stillschweigend zu verstehen gegeben, dass meine Vergangenheit der Ihrigen gleicht--das ist die allerschwerste Beleidigung. (Dr. Valentine.) Ich habe nichts dergleichen zu verstehen gegeben. Ich behaupte, dass meine Vergangenheit, mit der Ihren verglichen, tadellos gewesen ist. (Frau Clandon aeusserst entruestet:) Herr Doktor! (Dr. Valentine.) Na, was soll ich mir dabei denken, wenn ich erfahren muss, dass Fraeulein Clandon andern Maennern genau dieselben Reden gehalten hat wie mir--wenn ich von mindestens fuenf frueheren Liebhabern hoeren muss und einem zahmen Seeoffizier noch dazu! Oh, das ist zu arg! (Frau Clandon.) Aber Sie glauben doch sicher nicht, dass diese Dinge ernst gewesen sind--harmlose Scherze von Kindern--Herr Doktor? (Dr. Valentine.) Ihnen sind es vielleicht Scherze--vielleicht auch ihr. Aber ich weiss, was die Betroffenen dabei gelitten haben. (Mit possierlich echtem Ernst:) Haben Sie jemals an die vernichteten Existenzen gedacht--an die Ehen, die in der Ruecksichtslosigkeit der Verzweiflung geschlossen wurden--an die Selbstmorde--die--die--die-- (Gloria unterbricht ihn verachtungsvoll:) Mutter, dieser Mensch ist ein sentimentaler Esel! (Sie rauscht fort an den Kamin.) (Frau Clandon empoert:) Oh, meine teuerste Gloria! Der Herr Doktor wird das grob finden. (Dr. Valentine.) Ich bin kein sentimentaler Esel mehr! Ich bin fuer immer von jeder Sentimentalitaet geheilt. (Er setzt sich zornig.) (Frau Clandon.) Sie muessen uns allen verzeihen, Herr Doktor. Die Frauen muessen die falschen guten Manieren ihres Sklaventums erst verlernen, bevor sie sich die echten guten Manieren ihrer Freiheit aneignen koennen.--Halten Sie Gloria nicht fuer gemein. (Gloria wendet sich erstaunt um.) Sie ist es wirklich nicht. (Gloria.) Mutter, du entschuldigst mich bei *ihm*! (Frau Clandon.) Mein Kind, du hast manchen Fehler der Jugend und auch manchen ihrer Vorzuege, und Herr Doktor Valentine hat wohl zu altmodische Ideen ueber sein eigenes Geschlecht, als dass er sich gern einen Esel nennen liesse.--Aber wollen wir jetzt nicht lieber nachsehen, was Dolly anstellen mag? (Sie gebt an die Fenstertuer. Dr. Valentine erhebt sich.) (Gloria.) Geh du ohne mich, Mutter. Ich habe mit Herrn Doktor Valentine ein Wort allein zu sprechen. (Frau Clandon ueberrascht, will sich dagegen verwahren:) Meine liebe Gloria... (Sich besinnend:) Entschuldige--selbstverstaendlich, wenn du es wuenschest. (Sie verneigt sich gegen Dr. Valentine und geht hinaus.) (Dr. Valentine.) Oh, warum ist Ihre Mutter nicht Witwe--sie ist sechsmal so viel wert als Sie! (Gloria.) Nun hoere ich endlich das erste Wort aus Ihrem Munde, das Ihnen Ehre macht. (Dr. Valentine.) Unsinn! Nun--sagen Sie mir, was Sie mir zu sagen haben, und lassen Sie mich gehen. (Gloria.) Ich habe Ihnen nur das eine zu sagen: Sie haben mich heute nachmittag einen Augenblick auf Ihr Niveau herabgedrueckt. Glauben Sie, dass ich nicht auf meiner Hut gewesen sein wuerde, wenn mir das schon einmal passiert waere, dass ich nicht gewusst haette, was kommen wuerde, und meine eigene elende Schwaeche gekannt haette? (Dr. Valentine sie leidenschaftlich auszankend:) Sprechen Sie nicht in dieser Weise darueber! Was liegt mir an Ihren inneren Eigenschaften mit Ausnahme von Ihrer Schwaeche, wie Sie das nennen? Sie haben sich fuer sehr sicher gehalten--nicht wahr?--Verschanzt hinter Ihren fortschrittlichen Ideen! Es hat mir Spass gemacht, die ziemlich leicht ueber den Haufen zu werfen. (Gloria dreist, da sie fuehlt, dass sie jetzt mit ihm machen kann, was sie will:) Wirklich? (Dr. Valentine.) Aber aus welchen Gruenden habe ich das getan?--Weil es mich gereizt hat, Ihr Herz zu wecken, die Tiefen in Ihnen aufzuwuehlen. --Und warum hat mich das gereizt? Weil meine Natur es bitter ernst mit mir gemeint hat, als ich mit ihr nur zu scherzen meinte... Wer von uns beiden ist erwacht, wie dann der grosse Augenblick gekommen war--wer wurde aufgewuehlt in seinen tiefsten Tiefen?... Ich! Ich! --Ich wurde hingerissen. Sie waren nur beleidigt... empoert! Sie sind nur eine ganz alltaegliche junge Dame--zu alltaeglich, um zahmen Seeoffizieren zu erlauben, so weit zu gehen, wie ich heute ging... weiter nichts. Ich will Sie nicht mit den ueblichen Entschuldigungen behelligen.--Leben Sie wohl. (Er geht entschlossen zur Tuer.) (Gloria.) Bleiben Sie! (Er zoegert.) Aber wollen Sie auch verstehen, dass ich Ihnen durchaus nicht entgegenkomme, wenn ich Ihnen jetzt die Wahrheit sage? (Dr. Valentine.) Pah! Ich weiss, was Sie mir jetzt sagen wollen. Sie glauben, dass Sie nicht alltaeglich sind--dass ich recht hatte--dass jene Tiefen in Ihrer Natur dennoch vorhanden sind... Es schmeichelt Ihnen, das zu glauben. (Sie weicht zurueck.) Nun, ich gebe zu, dass Sie in einer Hinsicht nicht alltaeglich sind: Sie sind ein gescheites Maedchen. (Gloria unterdrueckt einen Wutschrei und gebt ihm drohend einen Schritt entgegen.) Aber Sie sind noch nicht erweckt worden. Ich war Ihnen gleichgueltig... ich bin Ihnen gleichgueltig... meine Tragoedie ist es gewesen, nicht die Ihre. Leben Sie wohl! (Er wendet sich nach der Tuer; sie beobachtet ihn, entsetzt darueber, dass er ihrer Macht entschluepft. Die Tuerklinke in der Hand, haelt er inne, wendet sich dann wieder Gloria zu und reicht ihr die Hand.) Wir wollen als Freunde auseinandergehen. (Gloria ausserordentlich erleichtert, kehrt ihm mit groesster Absichtlichkeit den Ruecken:) Adieu.--Ich hoffe, Sie werden von Ihrer Wunde bald genesen. (Dr. Valentine mit Freude, da er erkennt, dass er doch schliesslich Herr der Situation ist:) Gewiss werde ich das--solche Wunden heilen, ohne zu schmerzen. Schliesslich kann mir meine Gloria doch niemand rauben. (Gloria sieht ihm rasch ins Gesicht:) Was meinen Sie? (Dr. Valentine.) Die Gloria meiner Einbildung. (Gloria stolz:) Behalten Sie diese Gloria--die Gloria Ihrer Einbildung. (Ihre Erregung beginnt staerker durch ihren Stolz hindurchzubrechen.) Die wirkliche Gloria, die empoerte...die beleidigte...die entsetzte--jawohl!--die vor Scham fast zum Wahnsinn gebrachte, als sie erfuhr, dass all ihre Selbstbeherrschung niederbrechen konnte bei der ersten Begegnung mit--mit--(Ihr Gesicht erroetet wieder ueber und ueber, sie bedeckt es mit ihrer linken Hand und ihre Rechte legt sie auf Dr. Valentines linken Arm, um sich zu stuetzen.) (Dr. Valentine.) Nehmen Sie sich in acht--ich bin schon wieder nahe dran, den Verstand zu verlieren! (Sie nimmt allen ihren Mut zusammen und laesst die Hand, die ihr Gesicht bedeckt, auf Dr. Valentines rechte Schulter fallen, wobei sie sich ihm zuwendet und ihm gerade in die Augen schaut. Er beginnt auf-*) *(geregt zu protestieren:) Gloria, seien Sie vernuenftig--es hat ja keinen Zweck--ich habe keinen Heller! (Gloria.) Koennen Sie denn keinen verdienen? Andere Leute koennen es doch. (Dr. Valentine halb entzueckt, halb erschrocken:) O niemals! Ich wuerde Sie ungluecklich machen--Teuerste, Geliebte--ich muesste ein erbaermlicher Mitgiftjaeger und Abenteurer sein--(Sie umschlingt ihn fester und kuesst ihn:) O Gott! (Atemlos:) Oh... ich--(Er keucht:) Ich kenne die Frauen noch immer nicht... keine Ahnung habe ich... die Erfahrungen von zwoelf Jahren genuegen nicht! (In einer Aufwallung von Eifersucht stoesst sie ihn von sich fort, und er taumelt zurueck in den Stuhl wie ein vom Wind verwehtes Blatt. Da tanzt Dolly mit dem Kellner ins Zimmer, Frau Clandon und McComas folgen ihr, auch tanzend, und Philip pirouettiert auf eigene Faust herein.) (Dolly sinkt atemlos auf den Stuhl vor den Schreibtisch:) Oh, ich bin atemlos! Sie tanzen wundervoll Walzer, William! (Frau Clandon sinkt in den Lederfauteuil vor dem Kamin:) Oh, wie konnten Sie mich nur zu einer solchen Torheit verleiten, Finch! Ich habe seit der Soiree in South Place vor zwanzig Jahren nicht getanzt. (Gloria bestimmt, zu Dr. Valentine:) Stehen Sie auf! (Dr. Valentine erhebt sich unterwuerfig.) Lassen wir jetzt alles falsche Zartgefuehl beiseite. Sagen Sie meiner Mutter, dass wir entschlossen sind, uns zu heiraten. (Ein Schweigen sprachlosen Erstaunens. Dr. Valentine, sprachlos vor panischem Schrecken, starrt alle an. Er will sichtlich davonlaufen.) (Dolly bricht das Stillschweigen:) Nummer sechs! (Philip.) Sch! (Dolly ausgelassen:) Oh, meine Gefuehle! Ich kann sie kaum beherrschen! Ich moechte jemanden kuessen,--und in der Familie ist das verboten! Wo ist Finch? (McComas heftig losbrechend:) Nein! zum Donnerwetter! (McNaughtan erscheint an der Fenstertuer.) (Dolly zu McNaughtan laufend:) Oh, Sie kommen gerade recht! (Sie kuesst ihn.) Nun--(zieht ihn vor, zu Dr. Valentine und Gloria:) segnen Sie sie! (Gloria.) Nein! nichts davon--nicht einmal im Scherz. Wenn ich einen Segen brauche, so werde ich meine Mutter darum bitten. (McNaughtan zu Gloria, schmerzlich enttaeuscht:) Soll das heissen, dass du dich mit diesem Herrn verlobt hast? (Gloria entschlossen:) Ja.--Haben Sie die Absicht, unser Freund zu sein, oder-- (Dolly unterbrechend:)--oder unser Vater? (McNaughtan.) Ich wuerde gern beides sein, mein Kind, aber--!... Herr Doktor Valentine, ich wende mich an Ihr Ehrgefuehl-- (Dr. Valentine.) Sie haben ganz recht. Es ist einfach Wahnsinn. Wenn wir zusammen auf einen Ball gehen wollen, werde ich Sie um fuenf Schillinge anpumpen muessen, um mir die Eintrittskarte zu loesen. --Gloria, uebereilen Sie nichts--Sie werfen sich fort! Es ist das beste, wenn ich alledem ein Ende mache und niemals irgendeinem aus Ihrer Familie wieder begegne. Ich werde keinen Selbstmord begehen, ich werde nicht einmal ungluecklich sein: es wird eine Befreiung fuer mich sein--ich--ich fuerchte mich--ich fuerchte mich wahrhaftig--es ist die reine Wahrheit. (Gloria entschlossen:) Ich verbiete Ihnen zu gehen! (Dr. Valentine verzagt:) Nein, Liebste, selbstverstaendlich nicht, aber ... Oh, wenn doch nur jemand einen Augenblick vernuenftig sprechen und uns alle zur Vernunft bringen wollte! Ich kann's nicht... Wo ist Bohun?... Bohun ist der Mann! Phil, gehen Sie und beschwoeren Sie Bohun. (Philip.) Aus der ungeheuren Tiefe. Ich gehe. (Er laesst seine Pritsche durch die Luft sausen und schiesst durch die Fenstertuer fort.) (Der Kellner harmonisch zu Dr. Valentine:) Wenn Sie gestatten, dass ich mir ein Wort zu sagen erlaube, Herr Doktor: Opfern Sie wegen fuenf Schillinge nicht Ihr Lebensglueck. Wir werden uns nur zu sehr freuen, Ihnen das Billett auf Kredit zu besorgen, und Sie koennen die Sache ordnen, wann es Ihnen beliebt,--wann immer es Ihnen passen wird. Es wird mich nur sehr freuen, es wird mir ein Vergnuegen und eine Ehre sein, Herr Doktor. (Philip erscheint wieder:) Er kommt! (Er schwingt seine Pritsche vor dem Fenster. Bohun tritt ein, nimmt seine falsche Nase ab und wirft sie auf den Tisch, waehrend er an Philip voruebergeht und zwischen Gloria und Dr. Valentine tritt.) (Dr. Valentine.) Es handelt sich darum, Herr Justizrat-- (McComas unterbricht, vom Kamin aus:) Entschuldigen Sie, Herr Doktor, die Sache muss von einem Anwalt vorgetragen werden.--Es handelt sich um eine Verlobung zwischen diesen beiden jungen Leuten. Sie hat etwas Vermoegen und (sieht McNaughtan an:) wird wahrscheinlich einmal noch viel mehr haben. (McNaughtan.) Moeglich. Ich hoffe es. (Dr. Valentine.) Und er hat keinen Heller. (Bohun nagelt Dr. Valentine sofort auf diesen Punkt fest:) Dann bestehen Sie auf einem Ehevertrag.--Das verletzt Ihr Zartgefuehl?... Das tun die meisten vernuenftigen Vorsichtsmassregeln. Aber Sie bitten mich um meinen Rat. Das ist er. Machen Sie einen Ehevertrag! (Gloria stolz:) Er soll einen Ehevertrag bekommen. (Dr. Valentine.) Mein lieber Herr Justizrat, ich, fuer meine Person, brauche Ihren Rat nicht--geben Sie ihr einen guten Rat. (Bohun.) Sie wuerde ihn nicht befolgen. Wenn Sie ihr Mann sein werden, wird sie auch Ihren Rat nicht befolgen... (Wendet sich ploetzlich an Gloria:) Nein, das werden Sie nicht--Sie glauben, dass Sie es werden, aber Sie werden es nicht. Er wird an die Arbeit gehen und seinen Unterhalt verdienen... (Wendet sich ploetzlich an Dr. Valentine:) O ja, das werden Sie--Sie glauben es nicht, aber Sie werden es! Sie wird Sie schon dazu anhalten. (McNaughtan nur halb ueberzeugt:) Dann, Herr Justizrat, halten Sie diese Verbindung also nicht fuer unklug? (Bohun.) O doch! Alle Verbindungen sind unklug. Es ist unklug, geboren zu werden--es ist unklug, zu heiraten--es ist unklug, zu leben--und es ist klug, zu sterben. (Der Kellner draengt sich unauffaellig zwischen McNaughtan und Dr. Valentine:) Wenn ich mir hoeflichst erlauben darf, fortzusetzen: Dann ist es etwas Trauriges um die Weisheit. (Zu Dr. Valentine:) Glueck auf, Herr Doktor, Glueck auf! Jeder Mensch fuerchtet die Ehe, wenn es dazu kommt--aber sie geht oft ganz angenehm aus, sehr froehlich und selbst gluecklich--von Zeit zu Zeit. Ich war niemals Herr in meinem eigenen Hause. Meine Frau war wie Ihre Braut, befehlshaberisch und herrschsuechtig veranlagt. Mein Sohn hat diese Eigenschaften von ihr geerbt. Aber wenn ich mein Leben zum zweitenmal zu leben haette, ich wuerde es wieder so leben!... ich wuerde es genau wieder so leben--wahrhaftig!--Man kann nie wissen, Herr Doktor... man kann nie wissen. (Philip.) Erlauben Sie mir zu bemerken, dass, wenn Gloria sich wirklich entschlossen hat-- (Dolly)--die Sache besiegelt und Doktor Valentine erledigt ist. Wir verpassen bloss alle Taenze. (Dr. Valentine zu Gloria, galant, sich so gut er kann, aus der Affaere ziehend:) Darf ich um einen Walzer bitten?-- (Bohun widerspricht in seiner tiefsten Oktave:) Entschuldigen Sie--diesen Vorzug beanspruche ich als Rechtsbeistandshonorar! Darf ich um die Ehre bitten?--Ich danke. (Er tanzt mit Gloria fort und verschwindet unter den Lampions, und laesst Dr. Valentine nach Luft schnappend zurueck.) (Dr. Valentine wieder zu sich kommend:) Dolly: darf ich bitten--(Fordert sie zum Tanze auf.) (Dolly.) Unsinn! (Weicht ihm geschickt aus und laeuft um den Tisch herum an den Kamin:) Finch! Mein Finch! (Sie faellt ueber McComas her und zwingt ihn zu tanzen.) (McComas protestierend:) Ich bitte, halten Sie ein--wahrhaftig--(Er wird durch die Fenstertuer davongerissen.) (Dr. Valentine macht eins letzte Anstrengung:) Frau Clandon, darf ich bitten-- (Philip ihm zuvorkommend:) Komm, Muetter! (Er ergreift seine Mutter und wirbelt mit ihr fort.) (Frau Clandon zurechtweisend:) Phil--Phil--(Sie teilt McComas' Schicksal.) (McNaughtan folgt ihnen mit greisenhafter Heiterkeit:) Ho! ho! ho! ho! ho! (Er gebt in den Garten und kichert ueber den spass.) (Dr. Valentine sinkt auf die Ottomane und starrt den Kellner an:) Als ob ich schon verheiratet waere!... (Der Kellner betrachtet den im Zweikampf der Geschlechter Gefallenen mit liebenswuerdiger Teilnahme und schuettelt langsam den Kopf.) (Vorhang) Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Mann Kann Nie Wissen, von George Bernard Shaw. *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, MAN KANN NIE WISSEN *** This file should be named 7mknw10.txt or 7mknw10.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7mknw11.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7mknw10a.txt Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not keep eBooks in compliance with any particular paper edition. We are now trying to release all our eBooks one year in advance of the official release dates, leaving time for better editing. Please be encouraged to tell us about any error or corrections, even years after the official publication date. Please note neither this listing nor its contents are final til midnight of the last day of the month of any such announcement. The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A preliminary version may often be posted for suggestion, comment and editing by those who wish to do so. Most people start at our Web sites at: http://gutenberg.net or http://promo.net/pg These Web sites include award-winning information about Project Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!). Those of you who want to download any eBook before announcement can get to them as follows, and just download by date. This is also a good way to get them instantly upon announcement, as the indexes our cataloguers produce obviously take a while after an announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter. http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext05 or ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext05 Or /etext04, 03, 02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90 Just search by the first five letters of the filename you want, as it appears in our Newsletters. Information about Project Gutenberg (one page) We produce about two million dollars for each hour we work. The time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our projected audience is one hundred million readers. If the value per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2 million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+ We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002 If they reach just 1-2% of the world's population then the total will reach over half a trillion eBooks given away by year's end. The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks! This is ten thousand titles each to one hundred million readers, which is only about 4% of the present number of computer users. Here is the briefest record of our progress (* means estimated): eBooks Year Month 1 1971 July 10 1991 January 100 1994 January 1000 1997 August 1500 1998 October 2000 1999 December 2500 2000 December 3000 2001 November 4000 2001 October/November 6000 2002 December* 9000 2003 November* 10000 2004 January* The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium. We need your donations more than ever! As of February, 2002, contributions are being solicited from people and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut, Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois, Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts, Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio, Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West Virginia, Wisconsin, and Wyoming. We have filed in all 50 states now, but these are the only ones that have responded. As the requirements for other states are met, additions to this list will be made and fund raising will begin in the additional states. Please feel free to ask to check the status of your state. In answer to various questions we have received on this: We are constantly working on finishing the paperwork to legally request donations in all 50 states. If your state is not listed and you would like to know if we have added it since the list you have, just ask. While we cannot solicit donations from people in states where we are not yet registered, we know of no prohibition against accepting donations from donors in these states who approach us with an offer to donate. International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made deductible, and don't have the staff to handle it even if there are ways. Donations by check or money order may be sent to: PROJECT GUTENBERG LITERARY ARCHIVE FOUNDATION 809 North 1500 West Salt Lake City, UT 84116 Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment method other than by check or money order. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN [Employee Identification Number] 64-622154. Donations are tax-deductible to the maximum extent permitted by law. As fund-raising requirements for other states are met, additions to this list will be made and fund-raising will begin in the additional states. We need your donations more than ever! You can get up to date donation information online at: http://www.gutenberg.net/donation.html *** If you can't reach Project Gutenberg, you can always email directly to: Michael S. Hart Prof. Hart will answer or forward your message. We would prefer to send you information by email. **The Legal Small Print** (Three Pages) ***START**THE SMALL PRINT!**FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS**START*** Why is this "Small Print!" statement here? You know: lawyers. They tell us you might sue us if there is something wrong with your copy of this eBook, even if you got it for free from someone other than us, and even if what's wrong is not our fault. So, among other things, this "Small Print!" statement disclaims most of our liability to you. It also tells you how you may distribute copies of this eBook if you want to. *BEFORE!* YOU USE OR READ THIS EBOOK By using or reading any part of this PROJECT GUTENBERG-tm eBook, you indicate that you understand, agree to and accept this "Small Print!" statement. If you do not, you can receive a refund of the money (if any) you paid for this eBook by sending a request within 30 days of receiving it to the person you got it from. If you received this eBook on a physical medium (such as a disk), you must return it with your request. ABOUT PROJECT GUTENBERG-TM EBOOKS This PROJECT GUTENBERG-tm eBook, like most PROJECT GUTENBERG-tm eBooks, is a "public domain" work distributed by Professor Michael S. Hart through the Project Gutenberg Association (the "Project"). Among other things, this means that no one owns a United States copyright on or for this work, so the Project (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth below, apply if you wish to copy and distribute this eBook under the "PROJECT GUTENBERG" trademark. Please do not use the "PROJECT GUTENBERG" trademark to market any commercial products without permission. To create these eBooks, the Project expends considerable efforts to identify, transcribe and proofread public domain works. Despite these efforts, the Project's eBooks and any medium they may be on may contain "Defects". Among other things, Defects may take the form of incomplete, inaccurate or corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual property infringement, a defective or damaged disk or other eBook medium, a computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by your equipment. LIMITED WARRANTY; DISCLAIMER OF DAMAGES But for the "Right of Replacement or Refund" described below, [1] Michael Hart and the Foundation (and any other party you may receive this eBook from as a PROJECT GUTENBERG-tm eBook) disclaims all liability to you for damages, costs and expenses, including legal fees, and [2] YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE OR UNDER STRICT LIABILITY, OR FOR BREACH OF WARRANTY OR CONTRACT, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR INCIDENTAL DAMAGES, EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH DAMAGES. If you discover a Defect in this eBook within 90 days of receiving it, you can receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending an explanatory note within that time to the person you received it from. If you received it on a physical medium, you must return it with your note, and such person may choose to alternatively give you a replacement copy. If you received it electronically, such person may choose to alternatively give you a second opportunity to receive it electronically. THIS EBOOK IS OTHERWISE PROVIDED TO YOU "AS-IS". NO OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, ARE MADE TO YOU AS TO THE EBOOK OR ANY MEDIUM IT MAY BE ON, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR A PARTICULAR PURPOSE. Some states do not allow disclaimers of implied warranties or the exclusion or limitation of consequential damages, so the above disclaimers and exclusions may not apply to you, and you may have other legal rights. INDEMNITY You will indemnify and hold Michael Hart, the Foundation, and its trustees and agents, and any volunteers associated with the production and distribution of Project Gutenberg-tm texts harmless, from all liability, cost and expense, including legal fees, that arise directly or indirectly from any of the following that you do or cause: [1] distribution of this eBook, [2] alteration, modification, or addition to the eBook, or [3] any Defect. DISTRIBUTION UNDER "PROJECT GUTENBERG-tm" You may distribute copies of this eBook electronically, or by disk, book or any other medium if you either delete this "Small Print!" and all other references to Project Gutenberg, or: [1] Only give exact copies of it. Among other things, this requires that you do not remove, alter or modify the eBook or this "small print!" statement. You may however, if you wish, distribute this eBook in machine readable binary, compressed, mark-up, or proprietary form, including any form resulting from conversion by word processing or hypertext software, but only so long as *EITHER*: [*] The eBook, when displayed, is clearly readable, and does *not* contain characters other than those intended by the author of the work, although tilde (~), asterisk (*) and underline (_) characters may be used to convey punctuation intended by the author, and additional characters may be used to indicate hypertext links; OR [*] The eBook may be readily converted by the reader at no expense into plain ASCII, EBCDIC or equivalent form by the program that displays the eBook (as is the case, for instance, with most word processors); OR [*] You provide, or agree to also provide on request at no additional cost, fee or expense, a copy of the eBook in its original plain ASCII form (or in EBCDIC or other equivalent proprietary form). [2] Honor the eBook refund and replacement provisions of this "Small Print!" statement. [3] Pay a trademark license fee to the Foundation of 20% of the gross profits you derive calculated using the method you already use to calculate your applicable taxes. If you don't derive profits, no royalty is due. Royalties are payable to "Project Gutenberg Literary Archive Foundation" the 60 days following each date you prepare (or were legally required to prepare) your annual (or equivalent periodic) tax return. Please contact us beforehand to let us know your plans and to work out the details. WHAT IF YOU *WANT* TO SEND MONEY EVEN IF YOU DON'T HAVE TO? Project Gutenberg is dedicated to increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine readable form. The Project gratefully accepts contributions of money, time, public domain materials, or royalty free copyright licenses. Money should be paid to the: "Project Gutenberg Literary Archive Foundation." If you are interested in contributing scanning equipment or software or other items, please contact Michael Hart at: hart@pobox.com [Portions of this eBook's header and trailer may be reprinted only when distributed free of all fees. Copyright (C) 2001, 2002 by Michael S. Hart. Project Gutenberg is a TradeMark and may not be used in any sales of Project Gutenberg eBooks or other materials be they hardware or software or any other related product without express permission.] *END THE SMALL PRINT! FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS*Ver.02/11/02*END*